
Wie haben Sie die Arbeit im Vorstand bzw. als Delegierter der Kammerversammlung in den letzten fünf Jahren erlebt?
Wollenberg: Die Arbeit in der Kammerversammlung ist herausfordernd und vielseitig. Fortlaufend gilt es, unterschiedliche Interessen zum Wohle der niedersächsischen Ärzt*innenschaft und der Patient*innenversorgung in Niedersachsen unter einen Hut zu bringen. Das braucht Zeit und Geduld, denn partizipativ-demokratische Prozesse sind nicht immer schnell. Besonders wichtig war uns, hierbei stets als Stimme der angestellten und beamteten Ärzt*innenschaft zu fungieren und auch die Perspektiven junger Kolleginnen und Kollegen einzubringen. So haben wir die Arbeit in der Kammer lebendig und zukunftsorientiert gestaltet.
Hammerschmidt: Für mich waren die letzten fünf Jahre in der Kammerversammlung geprägt von intensiver Zusammenarbeit und vielen unterschiedlichen Interessen. Ich habe es als bereichernd erlebt, die Perspektiven aus unterschiedlichsten Bereichen der Ärzt*innenschaft kennenzulernen und stets versucht, Entscheidungen im Sinne aller niedersächsischen Ärztinnen und Ärzte zu treffen. Als angestellter Arzt habe ich mich besonders dafür eingesetzt, diese Sichtweise in die Kammerarbeit einzubringen und so eine Brücke zwischen Klinikalltag und Kammerarbeit zu bauen. Als Ärztinnen und Ärzte haben wir im Gegensatz zu anderen Berufsgruppen die Möglichkeit, im Rahmen der Selbstverwaltung einen Teil unseres Berufsalltags mitzugestalten. Die vergangenen fünf Jahre waren fordernd, aber jederzeit die Mühe wert. Gerade die jüngere Generation muss ihre Stimme erheben, um Veränderung zu bewirken und etwas zu bewegen.
Welchen Erfolg der Kammerversammlung nehmen Sie persönlich als besonders wichtig mit?
Wollenberg: Für mich ist die Umsetzung der zwei Anti-Gewalt-Gipfel zur Eindämmung von Gewalt gegen medizinisches Personal im Sozialministerium ein besonderer Erfolg. Anstoß hierzu hatten unsere Mitglieder durch die Beteiligung an der Umfrage „MB-Monitor 2024“ gegeben. Die belastbaren Zahlen zu diesem Thema haben eine wichtige Grundlage geschaffen, um Öffentlichkeit herzustellen, Lösungen vorzuschlagen und Verantwortliche zum Handeln zu bewegen. Wir haben dieses Thema kontinuierlich in der Kammerversammlung adressiert – mit Erfolg: Zwei Anti-Gewalt-Gipfel unter Gastgeberschaft des Sozialministeriums und Beteiligung verschiedener Gesundheitsinstitutionen, unter anderem der Ärztekammer Niedersachsen und des Marburger Bundes, wurden bislang realisiert.
Hammerschmidt: Unser Engagement im Kampf gegen die zunehmende Gewalt im Gesundheitswesen ist auch für mich besonders bedeutsam. Ergänzend zu den Anti-Gewalt-Gipfeln unterstützen wir ausdrücklich die von Minister Andreas Philippi geplante Bundesratsinitiative, um Angriffe auf Helfende stärker zu bestrafen.
Ebenfalls zu den wichtigsten Erfolgen zähle ich unser Engagement in der Weiterbildung. Als Mitglied des Weiterbildungsausschusses habe ich Kolleginnen und Kollegen unterstützt und die Weiterbildungsordnung aktiv mitgestaltet. Wir haben diese – nach der großen Novelle der Musterweiterbildungsordnung durch den Deutschen Ärztetag – mehrfach angepasst, um die Rahmenbedingungen zu verbessern.
Gemeinsam mit Land, Ärztekammer und Bundesärztekammer haben wir Anpassungen am KHAG gefordert, um die Versorgung kleiner Kliniken und damit gerade auf dem Land zu sichern. Eine Resolution zur „Krisenfestigkeit des Gesundheitssystems“ aus den Reihen des MB fand Eingang in den sicherheitspolitischen Dialog des Landes. Darüber hinaus haben wir erreicht, dass mehr Medizinstudienplätze geschaffen werden. Diese Erfolge zeigen: Unser Engagement trägt Früchte – wir werden gehört und können Veränderungen bewirken.
Wo hakt es noch – bei welchen Themen gibt es Nachholbedarf?
Wollenberg: Bürokratieabbau und Digitalisierung sind zentrale Themen. Die Prozesse in der Kammer müssen effizienter werden. Nur so können wir eine moderne Selbstverwaltung bieten, die auch jungen Kolleginnen und Kollegen entgegenkommt und ihnen die Bedeutung ihrer Mitwirkung nahebringt. Das Thema "Digitalisierung" müssen wir weiter vorantreiben. Da sind wir in der Kammer ein gutes Stück vorangekommen, aber manches läuft noch zu schwerfällig. Wir wollen moderne Strukturen; zusätzliche Bürokratie lehnen wir ab.
Hammerschmidt: Selbstverwaltung heißt, dass wir unseren Berufsalltag in einem bestimmten Rahmen mitgestalten können. Aber die Kammer wird häufig eher als Behörde wahrgenommen, etwa für Facharztprüfungen oder Beitragsabrechnungen. Dabei gestalten wir Berufsordnung, Weiterbildung, Fortbildung und die Ärzteversorgung – also ob und wie sicher unsere Rente ist – mit. Und nicht zuletzt sind wir auch eine Interessensvertretung für die niedersächsische Ärzt*innenschaft. Wir müssen klarer und transparenter kommunizieren, was wir tun. Nur wenn Kammerarbeit Akzeptanz findet, kann sie etwas bewirken.
Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen in den kommenden Jahren?
Hammerschmidt: Die Krankenhausreform wird die Versorgung nachhaltig verändern. Die Ärztekammer muss hier klar die Perspektive der Ärztinnen und Ärzte einbringen. Gleiches gilt für die Reform der Notfallversorgung: Als Oberarzt erlebe ich täglich, wie sehr Strukturen unter Druck stehen. Wir brauchen eine bessere Patient*innensteuerung und ein entsprechendes Gesetz. Weitere zentrale Themen sind der Schutz vor Gewalt, die Novelle der Weiterbildungsordnung und die Sicherung qualitativ hochwertiger Weiterbildung – trotz Fachkräftemangel und Unterfinanzierung. Ein leistungsfähiges Gesundheitssystem braucht ausreichend Personal, faire Finanzierung und Refinanzierung von Tarifsteigerungen. Dazu gehören mehr Digitalisierung, Bürokratieabbau und eine stabile Ausstattung des ÖGD. Wir müssen unsere Stimme erheben – sonst handeln andere über unsere Köpfe hinweg.
Wollenberg: Die größten Herausforderungen ergeben sich aus der Krankenhausreform. Es gilt, bestehende Strukturen zu erhalten und eine sektorübergreifende Versorgung zu sichern. Verbundweiterbildung muss gefördert werden, damit junge Kolleginnen und Kollegen eine umfassende Weiterbildung aus einer Hand absolvieren können. Ein zentrales Problem bleibt die auskömmliche Finanzierung des Gesundheitswesens – dafür werden wir uns in Niedersachsen weiterhin stark machen. Wir akzeptieren nicht, dass immer mehr Kolleginnen und Kollegen am Limit arbeiten, weil Arbeitsverdichtung und Druck steigen. Wer ein leistungsfähiges Gesundheitssystem will, muss ausreichend Personal stellen, es fair finanzieren und Bürokratie abbauen. Nur so sichern wir eine starke ärztliche Selbstverwaltung.
Warum ist der Marburger Bund die richtige Wahl?
Wollenberg: Wir verbinden Erfahrung mit frischen Ideen und sind die starke Stimme der angestellten und beamteten Ärztinnen und Ärzte – damit vertreten wir die Mehrheit der niedersächsischen Ärzt*innenschaft. Wir setzen uns konsequent für Ihre Interessen ein – in Krankenhäusern, Praxen, MVZ, Behörden, im MD oder im ÖGD. Andere werden diese Interessen nicht automatisch vertreten. Wir sind die Mehrheit, und das muss sich in der Kammerversammlung widerspiegeln! Mit zwei MB-Listen in Hannover, damit alle Stimmen Gehör finden und breit gefächerten Listen in den anderen Wahlbezirken sichern wir eine starke, vielfältige Vertretung für die Zukunft.
Hammerschmidt: Der Marburger Bund trägt Verantwortung an entscheidenden Stellen und gestaltet aktiv mit. Seit der Gründung der Ärztekammer Niedersachsen bringen wir Impulse ein – zuletzt mit einer Präsidentin aus unseren Reihen. Wir vertreten alle Generationen und bringen Erfahrung, neue Ideen und junge Kolleginnen und Kollegen in die Kammer. Mit der Jungen Liste in Hannover und weiteren jungen Kandidierenden in den anderen Wahlbezirken geben wir der Ärzt*innenschaft von morgen eine Stimme. Auf den MB-Listen stellen sich Kandidierende aus allen Bereichen und Erfahrungsstufen in der ärztlichen Berufslaufbahn zur Wahl. So stellen wir sicher, dass alle Anliegen Gehör finden und die Zukunft der ärztlichen Selbstverwaltung gestärkt wird.
Warum ist es so wichtig, dass möglichst viele Kolleginnen und Kollegen wählen gehen?
Hammerschmidt: Jede Stimme entscheidet, wie stark unsere ärztliche Selbstverwaltung in den kommenden Jahren aufgestellt ist. Wer nicht wählt, überlässt anderen die Entscheidung. Und gerade in Zeiten großer Herausforderungen brauchen wir eine starke Interessenvertretung. Wir brauchen bei den angestellten und beamteten Ärztinnen und Ärzten eine hohe Wahlbeteiligung und deren Stimmen für den Marburger Bund. Nur dann können wir sicherstellen, dass die Mehrheit auch eine Mehrheit hat.
Wollenberg: Aktiv wählen zu gehen, ist eine einfache und wirksame Form der Beteiligung. Je höher die Beteiligung, desto stärker ist unsere Stimme in Niedersachsen – zum Wohl unserer Mitglieder, der Ärzt*innenschaft und der Patientinnen und Patienten. Eine hohe Wahlbeteiligung zeigt, dass wir Ärztinnen und Ärzte unsere berufliche Selbstverwaltung wichtig nehmen. Sie stärkt unsere Positionen gegenüber Politik und Öffentlichkeit.
Was motiviert Sie persönlich, erneut anzutreten – und was möchten Sie Ihren Kolleginnen und Kollegen zum Schluss mitgeben?
Wollenberg: Es motiviert mich, Veränderungen mitzugestalten – sowohl als Betriebsrat in der Klinik, als Landesvorsitzender des Marburger Bundes als auch in der Landesärztekammer. Insbesondere motivieren mich die Rückmeldungen vieler Kolleg*innen, wenn wir etwas bewegt haben. Das treibt mich an, weiter gemeinsam mit engagierten MB-Kolleg*innen Verantwortung zu übernehmen. Mein Aufruf: Gehen Sie wählen und machen Sie mit – es lohnt sich!
Hammerschmidt: Wenn man sich im Marburger Bund und der Ärztekammer Niedersachsen engagiert, ist das mit einem hohen zeitlichen Aufwand verbunden. Man muss also Überzeugungstäter sein und das mit Herzblut tun. Mein Antrieb ist die Überzeugung, dass wir die Rahmenbedingungen unseres Berufs aktiv gestalten können. Ich möchte Verantwortung tragen, um die Situation für alle zu verbessern. Mich motiviert insbesondere der Wunsch, die Perspektive der jungen Ärztinnen und Ärzte einzubringen und die Kammerarbeit lebendiger zu machen. Ich möchte alle ermutigen: Bringen Sie sich ein – und starten Sie mit Ihrer Stimme bei dieser Wahl!
Vielen Dank für das Gespräch!
Hans Martin Wollenberg ist Oberarzt für Psychiatrie an der Burghof-Klinik Rinteln und in sechster Amtszeit Vorsitzender des Marburger Bundes Niedersachsen. Seit 2016 ist er Delegierter der Kammerversammlung der Ärztekammer Niedersachsen zum Deutschen Ärztetag, seit 2021 Vorstandsmitglied der ÄKN.
Andreas Hammerschmidt ist als Oberarzt in der Zentralen Notaufnahme im Agaplesion Ev. Klinikum Schaumburg tätig und seit 2019 Zweiter Vorsitzender des Marburger Bundes Niedersachsen. Seit 2021 ist er Mitglied der Kammerversammlung der Ärztekammer Niedersachsen sowie Delegierter der Kammerversammlung der ÄKN zum Deutschen Ärztetag.
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