• „Wir entscheiden, wie unsere Weiterbildung aussieht.“

    Interview mit Dr. Dorothea Kerner, Oberärztin zum Thema Weiterbildung
    19.April 2024
    Dr. Dorothea Kerner
    Dr. Dorothea Kerner

    Wie würden Sie die derzeitige Situation der ärztlichen Weiterbildung im Krankenhaus beschreiben und welche dringenden Verbesserungen sehen Sie in diesem Bereich?

    Die derzeitige Situation der ärztlichen Weiterbildung im Krankenhaus ist durch eine Reihe von Herausforderungen gekennzeichnet, die dringend angegangen werden müssen. Zuallererst ist die Arbeitsbelastung hoch, da die Arbeitsintensität tagsüber zunimmt und gleichzeitig weniger Kollegen und Kolleginnen verfügbar sind, um die Arbeit zu bewältigen. Dies führt zu einer Einschränkung der Zeit für die direkte Patientenversorgung und einem Übermaß an Bürokratie im täglichen Arbeitsablauf, was wiederum die Zeit für Weiterbildung reduziert. Oft wird die begrenzte Zeit eher für Standardprozeduren als für komplexe medizinische Fälle genutzt. Dies hat zur Folge, dass viele Weiterzubildende erst gegen Ende ihrer Weiterbildung die notwendigen praktischen Fähigkeiten erlernen, wenn sie bereits kurz vor dem Abschluss als Facharzt oder Fachärztin stehen. Da ein Großteil der medizinischen Praxis nach wie vor auf handwerklichen Fähigkeiten basiert, die erlernt und geübt werden müssen, führt diese Situation häufig zu Frustration und Fluktuation unter den Weiterbildenden. Wenn Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung das Gefühl haben, keine angemessene Weiterbildung zu erhalten, suchen sie oft anderswo nach Möglichkeiten, was besonders in großen Fächern, in denen umfangreiche Kenntnisse erforderlich sind, zu einem Mangel an qualifizierten Weiterbildenden führt.

    Vor welchen Schwierigkeiten stehen die Ärztinnen und Ärzte in der Weiterbildung?

    Für Ärztinnen und Ärzte in der Weiterbildung im Krankenhausumfeld gibt es verschiedene Hürden zu bewältigen. Einige Arbeitgeber gehen vermehrt dazu über, Schichtdienst anstelle von Bereitschaftsdienst anzubieten. Dies führt dazu, dass die Mitarbeitenden zu ungünstigen Zeiten in der Klinik tätig sind, was einerseits zu weniger Zeit für die Familie führt und andererseits dazu führt, dass die Weiterbildenden zu diesen Zeiten oft nicht vor Ort sind. Als Konsequenz findet weniger strukturierte Weiterbildung statt. Zusätzlich gibt es bürokratische Hürden, wie beispielsweise lange Wartezeiten bis zur Facharztprüfung. Dies führt dazu, dass wertvolle Zeit verloren geht, in der die Weiterbildenden bereits als Facharzt oder Fachärztin arbeiten könnten und entsprechend verdienen könnten. Es wäre wünschenswert, wenn die Prüfungstermine zeitnah stattfinden könnten, um diese Verzögerung zu minimieren.

    Welche Rolle spielt die Landesärztekammern in der Gestaltung und Überwachung der ärztlichen Weiterbildung im Krankenhaus?

    Die Landesärztekammern spielen eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung und Überwachung der ärztlichen Weiterbildung im Krankenhaus, obwohl vielen die genaue Funktion dieser Institution nicht bekannt ist. Die Landesärztekammer fungiert als das ärztliche Selbstverwaltungsorgan, das die Inhalte für die Facharztweiterbildung festlegt, die von der Vertreterversammlung beschlossen werden. Da die Weiterbildung in der Medizin in die Zuständigkeit der einzelnen Bundesländer fällt, liegt die Verantwortung für die Ausgestaltung der Weiterbildung bei den Landesärztekammern. Wir Ärztinnen und Ärzte entscheiden also, wie unsere Weiterbildung aussieht. Und das ist besonders für angestellte Ärztinnen und Ärzte von großer Bedeutung. Daher sind eine starke Vertretung und Stimme in diesem Bereich entscheidend. Ein Beispiel für eine erfolgreiche Initiative ist die Umsetzung der Weiterbildung unter Befugnis, ein wichtiger Schritt insbesondere für unsere Kolleginnen und Kollegen mit ausländischer Qualifikation. Diese Maßnahme bedeutet, dass ihre während dieser Zeit gesammelten Erfahrungen anerkannt bekommen und weniger Zeit verlieren.

    Darüber hinaus führt die Landesärztekammer regelmäßige Evaluationen durch, um frühzeitig Probleme während der Weiterbildung zu identifizieren. Sie überprüft aktuell auch die Weiterbildungsberechtigungen, welche im Zuge der neuen Weiterbildungsordnung erneut beantragt werden müssen.

    Und welche konkreten Maßnahmen könnten diese ergreifen, um die Qualität und Effektivität der ärztlichen Weiterbildung im Krankenhaus zu verbessern?

    Weiterbildung kostet Zeit und die muss man sich auch nehmen. Wir haben auch festgestellt, dass viele Kolleginnen und Kollegen verstanden haben, dass gute Weiterbildung sich bewährt. Das zeigt auch die Verleihung des Gütesiegels Gute Weiterbildung. Einige nutzen dies bereits als Werbung für sich um auch angesichts des Fachkräftemangels auf ihre Abteilung aufmerksam zu machen. Es bietet auch eine Orientierung für Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung, die die Strukturen vor Ort oft nicht kennen.

    Wie sehen Sie das Thema ambulante Weiterbildung?

    Die zunehmende Anzahl von Ärztinnen und Ärzten in Weiterbildung, die sich für eine ambulante Weiterbildung entscheiden, stellt ihre Kolleginnen und Kollegen in der Klinik vor Herausforderungen. Die attraktiveren Arbeitszeiten in den Praxen sind ein großer Anreiz für viele, jedoch fehlt es dort oft an tariflichen Bindungen und das Gehalt muss individuell verhandelt werden, was wiederum für eine Weiterbildung im Krankenhaus spricht.

    Sie sind aktuell in der SÄK im Ausschuss „Weiterbildung“. Wofür setzt sich dieser Ausschuss ein und was wurde bisher erreicht?

    Im Weiterbildungsausschuss haben wir bereits einige Fortschritte erzielt. Ein zentraler Schwerpunkt unserer Arbeit liegt derzeit auf der Umsetzung der neuen Weiterbildungsordnung und dort auch auf die neu festgelegten Rotationen in einzelnen Fachbereichen. Wir streben an, dass Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung die für ihre Fachrichtung erforderlichen Rotationen tatsächlich absolvieren können. Dadurch erhalten sie eine klare Planungsperspektive und wissen, was sie in den jeweiligen Fachbereichen erwartet. Des Weiteren haben wir die Umsetzung der neuen Weiterbildungsordnung vorangetrieben. Diese legt verstärkt den Fokus auf die Entwicklung von Handlungskompetenzen und weniger auf rein zeitliche Aspekte. Ein weiterer Erfolg, auf den wir stolz sind, ist die baldige Einführung des elektronischen Logbuchs (eLogbuch). Dieses verpflichtet alle Weiterbildenden zur Durchführung eines jährlichen Weiterbildungsgesprächs, was eine wichtige Maßnahme zur Qualitätssicherung darstellt. Darüber hinaus konnten wir die Einführung der Möglichkeit einer Teilzeitweiterbildung durchsetzen, auch bei einem Beschäftigungsgrad von weniger als 50 Prozent. Dadurch geht keine wertvolle Zeit verloren, und die Weiterbildenden bleiben fachlich am Ball, was ihnen wiederum die Chance bietet, den Facharzt oder die Fachärztin früher zu erreichen. Ein weiterer Erfolg ist die Anrechnung von bis zu sechs Wochen Fehlzeiten pro Kalenderjahr auf die Weiterbildungsdauer, was den individuellen Bedürfnissen der Weiterbildenden entgegenkommt und eine flexiblere Gestaltung der Weiterbildung ermöglicht.

    Bei der letzten Wahl waren Sie auch mit dabei. In der Zwischenzeit haben Sie Ihre Weiterbildung abgeschlossen und arbeiten als Oberärztin. Was hat sich seitdem geändert?

    Die Zusammensetzung der Ärztekammer hat sich verändert - sie ist jünger und weiblicher geworden, was sich auch in der Mitgliederstruktur der Vertreterversammlung widerspiegelt und der Realität entspricht. In den letzten fünf Jahren bin ich von der Seite der Weiterzubildenden auf die andere Seite gewechselt und leitet jetzt selbst auch Kolleginnen und Kollegen an. Diese Erfahrung hat es mir ermöglicht, beide Perspektiven kennenzulernen, was mir einen wertvollen Hintergrund für meine Arbeit im Weiterbildungsausschuss verschafft.

    Warum ist es wichtig zu wählen?

    Besonders für angestellte Ärztinnen und Ärzte ist es von großer Bedeutung, sich aktiv an den Wahlen zu beteiligen und die eigene Stimme zu nutzen. Nur so können wir sicherstellen, dass auch die Interessen der angestellten Ärztinnen und Ärzte in der Vertreterversammlung vertreten werden, insbesondere in Bezug auf Themen wie die ärztliche Weiterbildung. Bei der bevorstehenden Wahl werden auch die Vorsitze aller Ausschüsse neu besetzt, und es wäre äußerst wünschenswert, wenn wir als Krankenhausärzteschaft eine starke Präsenz insbesondere im Weiterbildungs- und Krankenhausausschuss hätten. Dies erfordert jedoch eine breite Unterstützung und eine hohe Wahlbeteiligung. Also nutzt Eure Stimme und geht wählen.