• Dr. med. Elisabeth Boßlet

    BAD Gesundheitszentrum Saarbrücken, Ärztin in Weiterbildung Arbeitsmedizin
    Elisabeth Boßlet
    Elisabeth Boßlet

    "Ich wähle die Liste 6 Marburger Bund, weil sich in der Klinikwelt in vielen Bereichen etwas ändern MUSS, um ein lebenswertes Leben als Klinikarzt führen zu können. Der MB vertritt meine Interessen in der Ärztekammer als junge Ärztin in einem Angestelltenverhältnis und Mutter einer kleinen Tochter. Und hier können die Weichen gestellt werden für eine zukünftig bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. "

    INTERVIEW mit Elisabeth Boßlet

    Im Saarland wird seit dem 7. Mai die Vertreterversammlung der Ärztekammer, also das „Ärzteparlament“ gewählt. Hier werden die Weiterbildungsordnung gemacht, die Altersrente festgelegt und alle anderen beruflichen Belange gewahrt. Warum es daher wichtig ist, bei den laufenden Wahlen, die am 15. Mai enden, die Liste 6 Marburger Bund zu wählen, erläutert MB-Kandidatin Elisabeth Boßlet, Ärztin in Weiterbildung zur Arbeitsmedizinerin im Gesundheitszentrum Saarbrücken zum Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

    Wie erleben Sie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Ihrem Klinikalltag?

    Elisabeth Boßlet: Meiner Erfahrung nach kann an den wenigsten Kliniken Rücksicht auf die Bedürfnisse von jungen Eltern und deren Familien genommen werden. Dies liegt einerseits an der meist knappen Personaldecke und dem hohen Arbeitsaufkommen, was zu einer hohen Dienst- und Überstundenbelastung führt. Aber es hängt häufig auch mit einem mangelnden Verständnis der Vorgesetzten, Kollegen und der Verwaltungen zusammen, die sich oft nicht vorstellen können, welche Belastung es bedeuten kann, neben dem zeitlich und kräftemäßig sehr fordernden Klinikalltag eine Familie mit (Klein-) Kindern zu managen. Es ist völlig normal und natürlich, als Eltern für seine Kinder da sein zu wollen, und dazu brauchen junge Eltern nun mal Zeit und vor allem auch noch eine ausreichende Portion Kraft und Energie nach einem Arbeitstag an der Klinik. Ich erlebe oft diesen Zwiespalt zwischen den Bedürfnissen meiner Familie und den Anforderungen meiner Arbeit und ich empfinde es als sehr schade, dass sich schnell das Gefühl einschleicht, an keiner „Front“ zu genügen, obwohl man ständig am Rotieren ist.

    Warum ist es so schwierig mehr Zeit mit der Familie zu verbringen?

    Boßlet: Die Kliniken stehen unter einem großen Druck, eine qualitativ gute Versorgung aufrecht zu erhalten und zwar 24/7. Es ist völlig klar, dass Nächte, Wochenenden und Feiertage gearbeitet werden müssen, um das zu gewährleisten. Es ist genauso klar, dass die Arbeit auf den Stationen auch bei hohem Arbeitsaufkommen nicht liegen bleiben kann. Diese Zwänge führen gerade bei dünner Personaldecke zu einem großen Druck auf den einzelnen Mitarbeiter und häufig werden die Bedürfnisse der Arbeitgeber, also der Kliniken, über die der Mitarbeiter und deren Familien gestellt. Konkret bedeutet das zum Beispiel, dass Dienstpläne kaum besetzt werden können, dass die Planung nicht sicher ist, dass 24-Stunden-Dienst auf 24-Stunden-Dienst folgt und Überstunden anfallen. Für unsere Familien bedeutet das zum Beispiel, dass die Mama schon wieder nicht bei dem Ausflug am Wochenende dabei sein kann, dass der Papa vor Erschöpfung kaum ansprechbar ist und schlafen geht, statt mit den Kindern eine Runde mit dem Fahrrad zu drehen, dass der Dreijährige mehrmals im Monat auch nachts ungeplant zur Betreuung abgegeben werden muss und als letztes Kind in der Kita darauf wartet, nach der eigentlichen Schließzeit doch noch abgeholt zu werden.

    Beim Umgang mit Patienten kommt ein großer ethischer Druck dazu: Kein Arzt möchte das Gefühl haben, seine Patienten im Stich zu lassen, um mit den Kindern auf den Spielplatz zu gehen.

    Was muss sich ändern?

    Boßlet: Es sollte Wiedereinstiegsprogramme nach der Elternzeit geben, so dass z.B. eine Dienstanzahlbegrenzung für junge Eltern möglich ist oder auch weniger als 50 Prozent gearbeitet werden kann, ohne dass diese Zeit für die Weiterbildung verloren ist. Die für Teilzeitkräfte nachteilige Mehrarbeit sollte abgeschafft werden, sodass es für jede mehr geleistete Überstunde auch entsprechende Zuschläge gibt. Weiterbildung muss so gestaltet werden, dass auch Teilzeitkräfte eine Chance haben, daran teilzunehmen. Arbeit sollte nach Zeitkontingenten eingeteilt werden, so dass vermieden wird, dass Teilzeitkräfte denselben Arbeitsumfang in weniger Zeit leisten (z.B. Zuteilung einer angepassten Patientenzahl statt einer Station).

    Die Basis für solche Veränderungen ist meiner Meinung nach, dass Verständnis bei den Vorgesetzten, Kollegen und Verwaltungen dafür entsteht, welche Belastungen die besondere – aber auch besonders anstrengende- Lebensphase mit (kleinen) Kindern mit sich bringt. Es sollte ein Arbeitsklima entstehen können, das das „Wohl der Klinik“ nicht automatisch über das Wohl der Mitarbeiter und deren Familien stellt. Hierzu braucht es Aufklärungsarbeit und offene Kommunikation mit allen Bereichen in der Klinikstruktur - vom alleinstehenden Kollegen, der sich ärgert, mal wieder für jemanden im „Kindkrank“ einspringen zu müssen oder nachmittags noch nach einem Hb-Wert eines Patienten des Kollegen in Teilzeit zu schauen, über den leitenden Oberarzt, der es durch Dienstplanorganisation ermöglichen könnte, dass zwei freie Wochenenden pro Monat Standard sind, bis hin zum Ärztlichen Direktor, der maßgeblich für eine wohlwollende und offene Haltung gegenüber Eltern und deren besonderer Belastungen sorgen kann. Und auch die Verwaltung muss hier ein Adressat sein, da hier oft der Schlüssel z.B. zur Personalbesetzung und zum Umgang mit Überstunden liegt.

    Was tut die Liste Marburger Bund dafür?

    Boßlet: Der Marburger Bund setzt sich auf vielen Ebenen für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen ein. Gerade im Moment sehen wir durch die Warnstreiks wie viele, insbesondere junge Kolleginnen und Kollegen sich für bessere Arbeitsbedingungen einsetzen. Nur so haben wir eine Chance Verbesserungen auch wirklich herbeizuführen. Und das gilt auch für die Ärztekammer. Erst wenn wir uns für uns selbst einsetzen, wird sich etwas ändern. Nur die Liste Marburger Bund vertritt ausschließlich angestellte Ärztinnen und Ärzte und hat viele junge Kolleginnen und Kollegen auch auf den vorderen Plätzen platziert, um uns eine starke Stimme für unsere Belange zu geben.