80 Prozent der Gesetzlich Versicherten gehen nämlich in einem Jahr zu maximal fünf Ärztinnen oder Ärzten, davon ein Hausarzt und vier Fachärzte verschiedener Fachrichtungen. Das ist nach unserer Auffassung nicht viel, das ist weder ungeregelt noch unberechtigt“, sagte Dirk Ruiss (Leiter der Landesvertretung NRW des Verbandes der Ersatzkassen vdek) auf unserer Hauptversammlung in Köln zur Debatte über Fehlentwicklungen. „Das müssen wir nicht steuern.“
„Problematisch sind die verbleibenden 20 Prozent der Patienten, die mehr Ärzte besuchen, teils acht, neun, zehn oder elf Ärztinnen und Ärzte im Jahr. Diesen ungesteuerten Zugang müssen wir in den Griff kriegen, das verstopft die Praxen und damit sind Ärzte und Patienten nicht zufrieden.“
Wie lassen sich Patienten besser steuern? „Über die Primärversorgung. Wir brauchen einen Ideenwettbewerb. Wir sind als GKV mitnichten der Akteur, der sagt, das ist unser Konzept. Das können wir gar nicht leisten. Wir müssen aber die Zeit nutzen, um Konsens im Gesundheitswesen für ein verbindliches Konzept zu entwickeln, um der Politik einen Vorschlag unterbreiten zu können. Wir haben keine Zeit für einen Feldversuch. Wir haben nur einen Schuss frei, der muss sitzen. Wir müssen uns darauf verlassen“, erklärte Dirk Ruiss.
Der Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes hat jüngst ein Positionspapier zur Primärversorgung verabschiedet. Dirk Ruiss skizzierte die politischen Leitlinien: „Wir wollen eine einheitliche Lösung für alle GKV-Versicherte. Wir wollen den Zugang verbessern, eine bedarfsgerechte und diskriminierungsfreie Versorgung, zeitnahe Arzttermine, direkte Facharztversorgung bei chronisch Erkrankten etablieren. Wir möchten die Qualität sichern. Kontinuität in der Arzt-Patienten-Beziehung fördern, Mehrfachinanspruchnahmen vermeiden. Das steigert die Effizienz, denn wir nutzen begrenzte Ressourcen gezielt, verringern unnötige Arztkontakte. Wir wollen das systemisch als Regelversorgung umsetzen, keine Parallelsysteme schaffen. Das verlangt den Ausbau niedrigschwelliger telemedizinischer Angebote (Ersteinschätzung, Videosprechstunden).“
Klar ist dabei für Dirk Ruiss jedoch: „Patientensteuerung kann nur funktionieren, wenn die Patienten einen Vorteil davon haben. Wir brauchen dabei strikte Verbindlichkeit, denn was ist, wenn sich jmd. nicht daran hält? Ein Malus-System scheint jedoch nicht tragbar: „Das Modell der Selbstzahler ist in der GKV nicht mehrheitsfähig.“
In der nachfolgenden intensiven Diskussion sprach Dirk Ruiss jedoch nicht mehr konsequent von begrenzten Ressourcen oder gar von einem Ärztemangel. Eher sei doch „die Nachfrage zu hoch für das Angebot.“ Eine eher typisch ökonomische Betrachtungsweise, monierte das Plenum.
Dr. med. Sven Dreyer stellte klar: „Wir haben einen Mangel an Ärztinnen und Ärzten und an allen Stellen im Gesundheitswesen. Das wird noch schlimmer werden. Wir müssen uns ehrlich machen und die einst von Prof. Jörg Hoppe eröffnete Debatte über die Priorisierung wiedereröffnen.“ Unverzichtbar sei zudem, Patienten wieder eine Gesundheitskompetenz zu geben. Wir brauchen ein Schulfach Gesundheit.“