• Warnstreiks bringen Bewegung Eckpunkte einer Tarifeinigung vereinbart

    Am 16. Juni hatte die Große Tarifkommission den Weg für Warnstreiks in den laufenden Tarifverhandlungen zum TV-Ärzte Entgelt Helios frei gemacht. Bereits am folgenden Tag haben sich zahlreiche Kolleginnen und Kollegen an einem ganztägigen Warnstreik in Schwerin beteiligt. Ihrem Beispiel folgten am 22. Juni Ärztinnen und Ärzte an der Helios Endo Klinik in Hamburg und bereits einen Tag später die Ärzteschaft des Helios Emil von Behring Klinikums in Berlin. Mit diesen Aktionen haben Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen ein deutlich wahrnehmbares Zeichen an den Konzern gesandt, dass die Ärzteschaft nicht bereit ist, tarifliche Arbeitsbedingungen zu akzeptieren, die sich von denen bei anderen privaten Klinikbetreibern qualitativ unterscheiden. Es macht den Eindruck, als hätte Helios dieses Signal verstanden.

    Seit Anfang der letzten Woche fanden verschiedene Gespräche zwischen den Verhandlungsführern von MB und Helios statt, in denen die Chancen für eine Einigung erörtert wurden und in denen letztlich Eckpunkte einer Tarifeinigung für die diesjährige Verhandlungsrunde vereinbart wurden. Neben linearen Erhöhungen und einer erfreulich kurzen Laufzeit, hat sich Helios insbesondere bei unseren Kernforderungen bewegt. Im Einzelnen:

    1. Kurzfristige Inanspruchnahme

    Werden Ärztinnen und Ärzte zukünftig mit weniger als 72 Stunden Ankündigungsfrist zu einem nicht geplanten Dienst herangezogen, werden finanzielle Kompensationen hierfür in Abhängigkeit von der Dienstart fällig. Im Falle eines Bereitschaftsdienstes erhöht sich dessen Bewertung um 10%-Punkte. Ein Dienst der Stufe III wird also statt mit 90 mit 100 % Arbeitszeit zum Zwecke der Entgeltberechnung bewertet. Wird stattdessen eine Rufbereitschaft angeordnet, erhöht sich das Stundenentgelt hierfür um 10 %, in allen anderen Fällen (einschließlich Schicht- und Wechselschichtarbeit) wird ein Zuschlag in Höhe von 10 % fällig. Diese Folgen treten unabhängig von und zusätzlich zu Zuschlägen oder Höherbewertungen aus anderen Gründen (siehe unten) ein.

    2. Begrenzung von Diensten

    Helios hatte zuletzt angeboten, ab dem 25. Bereitschaftsdienst im Kalenderhalbjahr eine Erhöhung der Bereitschaftsdienstbewertung um 10 Prozentpunkte vorzunehmen. Eine weitergehende Anhebung der Bewertung, etwa wie bei Asklepios, hatte die Arbeitgeberseite strikt abgelehnt. Auch an dieser Stelle haben wir eine Nachbesserung erreicht: Künftig erhöht sich die Bewertung der Bereitschaftsdienste ab dem 22. Dienst im Kalenderhalbjahr um 10 Prozentpunkte. Ab dem 27. Bereitschaftsdienst im Kalenderhalbjahr erhöht sich die Bewertung um weitere 10 Prozentpunkte und liegt damit auf dem Niveau von Asklepios. Eine ähnliche, jedoch auf jeden einzelnen Kalendermonat bezogene Regelung gilt für Rufbereitschaften. Sofern im Kalendermonat mehr als 12 Rufbereitschaften geleistet werden, erhöht sich das Stundenentgelt um 10 %.

    3. Freie Wochenenden

    Wegen der tarifrechtlichen Lage haben wir uns bei unseren Forderungen auf finanzielle Kompensationen für den Fall beschränkt, in dem Arbeit an mehr als zwei Wochenenden im Monat angeordnet wird. In den Eckpunkten haben wir uns nunmehr auf einen echten Anspruch auf freie Wochenenden verständigt. Wie auch bei Asklepios gilt zukünftig, dass jeder ärztliche Beschäftigte Anspruch auf mindestens 12 freie Wochenenden im Kalenderhalbjahr hat. Frei von Arbeit ist ein Wochenende dann, wenn in der Zeit zwischen Freitag 22:00 Uhr und Montag 6:00 Uhr keinerlei Arbeits- oder Dienstleistung angeordnet und geleistet wird. Das betrifft auch hier jedwede Form und schließt auch Rufbereitschaften ein, selbst wenn keine Inanspruchnahme erfolgt. Nur wenn andernfalls die Patientensicherheit gefährdet ist, kann von dieser Zahl abgewichen werden, wobei auch in diesem Fall pro Kalendermonat ein Wochenende frei bleiben muss. Nicht gewährte Wochenenden können auf Antrag in das folgende Kalenderjahr übertragen werden und sind dann bis zu dessen Ende zusätzlich zu den freien Wochenenden des zweiten Halbjahres zu gewähren. Am Ende des zweiten Halbjahres muss der Gesamtanspruch auf freie Wochenenden vollständig erfüllt sein.

    4. Bereitschaftsdienste und tageszeitabhängige Stundenentgelte

    Auch im Hinblick auf die generelle Aufwertung von Bereitschaftsdiensten konnten wir eine deutliche Verbesserung erzielen und das Vergütungsdelta zu anderen Tarifbereichen erheblich verkleinern. Dazu haben wir uns auf verschiedene Mechanismen verständigt, die im Wesentlichen ab April 2022 in Kraft treten. Ab diesem Zeitpunkt wird generell und ohne, dass weitere Voraussetzungen erfüllt sein müssen, die Bewertung des Bereitschaftsdienstes in allen Stufen um 10 Prozentpunkte angehoben. In der höchsten Stufe III beträgt die Bewertung damit 100 %. Zum selben Zeitpunkt werden die Bereitschaftsdienststundenentgelte für alle Stunden zwischen 19:00 und 7:00 um 6 % angehoben. Diese Anhebung betrifft ebenfalls die Stundenentgelte für Rufbereitschaften sowie das individuelle Stundenentgelt im Falle von Vollarbeit. Mit diesem Baustein gelingt uns erstmals bei Helios der Einstieg in eine generelle tageszeitabhängige Bewertung von Arbeitszeit für alle Formen von Arbeit. Als letzter Baustein werden sämtliche Stundenentgelte -also auch jene für Bereitschaftsdienste- im Umfang der linearen Erhöhungen dynamisiert. In einem ersten Schritt bereits rückwirkend zum 1. Januar 2021. Die zwischenzeitlich von Helios geforderte Absenkung des Nachtzuschlages ist vom Tisch.

    5. Lineare Erhöhungen

    Im Bereich der linearen Erhöhungen konnten wir ebenfalls Verbesserungen gegenüber dem letzten Angebot des Konzerns erreichen. Nunmehr steigen die Entgelte rückwirkend zum 1. Januar 2021 um 2 %. Ein weiterer Erhöhungsschritt zum 1. Januar 2022 beträgt 1,8 %, muss aber im Zusammenhang mit der Mindestlaufzeit der Tarifeinigung gesehen werden. Anders als vom Konzern bis zuletzt gefordert, beträgt die Laufzeit 21 Monate und damit nur bis zum 30. September 2022, bevor wir über weitere Erhöhungen verhandeln können.

    Die nun vorliegenden Eckpunkte werden in den Tarifgremien des Verbandes bewertet, beide Seiten haben sich bis zum 12. August den Widerruf vorbehalten. Sofern eine Zustimmung der Gremien erfolgt, werden wir schnellstmöglich die Änderungen des Tarifvertrages redaktionell vorbereiten, damit die Eckpunkte entsprechend umgesetzt werden können. Für die Ärzteschaft bei Helios ist neben der Einigung sicher auch bedeutend, dass diese zu einem großen Teil auf den Streikanstrengungen der Ärztinnen und Ärzte in Schwerin, Hamburg und Berlin beruhen und die Erkenntnis mit sich bringen, dass die dynamische Begleitung von Tarifverhandlungen Bewegung erzeugen kann, die zunächst nicht absehbar erscheint.