• Rettung vieler Menschenleben muss Priorität haben

    Pressemitteilung
    Marburger Bund fordert Erhalt der sogenannten Ex-post-Triage
    09.November 2022
    In einer Mangelsituation aufgrund übertragbarer Krankheiten mit unzureichenden Behandlungskapazitäten ist die aktuelle und kurzfristige Überlebenswahrscheinlichkeit das entscheidende Kriterium für die Zuteilung medizinischer Ressourcen. Das hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 16. Dezember 2021 (1 BvR 1541/20) klargestellt. Der von der Ampel-Koalition vorgelegte Gesetzentwurf zur Regelung von Zuteilungsentscheidungen enthält jedoch den Ausschluss der sogenannten Ex-post-Triage und führt zu Rechtsunsicherheit für behandelnde Ärztinnen und Ärzte, warnt der Marburger Bund unmittelbar vor der morgen stattfindenden 2. und 3. Lesung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes (BT-Drucksache 20/3877).

    In einer Situation existenzieller Ressourcenknappheit kann es richtig sein, einen Patienten mit nur noch geringen kurzfristigen Überlebenschancen zugunsten eines anderen mit deutlich besseren kurzfristigen Überlebenschancen vom Beatmungsgerät zu trennen. Das Kriterium der aktuellen und kurzfristigen Überlebenswahrscheinlichkeit muss für alle Patienten gelten, die die knappe Behandlungsressource brauchen. Der Ausschluss der sogenannten Ex-post-Triage verhindert die Umsetzung und verlagert das Dilemma von der Intensivstation auf die Präklinik und die Notaufnahme.

    Wird eine Zuteilungsentscheidung erforderlich, handelt es sich um eine tragische Ausnahmesituation, für die ein Vorgehen konsentiert werden muss, das die meisten Menschenleben retten hilft und gleichzeitig die moralischen Verletzungen aller Beteiligten minimiert. Der Marburger Bund fordert, in einer solchen Ausnahmesituation das Kriterium der aktuellen und kurzfristigen Überlebenswahrscheinlichkeit auf alle Patienten anzuwenden, die eine intensivmedizinische Behandlung brauchen und somit die „Ex-post-Triage“ zuzulassen. „Nicht nur Handeln, sondern auch Unterlassen kann die Menschenwürde und das Recht auf Leben verletzen“, mahnte der Marburger Bund auf seiner 140. Hauptversammlung am vergangenen Wochenende.

    Der Marburger Bund begrüßt zwar, dass in einem vorliegenden Änderungsantrag in der Begründung zwischen Zuteilungsentscheidung und der weiterhin sinnvollen Indikationsstellung bzw. Therapiezieländerung unterschieden wird. Dies kann aber nur im Gesetzestext selbst zu Rechtssicherheit für Ärztinnen und Ärzte führen.