• „Wir sind zutiefst erschüttert!“

    Kammerpräsident Rudolf Henke: Für die ukrainische Bevölkerung ist das Leben über Nacht zum Albtraum geworden
    12.März 2022
    Düsseldorf. Der Krieg in Europa hat die Corona-Pandemie in den Hintergrund unserer täglichen Nachrichten und Gedanken gedrängt. „Am 24. Februar kommentierte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock den militärischen Angriff Russlands auf die Ukraine mit den Worten „Wir sind heute in einer anderen Welt aufgewacht.“ Der Bundeskanzler hat drei Tage später im Deutschen Bundestag von einer Zeitenwende gesprochen. Und in der Tat, wer von uns hätte noch damit gerechnet, dass mitten in Europa Kriegshandlungen wie die von Russland gegen die Ukraine Wirklichkeit würden. Zutiefst erschüttert verfolgen wir seitdem die tägliche Nachrichtenlage und unsere Gedanken sind bei den Ukrainerinnen und Ukrainern, die die Leidtragenden dieses Angriffskriegs sind“, erklärte der Präsident der Ärztekammer Nordrhein soeben bei der Eröffnung des 7. Kammerversammlung.

    „Für die ukrainische Bevölkerung ist das Leben über Nacht zum Albtraum geworden, ihr Zuhause zum Katastrophengebiet. In der Tat können wir nur erahnen, wie anders sich ihre Welt derzeit anfühlt. Auch unsere ukrainischen Kolleginnen und Kollegen sind in höchster Gefahr und setzen in den umkämpften Städten ihr Leben aufs Spiel, um ihren Landsleuten zu helfen. Unser aller Respekt gilt ihrem Mut und ihrer ärztlichen Haltung“, unterstrich Rudolf Henke.

    „Umso betroffener machen uns Berichte über Bombenangriffe ganz in der Nähe von Krankenhäusern, die nach Genfer Konvention als besonders schützenswert einzustufen sind. Laut WHO sind bis Mittwoch dieser Woche 18 Berichte über Attacken auf das Gesundheitswesen in der Ukraine bestätigt worden, weitere würden überprüft. Wir alle sind von Meldungen dieser Art, die sich in den letzten Tagen häufen, zutiefst erschüttert und fordern die Kriegsparteien dringend zur Einhaltung der Genfer Konvention auf. Ebenfalls fordert die Kammerversammlung die Kriegsparteien auf, Zivilisten das sichere Verlassen der Kampfgebiete zu einem sicheren Ort eigener Wahl zu ermöglichen. Ein entsprechender Antrag wird heute noch verabschiedet werden.“

    Nach Angaben der UN-Flüchtlingshilfsorganisation UNHCR flüchteten inzwischen über zwei Millionen Menschen in die Nachbarländer der Ukraine, die meisten nach Polen. Es handele sich um die "am schnellsten wachsende Flüchtlingskrise in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg, so die Flüchtlingshilfsorganisation. Deren Versorgung und deren medizinische und psychologische Betreuung gilt es nun zu sichern. Viele Hilfsorganisationen und mit ihnen auch ärztliche Kolleginnen und Kollegen aus Nordrhein-Westfalen haben sich auf den Weg in die Nachbarstaaten gemacht, um in Aufnahmeeinrichtungen und mobilen Krankenhäusern Erstversorgung für die von der Flucht erschöpften und erkrankten Menschen zu ermöglichen. Auch ihnen gelten unser besonderer Dank und unsere Unterstützung.“

    „Die Ärztekammer Nordrhein hat zusammen mit der Aktion Medeor eine Spendenaktion gestartet, dabei geht es um Hilfslieferungen an ein Krankenhaus in Ternopil, einer Stadt im Westen der Ukraine. Eine entsprechende Folie mit dem Link zu unserer Aktion haben wir vorbereitet und blenden diese heute Mittag ein.“

    „Auch in NRW werden in den nächsten Wochen zunehmend Geflüchtete aus der Ukraine erwartet. Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach hat gestern angekündigt, dass Geflüchtete aus der Ukraine einen Anspruch auf alle von der Gesetzlichen Krankenversicherung angebotenen Leistungen erhalten sollen. Wenn es so kommen soll, dann macht es meiner Ansicht nach umso mehr Sinn, dass alle Geflüchteten direkt nach ihrer Registrierung eine elektronische Gesundheitskarte erhalten und nicht gezwungen werden, vor jedem Arztbesuch beim zuständigen Sozialamt einen Behandlungsschein anzufordern.

    Keiner von uns weiß, wie sich die Situation in der Ukraine entwickelt und mit welchen Kriegshandlungen wir noch rechnen müssen. Auch ist nicht absehbar, wie viele Menschen Schutz in der EU und in Deutschland suchen werden. Der Krieg gegen die Ukraine wird daher Europa und jeden Einzelnen von uns noch auf vielfältige Weise auf die Probe stellen. Wir können nur hoffen, dass wir nicht schon nach ein paar Wochen unsere Grenzen wieder verschließen und unsere Empathie verlieren, weil es uns zu viel wird. Wir hoffen auf ein rasches Schweigen der Waffen, aber wir müssen uns darauf gefasst machen, dass wir einen langen humanitären Atem brauchen werden.“