• Rechtzeitig palliativ denken (Teil 2)

    Essenzielle Fakten, Neuigkeiten, kleine Interviews, Humorvolles. Standards zur Palliativversorgung.

    In Teil 2 der Serie Palliativmedizin interviewt Dr. Thomas Sitte die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin, Prof. Claudia Bausewein.

    Palliativversorgung nicht erst in den letzten Tagen

    DAS AKTUELLE INTERVIEW

    Bild vor Interviewfrage: weißes Fragezeichen auf blauem HintergrundProf. Claudia Bausewein, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für PalliativmedizinUm gleich mit der Tür ins Haus zu fallen: Warum sollte jeder Medizinstudent, jeder Arzt sich mit Palliativversorgung beschäftigen?

    Prof.Claudia Bausewein: Sterben und Tod gehören zum Leben, und so gehört es zur Aufgabe von Ärztinnen und Ärzten, schwer kranke und sterbende Menschen zu betreuen. Das ist primär keine Aufgabe von Spezialisten, sondern die Aufgabe von allen im Gesundheitswesen Tätigen, und damit von Hausärzten, Onkologen, Pneumologen, Neurologen und anderen, sowohl im ambulanten wie im stationären Bereich. Damit braucht jede und jeder Grundkenntnisse der Kommunikation mit den Betroffenen, der Schmerz- und Symptomkontrolle, des Umgangs mit möglichen psychischen Belastungen, sozialen Problemen und spirituell-existentiellen Fragen.

    1
    » Interview mit Prof. Claudia Bausewein weiterlesen

     

    Bild vor Interviewfrage: weißes Fragezeichen auf blauem HintergrundWas wäre da das wichtigste Grundwissen?

    Bausewein: Ich denke, zuerst sollte es eine Grundhaltung sein, dass schwer kranke und sterbende Patientinnen und Patienten unsere vollkommene Aufmerksamkeit brauchen und wir sie als Menschen in einer besonderen Lebenssituation sehen, die unsere Begleitung und Unterstützung brauchen. Zudem, dass viele Situationen leichter durch ein multiprofessionelles Team zu bewältigen sind, da viele Patienten mit sehr komplexen Problemen am Lebensende konfrontiert sind.

    Bild vor Interviewfrage: weißes Fragezeichen auf blauem HintergrundBeschreiben Sie bitte mit wenigen Sätzen Ihre Arbeit ...

    Bausewein: Meine eigene Arbeit als Klinikleitung und Lehrstuhlinhaberin ist sehr vielfältig und reicht vom Kontakt und der Unterstützung bei der Betreuung von Patienten über Forschung mit dem Ziel, die Palliativversorgung weiter zu verbessern, zu Unterricht bei Medizinstudierenden und Professionellen in unserer Fortbildungsakademie. Aber dazu gehören natürlich auch Management- und Personalfragen, Gremienaufgaben im Klinikum und in der Fakultät sowie Kontakt zu anderen Fachrichtungen, Presse und Politik.

    Bild vor Interviewfrage: weißes Fragezeichen auf blauem HintergrundWen und wie sollten wir hospizlich-palliativ aufklären?

    Bausewein: Aus meiner Sicht sollten alle Bürgerinnen und Bürger ein grundsätzliches Verständnis über Hospiz- und Palliativversorgung haben, damit sie wissen, welche Unterstützungsmöglichkeiten es gibt, wenn sie, Angehörige oder Freunde in die Situation einer schweren Erkrankung mit begrenzter Lebenserwartung kommen. Dasselbe gilt dann für Patienten, wenn sich abzeichnet, dass die Erkrankung voranschreitet und Sterben und Tod näherkommen. Dabei ist es mir sehr wichtig, dass nicht zu lange mit der Kontaktaufnahme und entsprechender Unterstützung gewartet wird.

    Auch heute werden Hospiz- und Palliativversorgung noch sehr stark ausschließlich mit den letzten Lebenswochen oder -tagen verbunden. Wir wissen aber aus klinischer Erfahrung und aus wissenschaftlichen Untersuchungen, dass eine möglichst frühzeitige Einbindung von Palliativversorgung, und da denke ich nicht nur an spezialisierte Versorgung, zu einer deutlichen Verbesserung der Lebensqualität und Linderung der körperlichen und psychischen Symptome und anderen Belastungen führen kann.

    Bild vor Interviewfrage: weißes Fragezeichen auf blauem HintergrundSie sind Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin. Was wollen Sie damit bewirken?

    Bausewein: Für uns als Fachgesellschaft gibt es viele Themen und Herausforderungen: Stärkung der allgemeinen Palliativversorgung, Palliativversorgung im Rahmen der Krankenhaus-Strukturreform, Rolle der dritten Berufsgruppe in der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV), Weiterentwicklung der Weiterbildung für Ärzte, Diskussion um Suizidassistenz, Rolle der Palliativversorgung in der Notfall- und Intensivmedizin – um nur einige zu nennen. In allem geht es dem Vorstand und mir darum, für die Aufrechterhaltung einer hochqualitativen Palliativversorgung einzutreten, aber auch das Feld weiterzuentwickeln und innerhalb der Fachgesellschaft einen regen Austausch zu pflegen, der die Vielfalt der Positionen und Meinungen widerspiegelt.

    Bild vor Interviewfrage: weißes Fragezeichen auf blauem HintergrundUnd zum Schluss: Ende September findet der Palliativkongress in Aachen statt. Wer sollte da noch kurz­entschlossen hinfahren?

    Bausewein: Alle, die Interesse haben, sich über die Vielfalt der aktuellen und zum Teil auch kontroversen Themen in der Palliativversorgung zu informieren, die Lust auf Austausch, Vernetzung und interessante Menschen haben und die mit uns unser 30-jähriges Jubiläum mit einem großen Fest feiern wollen!

    Vielen Dank für das Interview!

    Die Ausgestaltung ist am Ende entscheidend!

    VERTRETERVERFÜGUNG

    In der August-Ausgabe der MBZ wurde im Rahmen der Serie Palliativmedizin einiges zur Patientenverfügung erklärt.

    Ohne Einwilligung des Patienten ist eine Behandlung in der Regel eine strafbare Körperverletzung. Aber mehr als die Hälfte der nicht mehr einwilligungsfähigen Patienten hat keine Patientenverfügung, die für die Behandlungssituation wirklich hilfreich ist.

    Gibt es einen Bevollmächtigten oder wurde ein gesetzlicher Betreuer vom Gericht bestellt oder besteht die Option auf eine Ehegattennotvertretung, dann entscheiden diese über Behandlung oder Nicht-Behandlung. Aber es fehlt eine Verfügung über den Patientenwillen in Schriftform, damit diese im Krankenhaus oder Pflegeheim zur angemessenen Behandlung auch im Notfall immer greifbar ist.

    1
    » Mehr zur VERTRETERVERFÜGUNG


    Damit Patienten auch ohne vorhandene Patientenverfügung die notwendige Sicherheit bekommen, dass sie nach ihrem Willen behandelt werden, hat die Deutsche PalliativStiftung das rechtlich verbindliche Instrument der Vertreterverfügung entwickelt. Ähnliches gibt es seit vielen Jahren im Bereich der Kinderintensivmedizin.

    In der Vertreterverfügung dokumentiert der gesetzliche Vertreter analog der Patientenverfügung, was der Patient gewollt hätte. Dadurch stehen wesentliche Hilfen zur Verfügung, dass der Patient wirklich nach seinem Willen behandelt wird.

    Auf der Website VorsorgenMappe.de (Achtung: mit dem „n“ in der Mitte) finden sich viele Erklärungen und die Nutzer werden professionell durchs Menü geführt, sodass in der Regel (fast) alles ohne weitere Hilfe online ausfüllt und sauber ausdruckt werden kann. 

    Einfach ausprobieren!

    Deutsche Palliativstiftung: Die VORSORGEN! Mappe