• Wer hat Angst vorm Haifischbecken?

    Gesundheitspolitik und ärztliche Selbstverwaltung – Kennst du dich da aus? – Nein? – Gefährlich!

    Von Stefanie Gehrlein

    Das Gesundheitswesen ist dem Klischee nach mit seinen vielen Akteuren und Lobbyisten ein „Haifischbecken“. Doch wer tummelt sich da eigentlich alles? Wir stellen dir einige der kleineren und größeren „Haifische“ in der Gesundheitspolitik am besten einmal kurz vor.

    Die grundsätzlichen Spielregeln im Becken bestimmt das Bundesministerium für Gesundheit (BMG). Es erarbeitet die Gesetzentwürfe der Bundesregierung und führt die Rechtsaufsicht über die Verbände und Gremien der gemeinsamen Selbstverwaltung.

    Der Bundestag ist als Parlament für Bundesgesetzgebung und Kon­trolle der Regierungsarbeit zuständig. Demgegenüber ist der Bundesrat die Vertretung der 16 Bundesländer und hat bei Bundesgesetzen ein Mitentscheidungsrecht, wenn Länderinteressen betroffen sind.

    Ein besonderes Merkmal des deutschen Gesundheitswesens ist die Delegation bestimmter staatlicher Aufgaben im Bereich der Gesetzlichen Krankenversicherung auf die sogenannte gemeinsame Selbstverwaltung. Die Träger der Selbstverwaltung sind finanziell und organisatorisch selbstständig. Die Vertreter der Versicherten und Arbeitgeber in den Selbstverwaltungsorganen können so ihre Belange autonom und sachorientiert selbst regeln. Auf Bundesebene sind dies der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV-Spitzenverband), die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG).

    Der GKV-Spitzenverband ist die zentrale Interessenvertretung der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen und gestaltet durch seine Verträge und Entscheidungen insbesondere die Rahmenbedingungen der gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung.

    Die 17 Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) sind für die Sicherstellung der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung zuständig, daneben aber auch Abrechnungs- und Honorarverteilungsstelle für die teilnehmenden Leistungserbringer. Ihr Dachverband ist die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV). Diese sieht ihre Aufgabe vor allem in der politischen Interessenvertretung. Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen schließen Kollektivverträge über die ambulante Leistungs­erbringung und deren Vergütung und bilden für verschiedene gesetzliche Aufgaben auch gemeinsame Institutionen.

    Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) ist der Zusammenschluss von Spitzen- und Landesverbänden der Krankenhausträger, für deren Interessen sie sich einsetzt.

    Besonders wichtig ist der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) als oberstes Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser und Krankenkassen. Er wird von den vier großen Spitzenorganisationen gebildet: KBV und KZBV, DKG und GKV-Spitzenverband. Hauptaufgabe des G-BA ist es, den Leistungskatalog für alle gesetzlich Versicherten in Richtlinien näher zu bestimmen, weswegen man ihn auch den „kleinen Gesetzgeber“ nennt.

    Ein weiteres Spezifikum des deutschen Gesundheitswesens ist das Nebeneinander von Gesetzlicher und Privater Krankenversicherung. Letztere steht Selbstständigen und Arbeitnehmern mit einem Einkommen oberhalb der Versicherungspflichtgrenze offen. Im Verband der ­Privaten Krankenversicherung (PKV-Verband) haben sich 42 private Krankenversicherungsunternehmen zusammengeschlossen, die zusammen rund 8,8 Millionen Versicherte vertreten.

    Spitzenorganisation der ärztlichen Selbstverwaltung und berufspolitische Interessenvertretung der über 480.000 Ärztinnen und Ärzte in Deutschland ist die Bundesärztekammer (BÄK). Sie wird bei bestimmten untergesetzlichen Normentscheidungen des G-BA angehört. Als Arbeitsgemeinschaft der 17 Landesärztekammern ist es eine ihrer Hauptaufgaben, für eine möglichst einheitliche Regelung der ärztlichen Berufspflichten zu sorgen (Muster-Berufsordnung, Muster-Weiterbildungsordnung usw.).

    Die Aufgaben der Landesärztekammern als Körperschaften des öffentlichen Rechts sind durch die Heilberufe- und Kammergesetze der Bundesländer geregelt, z. B. Aufsicht über die ärztlichen Pflichtmitglieder, Förderung von Ausbildung und Fortbildung sowie Ordnung der Berufspflichten und der Weiterbildung.

    Wer etwas bewegen will, sollte sich im Marburger Bund und in den Kammern engagieren. Als Verband der angestellten Ärztinnen und Ärzte ist er auf allen Ebenen der ärztlichen Selbstverwaltung aktiv und eine starke Stimme in der Gesundheitspolitik.

    Über alle Akteure im Gesundheitswesen informieren wir ausführlich in einer Serie zum „Haifischbecken“, die in jeder Uni-Spezial fortgesetzt wird.Tauch ein in die Welt der Gesundheitspolitik – unsere Haie beißen nicht!

    Institution für Institution im Detail

    Im ersten Teil dieser Serie haben wir die Aufgaben des Bundesgesundheitsministeriums erklärt, in dem die meisten sogenannten Referenten­entwürfe für Gesetze im Gesundheitswesen entstehen. Aber auch der Bundesrat, eine Bundestagsfraktion oder mindestens 5Prozent der Abgeordneten können Gesetze initiieren, die dann im Bundestag verhandelt und beschlossen werden.

    • Krankenkassen und GKV-Spitzenverband

    Die Krankenkassen als Träger der Gesetzlichen Krankenversicherung erfüllen ihre Aufgaben als öffentlich-rechtliche Körperschaften in eigener Verantwortung. Die rechtlichen Grundlagen für fast alle Belange der Gesetzlichen Krankenversicherung findet man im Fünften Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB V).

    Die Selbstverwaltung wird durch die Versicherten und die Arbeitgeber grundsätzlich paritätisch ausgeübt. Sie wählen alle sechs Jahre in den sog. Sozialwahlen aus den von Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften und Versichertenvereinigungen aufgestellten Vorschlagslisten ihre jeweiligen ehrenamtlichen Vertreter in das Selbstverwaltungsorgan jeder Krankenkasse – den Verwaltungsrat. Bei der Wahl 2017 können theoretisch 51 Millionen Versicherte ihre Stimme abgeben. Tatsächlich bitten aber nur zehn Renten- und Krankenversicherungsträger Versicherte und Rentner sowie Mitglieder zur Sozialwahl. Alle anderen machen eine sogenannte Friedenswahl ohne echten Wahlgang mit einer vorher ausgehandelten Kandidatenliste, die dann „gewählt“ wird. Das wird vielfach kritisch gesehen.

    Der Verwaltungsrat erlässt die Satzung der Krankenkasse, in der z.B. freiwillige Satzungsleistungen, Wahltarife und Zusatzbeiträge geregelt werden, und wählt den hauptamtlichen Vorstand, der die laufenden Geschäfte der Krankenkasse führt. Die Krankenkassen unterliegen der staatlichen Aufsicht, die sich jedoch angesichts des Selbstverwaltungsrechts auf die Einhaltung der zwingenden rechtlichen Vorgaben beschränkt.

    Der GKV-Spitzenverband in Berlin ist die zentrale Interessenvertretung der Kranken- und Pflegekassen und gestaltet die Rahmenbedingungen. Die von ihm abgeschlossenen Verträge und seine sonstigen Entscheidungen gelten für alle gesetzlich Versicherten. Er unterstützt die Krankenkassen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben, gibt Stellungnahmen in Gesetzgebungsverfahren ab und ist stimmberechtigtes Mitglied im Gemeinsamen Bundesausschuss. Darüber hinaus ist er Träger des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS).

    • Bundestag

    Neben der Kontrolle der Regierungsarbeit ist die wichtigste Aufgabe des Bundestages die Gesetzgebung. Sie folgt einem streng formalisierten Verfahren, dessen Kernstücke drei Lesungen im Ple­num des Parlaments sowie die Detailarbeit am Gesetz in den ständigen Ausschüssen sind. Wichtig zu wissen ist, dass jedes Mitglied des Parlaments noch Änderungsanträge stellen kann, die dann im Plenum direkt behandelt werden. So nimmt ein Gesetzesvorhaben manchmal überraschende Wendungen.

    Berufsverbände können an verschiedenen Stellen des Verfahrens entweder als Interessenvertretung und/oder Experte zu dem Gesetzesvorhaben Stellung nehmen und gehört werden. Der Marburger Bund positioniert sich daher zu fast allen Gesetzentwürfen, von denen seine Mitglieder betroffen sind – nicht nur im Gesundheitsbereich!

    Am Ende der dritten Lesung erfolgt die Schlussabstimmung. Erhält der Gesetzentwurf dabei die notwendige Mehrheit im Bundestag, geht er in den Bundesrat.

    • Bundesrat

    Der Bundesrat ist ein weiteres der fünf Verfassungsorgane. Durch ihn wirken die Länder an der Verwaltung und Gesetzgebung des Bundes mit. Er kann ein vom Bundestag beschlossenes Gesetz zwar nicht ändern, aber den Vermittlungsausschuss anrufen, der hälftig mit Mitgliedern des Bundestages und Bundesrates besetzt ist und einen Konsens finden soll. Einigt man sich nicht, muss das Gesetz erneut im Bundestag beschlossen werden.

    Bei manchen Gesetzen, von denen die Länder in ihrer Verwaltungs- oder Finanzierungszuständigkeit unmittelbar betroffen sind, muss der Bundesrat zustimmen. Ein solches zustimmungspflichtiges Gesetz ist etwa das Hochschulrahmengesetz des Bundes, das in seinen §§31 ff. das Zulassungs- und Auswahlverfahren beispielsweise für das Medizinstudium regelt. Über dieses Studienplatzvergabeverfahren wird das Bundesverfassungsgericht am 4. Oktober 2017 mündlich verhandeln.

    Alle im Bundestag beschlossenen Gesetze müssen von der Bundeskanzlerin sowie der/dem zuständigen Fachminister/-in gegengezeichnet werden.

    Bevor der Bundespräsident als Letzter in der Reihe das Gesetz unterschreibt und im Bundesgesetzblatt veröffentlicht, prüft er, ob es verfassungsgemäß zustande gekommen ist und nicht inhaltlich offenkundig gegen das Grundgesetz verstößt. Dann ist das Gesetz verkündet. Ist kein besonderes Datum des Inkrafttretens im Gesetz genannt, gilt es automatisch ab dem 14. Tag nach der Ausgabe des Bundesgesetz­blattes.

    • Selbstverwaltung

    Die Selbstverwaltung ist das tragende Organisationsprinzip in der Gesetzlichen Krankenversicherung und bedeutet, dass sich die Träger des Gesundheitswesens sowie die Versicherten und die Arbeitgeber selbst organisieren, um das Gesundheitssystem zu steuern und – auch durch eine eigene „Gesetzgebung“ – mitzugestalten. Der Staat soll nach diesem Prinzip nur dann eingreifen, wenn die sogenannten Selbstverwaltungskörperschaften nicht in der Lage sind, originär staatliche Aufgaben eigenverantwortlich zu erledigen. Man erhofft sich von der Selbstverwaltung eine größere fachliche Nähe zu den Themen und eine demokratische Beteiligung der Betroffenen an der Regelung ihrer Angelegenheiten.

    Bei den Trägern beziehungsweise Leistungserbringern des Gesundheitswesens wie den Krankenkassen, den Ärzten oder den Krankenhäusern spricht man von der gemeinsamen Selbstverwaltung. Oberstes Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung ist der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA). In dem Gremium wird die medizinische Versorgung zum Beispiel über Verträge, Richtlinien und einheitliche Vorgaben organisiert.