Es sei kaum absehbar, was geschehe, wenn sich eine Tarifvertragspartei konkret auf die Tarifeinheit berufe. So werde die Mehrheitsgewerkschaft verpflichtet, ihre tarifpolitischen Entscheidungen und ihre gewerkschaftsinternen Prozesse an die Repräsentationsbedürfnisse der potenziellen Minderheit anzupassen. „Es ist vollkommen unklar, was das in der Praxis bedeutet und wie das umgesetzt werden könnte“, so Schorkopf. Zudem habe das Bundesverfassungsgericht der Bundespolitik aufgegeben, bis zum 31. Dezember 2018 einen wichtigen Teil des Tarifeinheitsgesetzes neu zu fassen, wodurch die Lage nicht übersichtlicher werde.
Der Marburger Bund habe mit seinen Argumenten aber das Gericht zu wichtigen Aussagen über den Schutz individueller Freiheit und Eigensinn veranlassen können. Das Urteil bekräftige das Recht jedes Arbeitnehmers, seine Interessen von der Gewerkschaft seiner Wahl vertreten zu lassen. „Alle Gewerkschaften, also auch Berufsgewerkschaften, haben das Recht, ihre Standpunkte notfalls auch im Arbeitskampf durchzusetzen. Der Gesetzgeber darf solchen Koalitionen, die möglicherweise arbeits- und gesellschaftspolitisch unliebsam sind, deshalb nicht die Existenzgrundlagen entziehen“, hebt Schorkopf hervor.
Das Besondere sei aber auch, dass die Mehrheit im Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts das Tarifeinheitsgesetz unbedingt fortgelten lassen wollte. „Aus diesem Grund war der Senat bereit, schwere Eingriffe in das Grundrecht der Koalitionsfreiheit hinzunehmen und das Gesetz so umzudeuten, dass es gerade noch diesseits der Linie zur Verfassungswidrigkeit steht“, kritisiert der Verfahrensbevollmächtigte des MB, der hauptberuflich an der Universität Göttingen tätig ist und dort den Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Europarecht innehat.
Den vollständigen Wortlaut des Interviews lesen Sie in der Online-Ausgabe der neuen MBZ.