
Was hat Sie dazu bewogen, von der Klinik in die Praxis zu wechseln? Gab es einen konkreten Auslöser?
Während der fünfjährigen Weiterbildungszeit zur Fachärztin für Allgemeinmedizin muss man stationär und ambulant tätig sein. Deshalb wechselte ich in die Praxis, als ich mit meinem Pflichtteil im Krankenhaus fertig war. Das kam mir auch sehr gelegen, da ich von den Arbeitsbedingungen in der Klinik – mit der vielen Arbeitszeit zu ungünstigen Zeiten – genug hatte.
Ursprünglich hatte ich meine fachärztliche Weiterbildung in der Herzchirurgie angefangen. Doch in diesem speziellen chirurgischen Fach muss man eigentlich im Krankenhaus bleiben. Und da ich das nicht wollte, habe ich mich nach knapp vier Jahren entschieden, Hausärztin zu werden. Es war schon immer mein Alternativplan.
Wie sind Sie bei der Suche nach einer passenden Stelle im ambulanten Bereich vorgegangen? Welche Kriterien waren für Ihre Entscheidung ausschlaggebend?
Ich habe vor allem darauf geachtet, dass die Praxis alle Anforderungen erfüllt, damit ich meine Weiterbildung fortsetzen kann. Das heißt, dass es dort eine Person mit einer Weiterbildungsbefugnis gibt und eine entsprechende Ermächtigung für die Zeit, die ich noch brauche. Tatsächlich gibt es relativ viele Hausarztpraxen, die eine Weiterbildung anbieten. Denn die Weiterbildung zur Allgemeinmedizinerin wird von der Kassenärztlichen Vereinigung und den Krankenkassen gefördert – meine Praxis erhält dafür mehr als 5.000 Euro. Das ist in anderen Fachbereichen sicher nicht so.
Für mich persönlich war außerdem wichtig, dass die Praxis gut mit dem Fahrrad zu erreichen ist. Und ich wollte weder in eine Einzelpraxis noch in ein großes MVZ. In meiner jetzigen Hausarztpraxis sind die Inhaber noch jung, medizinisch ist alles auf dem neuesten Stand – es hat einfach rundum gepasst.
In den meisten Hamburger Kliniken gelten Tarifverträge für Ärztinnen und Ärzte – im ambulanten Bereich ist das in der Regel nicht der Fall. Worauf sollte man beim Arbeitsvertrag besonders achten?
Die Förderung für die ärztliche Weiterbildung durch die Kassenärztliche Vereinigung und die Krankenkassen ist an ein Mindestgehalt beziehungsweise ein Standardgehalt gebunden. Das entspricht einem Durchschnittsgehalt der Entgeltgruppe I des ärztlichen Tarifvertrags. Wenn meine Weiterbildung jedoch vorbei ist und ich mich als Fachärztin irgendwo anstellen lasse, werde ich mein Gehalt selbst mit den Inhabern verhandeln müssen. Und da werde ich darauf achten, dass es am Tabellenentgelt des TV-Ärzte/VKA angelehnt ist – man also mit wachsender Berufserfahrung mehr verdient – und im Arbeitsvertrag auch eine Dynamisierung vereinbart wird. So werden auch zukünftige Änderungen in Tarifverträgen berücksichtigt. Genauso wichtig sind Urlaubstage, Freistellungen für Fortbildungen und vieles mehr.
Ich habe meinen Arbeitsvertrag vom Marburger Bund prüfen lassen und Frau von der Heyde hat mir alles erklärt und mich auf ein paar juristische Fehler hingewiesen. Denn es ist ja auch nicht so, dass meine Chefs Profis in Arbeitsrecht sind.
Wie unterscheidet sich Ihr Berufsalltag in der Praxis von dem in der Klinik?
Jetzt gerade bin ich in Elternzeit. Bisher war ich als einzige Ärztin in Weiterbildung neben Fachärztinnen und einem Facharzt in der Praxis. Und da war ich schon mehr auf mich allein gestellt und musste häufiger selbstständig nachforschen als in einer großen Abteilung im Krankenhaus, wo man sich mit vielen anderen Ärztinnen und Ärzten austauschen kann. Ich kann natürlich immer meine Facharzt-Kollegen fragen, aber es gibt eben viel weniger Ansprechpartner und damit Experten bei speziellen Themen. In der Klinik ist die Weiterbildung vielleicht etwas strukturierter, aber auch die Konkurrenz ist größer – dort warten dann beispielsweise mehrere Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung auf die Ultraschallrotation. In der Praxis kann ich jederzeit einfach eine Ultraschalluntersuchung machen.
Ich mag es sehr, dass Patientinnen und Patienten mit den unterschiedlichsten Krankheitsbildern in die Praxis kommen. Gleichzeitig sind sie oft selbstständiger als die Patientinnen und Patienten im Krankenhaus – und häufig auch dankbarer.
Würden Sie den Schritt in die Praxis empfehlen?
Ja. Ich glaube, dass die meisten Ärztinnen und Ärzte unabhängig von ihrem Fachgebiet davon profitieren können, wenn sie Erfahrungen im stationären sowie im ambulanten Bereich sammeln – selbst wenn es nur für eine begrenzte Zeit ist. Für mich war irgendwann klar, dass ich gerne als Allgemeinmedizinerin in einer Hausarztpraxis arbeiten möchte, jedoch erstmal ohne den organisatorischen Aufwand, den man als Selbstständige hat.
Warum ist für Sie als ambulant tätige Ärztin eine Mitgliedschaft im Marburger Bund weiterhin wichtig?
Ich profitiere unter anderem von den Tarifverhandlungen des Marburger Bundes und möchte die Verbandsarbeit durch meine Mitgliedschaft unterstützen. Als Mitglied kann ich mich jederzeit zu berufsrechtlichen Fragen beraten lassen – ein Angebot, das auch für angestellte Ärztinnen und Ärzte im ambulanten Bereich von großem Nutzen ist. Der Marburger Bund bietet mir aber auch die Möglichkeit, mich mit anderen Ärztinnen und Ärzten zu vernetzen und auszutauschen. Gerade jetzt in einer Praxis mit einem kleinen Team ist mir das besonders wichtig.
Vielen Dank für das Gespräch.