Arbeitsbelastung nicht kleinreden!
In den Interviews wird die hohe Arbeitsbelastung der Ärztinnen und Ärzte am Städtischen Klinikum Dresden mit dem pauschalen Hinweis auf eine im Vergleich mit „früher“ gesunkene Arbeitszeit verharmlost. Für die Belastung der heute im Städtischen Klinikum Dresden tätigen Ärztinnen und Ärzte ist es unerheblich, wie hoch das Arbeitspensum in der Vergangenheit war. Der Vergleich blendet zudem die zunehmende Arbeitsverdichtung völlig aus.
Die hohe Arbeitsbelastung ist ein generelles Problem im ärztlichen Dienst und ein Risiko für die Gesundheitsversorgung: In ganz Sachsen sind 60 Prozent aller Ärztinnen und Ärzte laut einer Umfrage des Marburger Bundes im vergangenen Jahr (https://www.marburger-bund.de/sachsen/mb-monitor25) häufig oder ständig überlastet. Eine aktuelle Studie des Universitätsklinikums Leipzig im Auftrag der Sächsischen Landesärztekammer zeigt, dass Burnout einen signifikanten Risikofaktor für den vorzeitigen Ruhestand von Ärzten darstellt.
Die Krankenhäuser und damit auch das Städtische Klinikum Dresden müssen sich mit diesen Tatsachen auseinandersetzen, anstatt sie herunterzuspielen!
Die Leistung muss der Arbeitszeit angepasst werden, nicht umgekehrt!
In den Interviews war zu lesen, dass über die Hälfte der Ärztinnen und Ärzte im SKDD mehr als 50 Überstunden vorweisen. Die Klinikleitung wertet diese Zahlen als unproblematisch – wir sehen das anders. Besonders kritisch wird es, wenn in Kauf genommen wird, dass sich das Überstundenkonto bei bestimmten Kolleginnen und Kollegen überdurchschnittlich füllt. Im Fall des Städtischen Klinikums betrifft das laut Aussagen der Klinikleitung spezialisierte Fachkräfte. Ihre Expertise wird bewusst überbeansprucht. Überstunden sollten grundsätzlich zeitnah in Freizeit ausgeglichen werden, wenn sich ihre Anordnung nicht von vornherein vermeiden lässt. Gesundheitsschutz gilt für alle – unabhängig von Spezialisierung, Fachgebiet oder Karrierestufe.
Tarifvertrag konsequent umsetzen!
Mit Verwunderung haben wir die Aussage zur Kenntnis genommen, wonach der Marburger Bund für das Städtische Klinikum Dresden eine „kontinuierliche Kette von Verbesserungen“ aushandele, die konsequent umgesetzt würden. Für MB-Mitglieder im Städtischen Klinikum gilt der TV-Ärzte/VKA, der Mindestanforderungen für die Arbeitsbedingungen der Ärztinnen und Ärzte definiert. Darüber hinaus bestehen keine individuellen Vereinbarungen mit dem Klinikum. Es braucht auch keine weiteren Vereinbarungen für die Gültigkeit des Tarifvertrags. Von einer konsequenten Umsetzung des Tarifvertrags kann aus unserer Sicht keine Rede sein: Unsere Mitglieder dokumentieren regelmäßig Verstöße – etwa gegen den Facharztstandard oder bei der Erstellung rechtskonformer Dienstpläne. Diese Verstöße machen den wiederholten Austauschen Gespräche zwischen Klinikleitung, Ärztinnen und Ärzte und dem MB erst notwendig. Tarifverträge sind bindend – auch unter wirtschaftlich schwierigen Bedingungen.
Fachübergreifende Dienste sind ein Risiko – für Arzt und Patient!
Kritisch sehen wir auch die Aussagen zur Organisation fachübergreifender Dienste in der Gynäkologie. Die Rechtfertigung, dass bislang keine Patientin zu Schaden gekommen sei, greift zu kurz. Im Sinne des Schutzes der Patienten und der behandelnden Ärzte ist es nicht maßgeblich, dass es bisher trotz Rechtsverletzung nicht zu Schäden gekommen ist, sondern, dass zukünftig Schäden verhindert werden. Das Gesetz (§ 630a Abs. 2 BGB) besagt, dass ein Patient stehts eine Behandlung erwarten darf, die nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards erfolgt – also den sogenannten Facharztstandard. Diese kann ein fachfremder Arzt nur in Ausnahmefällen und nicht regelhaft erfüllen.
Fachübergreifende Dienste sind nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässig. Auch dann muss der Facharztstandard lückenlos sichergestellt sein. Ob die internen Schulungen im Städtischen Klinikum Dresden ausreichen, um
Chirurgen oder Internisten auf gynäkologische Notfälle vorzubereiten, ist aus unserer Sicht fraglich. Es entsteht zudem ein falsches Signal, wenn in Interviews suggeriert wird, das Haftungsrisiko sei vollständig durch den Arbeitgeber abgesichert. Ärztinnen und Ärzte haften grundsätzlich, wenn sie eine Behandlung übernehmen, die sie nicht nach Facharztstandard leisten können (Stichwort Übernahmeverschulden) und bei der der Patient zu Schaden kommt. Unter bestimmten Voraussetzungen können Ärzte einen solchen Dienst auch ablehnen.
Der Marburger Bund lehnt fachübergreifende Dienste grundsätzlich ab. Sie gefährden die Patientensicherheit und bergen erhebliche haftungsrechtliche Risiken für die behandelnden Ärztinnen und Ärzte. Weder wirtschaftliche Erwägungen noch Personalmangel rechtfertigen diese Praxis. Wir fordern das Städtische Klinikum Dresden nachdrücklich auf, die Anordnung solcher Dienste zu unterlassen.
Irritiert hat uns auch die Aussage, es gebe keine Hinweise auf eine grundlegende Unzufriedenheit. Die Geltung von Arbeits- und Tarifrecht ist nicht von der allgemeinen Stimmungslage abhängig. Recht gilt immer – für alle Beschäftigten, zu jeder Zeit.
Hier finden Sie die Interviews, auf die sich die Stellungnahme bezieht:
- Dresdner Neueste Nachrichten, 29. Oktober 2025: Nach offenem Brief - Ärzte kritisieren Klinikum Dresden: Direktor Schellong antwortet im Interview
- Sächsische Zeitung, 29. Oktober 2025: Ärzte-Protest - Nach Vorwürfen gegen Klinikum Dresden: „Wir haben eine sehr hohe Patientensicherheit“
