Sehr geehrter Herr Minister,
die Tarif- und Arbeitsbedingungen der angestellten Ärztinnen und Ärzte an den landeseigenen Universitätskliniken sind Gegenstand des vom Marburger Bund und der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) vereinbarten Tarifvertrages (TV-Ärzte). Zum 1. Januar 2025 trat eine wesentliche tarifvertragliche Neuregelung zur Arbeitszeiterfassung in Kraft, die bisher aber von den landeseigenen Universitätskliniken gar nicht oder nur unzureichend umgesetzt wird.
Gemäß § 10 Abs. 2 TV-Ärzte gilt:
„Die Arbeitszeiten der Ärzte sind durch elektronische Verfahren so zu erfassen, dass die gesamte Anwesenheit am Arbeitsplatz dokumentiert ist. Dabei gilt die gesamte Anwesenheit der Ärzte abzüglich der tatsächlich gewährten Pausen als Arbeitszeit.“
Diese Regelung stellt klar, dass die Erfassung der Arbeitszeit ausschließlich elektronisch zu erfolgen hat – also im Sinne einer Positiv-Erfassung von Beginn und Ende der tatsächlichen Anwesenheit. Eine Erfassung lediglich auf Basis geplanter Arbeitszeiten („Negativ-Erfassung“) oder handschriftlicher Aufzeichnungen ist somit tarifwidrig.
Die Realität in den Universitätskliniken weicht jedoch in gravierendem Maße vom Wortlaut der tarifvertraglichen Regelung ab. Eine bundesweite Mitgliederbefragung des Marburger Bundes unter mehr als 3.500 Ärztinnen und Ärzten an landeseigenen Unikliniken (März/April 2025) zeigt:
- Nur 17 Prozent der Ärztinnen und Ärzte arbeiten unter einer tatsächlich tarifkonformen, elektronischen und manipulationsfreien Zeiterfassung.
- Bei rund 62 Prozent findet lediglich eine digitale Dokumentation von Soll-Arbeitszeiten in Dienstplanprogrammen statt,
- 17 Prozent dokumentieren weiterhin manuell (handschriftlich oder per Excel-Liste), und
- bei 4 Prozent erfolgt überhaupt keine Zeiterfassung.
Diese Ergebnisse machen deutlich, dass die tarifvertraglich verankerte Verpflichtung zur manipulationsfreien elektronischen Arbeitszeiterfassung in der Praxis weitgehend ignoriert oder umgangen wird. So müssen drei Viertel der Ärztinnen und Ärzte bereits geleistete Überstunden von Vorgesetzten nachträglich genehmigen lassen – oft mit der unausgesprochenen Erwartung, diese gar nicht erst vorzulegen. Mehr als zwei Drittel der Befragten berichten von verringerter Erholungszeit als Folge der Untererfassung ihrer Arbeitszeiten.
Die mangelhafte Umsetzung der tarifvertraglichen Vorgaben führt also nicht nur zu rechtswidrigen Arbeitsbedingungen, sondern erzeugt auch gesundheitliche Risiken und demotivierende Strukturen.
Wir fordern Sie daher auf, sich mit Nachdruck dafür einzusetzen, dass die Universitätskliniken in Niedersachsen
- die tarifvertraglichen Pflichten umgehend erfüllen,
- funktionierende, manipulationsfreie elektronische Zeiterfassungssysteme einführen,
- die Einhaltung dieser Regelung wirksam kontrollieren, und
- die notwendigen finanziellen und technischen Voraussetzungen schaffen, um eine flächendeckende Umsetzung zu gewährleisten.
Nur so kann die im Tarifvertrag vereinbarte Regelung zur Erfassung der gesamten Arbeitszeit ihre volle Wirkung entfalten.
Gerne stehen wir für ein Gespräch über die Ergebnisse der Umfrage und die notwendigen politischen Schritte zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Hans Martin Wollenberg Andreas Hammerschmidt
1. Vorsitzender 2. Vorsitzender
