• Nordrhein-Westfalen nimmt neuen Anlauf für die Widerspruchslösung bei Organspende

    Sieben Bundesländer legen neuen Gesetzesentwurf im Bundesrat vor
    25.September 2025
    Nordrhein-Westfalen bringt gemeinsam mit sieben weiteren Ländern in der Sitzung des Bundesrates am Freitag (26. September 2025) erneut den Gesetzentwurf zur Einführung der Widerspruchslösung bei der Organspende ein. Der Entwurf sieht vor, dass zukünftig alle volljährigen Menschen in Deutschland grundsätzlich als Organspender gelten, wenn sie dem nicht widersprechen. Hintergrund ist die massive Lücke zwischen gespendeten Organen und Personen, die ein Spenderorgan benötigen – obwohl eine Mehrheit der Bevölkerung der Organspende gegenüber positiv eingestellt ist.
    NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann appelliert für die Widerspruchslösung.
    NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann appelliert für die Widerspruchslösung.

    „Ob ein Spenderorgan zur Verfügung steht, ist für viele Menschen eine Frage von Leben und Tod. Nicht zuletzt durch viele Gespräche mit Betroffenen ist mir die Einführung der Widerspruchslösung eine Herzensangelegenheit. Sie bietet eine echte Chance, die Zahl der Organspenden zu erhöhen und dadurch Leben zu retten sowie zermürbende Wartezeiten zu verkürzen. Das zeigen auch Beispiele europäischer Nachbarländer, die sich bereits für diese Regelung entschieden haben. Daher setze ich mich seit langem für die Einführung der Widerspruchslösung ein“, erklärt Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann.

    Deutschlandweit warteten zum Stichtag 1. Januar 2025 laut der Stiftung Eurotransplant fast 8.300 Patientinnen und Patienten auf ein Spenderorgan, allein in Nordrhein-Westfalen über 1.700 Menschen. Zugleich wurden im Jahr 2024 in Deutschland aber nur rund 2.850 Organe gespendet, in Nordrhein-Westfalen waren es knapp 500.

    „Laut Studien liegen die Zustimmungsraten zur Organspende in Deutschland bei mehr als 80 Prozent. Wir haben also keinen Mangel an Menschen, die nach ihrem Tod Organe spenden möchten – sondern ein Dokumentationsproblem. Wenn Menschen ihren eigenen Willen nicht hinterlegt haben, müssen die Angehörigen entscheiden. Aus Sorge, gegen den Willen des Verstorbenen zu handeln, wird die Spende dann häufig abgelehnt. Die Einführung der Widerspruchslösung kann dieses Dilemma beenden. Es ist deshalb wichtig, dass der Bundesrat über die erneute Einbringung der Widerspruchslösung bei der Organspende in den Deutschen Bundestag befindet. Ich halte es für fachlich und menschlich geboten, dass sich das Parlament mit dieser Frage befasst und dazu eine Entscheidung trifft“, erklärt Laumann.

    Nordrhein-Westfalen stellt den Antrag gemeinsam mit den Ländern Baden-Württemberg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland, Schleswig-Holstein und Thüringen.

    Der Gesetzentwurf umfasst folgende Punkte:

    • Jeder Mensch ist grundsätzlich Organ- oder Gewebespender oder -spenderin, es sei denn, es liegt ein erklärter Widerspruch vor.
    • Ein Widerspruch kann im bereits bestehenden Organspende-Register, in einem Organspendeausweis, einer Patientenverfügung oder anderweitig schriftlich dokumentiert werden. Der Widerspruch kann auch mündlich gegenüber Angehörigen geäußert werden. Ein Widerspruch gegen eine Organspende muss nicht begründet werden.
    • Wenn eine Möglichkeit zur Organspende besteht, fragen die auskunftsberechtigten Ärzte zunächst beim Organspende-Register an, ob ein Widerspruch vorliegt. Ist das nicht der Fall, holen sie bei den nächsten Angehörigen Informationen darüber ein, ob ein Widerspruch im Organspendeausweis, einer Patientenverfügung oder anderweitig schriftlich dokumentiert ist beziehungsweise mündlich geäußert wurde. Die Angehörigen sind verpflichtet, sich an den Willen der oder des Verstorbenen zu halten und dürfen keine abweichende Entscheidung treffen.
    • Liegt bei Minderjährigen kein geäußerter Wille vor und ist ein solcher auch den nächsten Angehörigen nicht bekannt, steht diesen ein eigenes Entscheidungsrecht unter Beachtung des mutmaßlichen Willens der minderjährigen Person zu. Ein Arzt soll die nächsten Angehörigen über eine in Frage kommende Organ- oder Gewebeentnahme unterrichten.
    • Bei Verstorbenen, die nicht in der Lage waren, die Tragweite einer Organspende zu erkennen und deshalb keinen Willen abgegeben haben, ist eine Organspende unzulässig. Ob dies der Fall ist, soll ein Arzt, der nicht an der Organspende beteiligt ist, durch Befragung der nächsten Angehörigen klären.
    • Die Widerspruchslösung tritt zwei Jahre nach Veröffentlichung des Gesetzes in Kraft. Sechs Monate vor Einführung der Widerspruchslösung sollen alle über 14-Jährigen drei Mal hintereinander über die Bedeutung und die Rechtsfolgen eines erklärten wie eines nicht erklärten Widerspruchs informiert werden. Auch nach Einführung der Widerspruchslösung wird eine kontinuierliche Aufklärung der Bevölkerung sichergestellt, um zu gewährleisten, dass alle Menschen selbstbestimmt über eine mögliche Organ- oder Gewebespende entscheiden können.

    Der Gesetzentwurf finden Sie im Anhang.

    Hintergrund

    Aktuell gilt in Deutschland bei der Organspende die Entscheidungslösung. Organe und Gewebe dürfen nur dann nach dem Tod entnommen werden, wenn die verstorbene Person dem zu Lebzeiten zugestimmt hat. Liegt keine Entscheidung vor, werden die Angehörigen nach einer Entscheidung gefragt.

    Bereits am 5. Juli 2024 hatte der Bundesrat den Gesetzentwurf zur Einführung der Widerspruchslösung bei der Organspende beschlossen. Dieser geht auf eine Initiative von Nordrhein-Westfalen zurück. Aufgrund der Neuwahlen im Bund wurde dieser jedoch nicht mehr abschließend vom Bundestag beraten und galt aufgrund des Grundsatzes der Diskontinuität als erledigt. Das Prinzip der Diskontinuität bedeutet, dass alle Gesetzentwürfe und andere Vorlagen, die vom alten Bundestag noch nicht beschlossen wurden, in den neuen Bundestag neu eingebracht und verhandelt werden müssen.

    Zahlreiche europäische Länder haben die Widerspruchslösung bereits eingeführt. Deutschland importiert Organe aus diesen Ländern mit entsprechend höheren Spenderzahlen über den Verbund der internationalen Vermittlungsstelle „Eurotransplant".