• „Uns fehlt der Nachwuchs für die drohende Baby-Boomer-Lücke“

    Einblick in die Ärztekammer
    20.November 2023
    Hamburg
    Dr. Kathrin Schawjinski ist Beisitzerin im Vorstand der Ärztekammer Hamburg. Im Interview teilt sie ihre Eindrücke aus dem ersten Jahr.
    Dr. Kathrin Schawjinski ist Ärztin in Weiterbildung für Orthopädie und Unfallchirurgie und Vorstandsmitglied des MB Hamburg (Foto: MB Hamburg)
    Dr. Kathrin Schawjinski ist Ärztin in Weiterbildung für Orthopädie und Unfallchirurgie und Vorstandsmitglied des MB Hamburg (Foto: MB Hamburg)

    Die für den MB Hamburg erfolgreiche Kammerwahl liegt jetzt gut ein Jahr zurück. Wie erleben Sie die Arbeit im Vorstand und in der Delegiertenversammlung?

    Im Vergleich zur Gremienarbeit im Marburger Bund treffen in der Delegiertenversammlung Ärztinnen und Ärzte mit teils sehr unterschiedlichen Interessen und Meinungen aufeinander. Bei manchen Themen gibt es durchaus Diskussionen und Reibungspunkte, was anfangs etwas gewöhnungsbedürftig war. Die Zusammenarbeit im Vorstand erlebe ich als sehr angenehm und kollegial. Allerdings habe ich den Vorbereitungsaufwand und auch die Dauer mancher Sitzungen unterschätzt. Es gibt einfach viele Aspekte zu berücksichtigen, um zu einem guten Ergebnis zu kommen.

    Das Bundesgesundheitsministerium hat sich u. a. mit der Krankenhausreform viel vorgenommen. Wie bewertet der Vorstand dieses Vorhaben und die möglichen Auswirkungen für die Hamburger Ärzteschaft? 

    Die Krankenhausreform beschäftigt uns sehr. Ende September haben wir in der Delegiertenversammlung eine Resolution dazu verfasst. Wir verstehen das grundlegende Ansinnen der Reform, haben jedoch auch einige Kritikpunkte. Vor allem sind wir als Selbstverwaltung nicht ausreichend in diesen Prozess eingebunden worden. Strukturen müssen vor Ort in Zusammenarbeit mit den betroffenen Akteuren geplant werden. Hamburg unterscheidet sich beispielsweise stark von einem Flächenland, und wir als Stadtstaat und Metropole ziehen auch Patientinnen und Patienten aus anderen Bundesländern an.

    Ein weiterer Kritikpunkt ist die ärztliche Weiterbildung, die in den Reformplänen nicht mitgedacht wurde. Wenn nur noch Krankenhäuser des Level Ii weiterbilden dürfen und entsprechend alles vorhalten müssen, können wir dem Bedarf der Weiterbildung nicht gerecht werden. Uns fehlt der Nachwuchs, um die drohende „Baby-Boomer“-Lücke zu schließen und die Versorgung einer alternden Gesellschaft sicherzustellen.

    Bei welchen Themen und Projekten, für die der MB sich einsetzen wollte, kommen Sie gerade gut voran – und wo stockt es noch?

    Bei der Weiterbildung bewegt sich viel. Wir haben eine Evaluation durchgeführt, um die Qualität weiter zu verbessern. Und wir haben als Vorstand gemeinsam mit Mitarbeitenden der Kammer eine Klausurtagung abgehalten, um diesem Thema gerecht zu werden. Auch die Umsetzung der neuen Weiterbildungsordnung verläuft weiterhin erfolgreich und es ist erfreulich zu sehen, dass immer mehr Kolleginnen und Kollegen das eLogbuch nutzen. Sollten hier Probleme auftreten, bietet die Kammer Unterstützung an.
    Zu Beginn unserer Amtszeit waren die Vorlaufzeiten für Facharztprüfungen oder Kenntnisprüfungen für Ärztinnen und Ärzte aus dem Ausland noch sehr lang. Inzwischen konnten wir diese Wartezeiten deutlich verkürzen.

    Wie bereits erwähnt, gestaltet sich das Thema Strukturreform schwierig, da wir leider wenig Einfluss darauf haben.

    Und was wird aus Ihrer Sicht die größte Herausforderung der kommenden Jahre für die Hamburger Ärztinnen und Ärzte sein?

    Die Umsetzung der Strukturreform. Als Kammer positionieren wir uns klar gegen die zunehmende Kommerzialisierung im Gesundheitswesen und Sparmaßnahmen, die auf Kosten der Mitarbeitenden und der Patientenversorgung gehen.

    Wir stehen vor einer Generationenwende und haben nicht genug Ärztinnen und Ärzte, um künftig die Stellen im ambulanten und stationären Bereich nachzubesetzen. Es ist daher dringend erforderlich, die Anzahl der Studienplätze für Humanmedizin in Hamburg zu erhöhen und sicherzustellen, dass wir qualifizierte Kolleginnen und Kollegen weiterbilden. Trotz der finanziellen Herausforderungen müssen wir gemeinsam mit der Politik schnellstmöglich Lösungen finden.