
In der Sendung diskutieren der 2. Vorsitzende des Marburger Bundes, Dr. Andreas Botzlar, der Bundestagsabgeordnete Jan Dieren, stellvertretender Sprecher der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales der SPD-Fraktion, und Univ.-Prof. Dr. Volker Harth, Direktor des Zentralinstituts für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE), ob durch die Abschaffung der täglichen Obergrenze die Ausnahme zur Regel werden könnte und welche gesundheitlichen und sonstigen Folgen für die Beschäftigten daraus entstehen könnten.
„Ich glaube, dass die gegenwärtigen Regelungen im Arbeitszeitgesetz schon ein sehr guter Kompromiss sind im Ausgleich zwischen Arbeitnehmerwünschen, Gesundheitsschutz und unternehmerischen Notwendigkeiten“, sagte Dr. Andreas Botzlar, 2. Vorsitzender des Marburger Bundes.
„Es gibt keine Situation, die nicht bereits im Arbeitszeitgesetz durch Flexibilisierungen hinreichend bedient wird. Bestes Beispiel sind die Krankenhäuser, die, insbesondere wenn sie groß sind, rund um die Uhr, sieben Tage die Woche, betrieben werden. Auch das geht mit den bisherigen Ausnahmetatbeständen im Arbeitszeitgesetz“, betonte Botzlar. „Wir sind der Auffassung: Die darin enthaltene Kernvorschrift sollte man nicht antasten. Wenn es unbedingt Sondersituationen braucht, dann könnte man über die Ausweitung der Ausnahmetatbestände dieses Ziel mit wesentlich geringerem Flurschaden erreichen, als dadurch, dass man die Tageshöchstarbeitszeit, die gedeckelt ist, ersatzlos streicht.“
In der stationären Versorgung befürchtet Botzlar eine deutliche Ausweitung der Vollarbeit: „Wir haben die sehr starke Sorge, dass nicht nur Ärztinnen und Ärzte, sondern auch das Pflegepersonal, 14 Stunden Vollarbeit am Stück wird leisten müssen. Das schadet der Gesundheit der Mitarbeiter, und es nützt keinesfalls der Gesundheit der Patientinnen und Patienten.“
Die medizinischen Grenzen der Gesundheit durch überlange Arbeit betonte in der Sendung der Arbeitsmediziner Prof. Dr. Volker Harth: „Die großen Studien haben gezeigt, dass jenseits der zwölf Stunden eine Zeit beginnt, in der häufig Unfälle passieren. Es kommt dann nicht nur dazu, dass jemand bei der Arbeit verunglückt, es passieren auch vermehrt Fehler, die Betroffenen können sich weniger gut konzentrieren. Mit Blick auf die ärztliche Versorgung ist dann auch die Patientensicherheit nicht mehr im notwendigen Umfang gewährleistet.“
Harth wies auch auf die möglichen chronischen Folgen für die Gesundheit von Beschäftigten hin, die eine langfristige Ausweitung der Arbeitszeit und die Flexibilisierung der Arbeit im Sinne der Unternehmen haben können: „Ärztinnen und Ärzte berichten über das Burnout-Syndrom im Zusammenhang mit überlangen Schichten. Es kann bis hin zu Depressionen unter Ärztinnen und Ärzten kommen, zu Bluthochdruck, Schlaganfällen, Herzinfarkten. All das ist mit der Ausweitung von Arbeit beschrieben, wenn sie über einen längeren Zeitraum erfolgt.“
Der SPD-Experte Jan Dieren wies in der Diskussion auf die Voraussetzungen einer möglichen Gesetzesänderung hin: „Unser Anliegen ist es, bei der Umsetzung des Koalitionsvertrages darauf zu achten, dass es im Interesse der Beschäftigten zu mehr Selbstbestimmung über die Arbeitszeiten kommt. Dazu gehört dann auch unbedingt eine regelhafte Arbeitszeiterfassung, sodass beispielsweise Ruhezeiten auf jeden Fall eingehalten werden.“
Dieren sagte weiter: "Wir müssen in diesem Zusammenhang auch über die Rufbereitschaft sprechen, und wie wir entsprechende Regelungen im Gesetz EU-rechtskonform überarbeiten. Wir müssen über Tarifverträge sprechen, deren Schutzniveau erhalten bleiben muss. Und wir müssen vor allem dafür sorgen, dass die Veränderungen im Arbeitszeitgesetz nicht zu weiteren gesundheitlichen Lasten der Beschäftigten führen und zu Lasten der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und dem Ehrenamt gehen. Das ist mir, das ist uns besonders wichtig."
