• Erschreckende Ergebnisse der MB-Mitgliederumfrage unter Ärztinnen und Ärzten

    Pressemitteilung
    Machtstrukturen und Führungskultur in Kliniken
    16.September 2025
    Hamburg
    Die Medizin hat ein Führungsproblem – das zeigt die Mitgliederbefragung des Marburger Bundes Hamburg, die am 15. September im Rahmen der MB-Podiumsdiskussion vorgestellt wurde. Zwischen dem 7. und 25. Juli nahmen rund 500 Ärztinnen und Ärzte an der Umfrage zu Machtstrukturen und Führungskultur in Hamburger Kliniken teil.
    Dr. Pedram Emami, 1. Vorsitzender des Marburger Bundes Hamburg
    Dr. Pedram Emami, 1. Vorsitzender des Marburger Bundes Hamburg

    „Die Machtstrukturen in Kliniken sind ungesund. Kaum eine andere Branche ist durch eine so starke Machtkonzentration bei gleichzeitiger Abhängigkeit von Vorgesetzten geprägt. Das schafft einen Nährboden für Machtmissbrauch – eine Realität, die wir auch in Hamburg nur zu gut kennen“, sagt Dr. Pedram Emami, 1. Vorsitzender des Marburger Bundes Hamburg. „Wir brauchen mehr Transparenz bei Stellenbesetzungen, Vielfalt in Führungspositionen und eine kooperative Arbeitskultur, die auch für die junge Ärztegeneration attraktiv ist.“

    Laut Umfrage erleben die meisten Ärztinnen und Ärzte die Hierarchien in ihrem Arbeitsumfeld als machtzentriert, erschwerend für Teamarbeit und Eigeninitiative und hinderlich für Innovation und Vielfalt. Das spiegeln auch zahlreiche Freitext-Kommentare wider, die von „täglichem Pöbeln und Beschimpfen durch die Führungsebene“ berichten, von fehlender Kommunikation auf Augenhöhe oder von einer manifestierten Abhängigkeit durch starre Hierarchiestrukturen – vor allem während der fachärztlichen Weiterbildung.

    Machtmissbrauch ist vielerorts Alltag

    Besonders erschreckend: 87 Prozent der Befragten haben nach eigenen Angaben Machtmissbrauch oder ungerechtfertigte Einflussnahme in der Klinik erlebt oder beobachtet – 36 Prozent vereinzelt, 51 Prozent sogar mehrfach. Zudem gaben 81 Prozent an, im Laufe ihrer ärztlichen Tätigkeit mit rassistischen, sexistischen oder anderen sachfremden Kommentaren konfrontiert gewesen zu sein. Die 199 Freitext-Beispiele zeichnen ein teilweise erschreckendes Bild vom Arbeitsklima in Hamburger Kliniken.

    „Unsere Umfrage zeigt: Machtmissbrauch ist strukturell verbreitet – das sind keine Einzelfälle“, sagt Katharina von der Heyde, Geschäftsführerin des MB Hamburg. „Misogyne, sexistische, aber auch homophobe und rassistische Kommentare gehören leider auch 2025 noch zum Alltag vieler Ärztinnen und Ärzte. Das muss sich endlich ändern – und deshalb wollen wir das noch mehr öffentlich machen.“ Der Marburger Bund hat die Umfrage initiiert, um eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema anzustoßen und die Diskussion über Hierarchien, Machtmissbrauch und mangelnde Vielfalt in Führungspositionen voranzutreiben.

    405 Teilnehmende berichteten in Freitext-Antworten zudem von intransparenten oder ungerechten Führungsentscheidungen – von Vetternwirtschaft bei Stellenbesetzungen über willkürliche Rotationsentscheidungen bis hin zu ökonomisch motivierten Vorgaben, die medizinischen Leitlinien oder Studien widersprechen. Eine offene Feedback- und Fehlerkultur scheint in vielen Kliniken nur selten etabliert zu sein.

    Ärztinnen und Ärzte fordern Veränderungen

    Mehr als die Hälfte der Befragten (52 Prozent) beurteilt die Besetzungsverfahren für ärztliche Führungspositionen in ihrer Klinik als intransparent und kaum an objektiven Kriterien orientiert. Zudem geben 54 Prozent an, dass Führungspositionen „kaum oder gar nicht divers“ besetzt sind. In rund 400 Freitext-Antworten formulieren die Ärztinnen und Ärzte konkrete Vorschläge, wie Führung künftig diverser, gerechter und zukunftsfähiger gestaltet werden kann. Gefordert werden unter anderem bessere Personalführungskompetenzen in leitenden Positionen, gezielte Frauenförderung und -quoten, die Möglichkeit von Führung in Teilzeit etwa in Form von Doppelspitzen sowie sachliche und nachvollziehbare Kriterien bei Stellenbesetzungen und Beförderungen.

    Von den Befragten sind 62 Prozent Frauen. 36 Prozent der Befragten befinden sich aktuell in der fachärztlichen Weiterbildung, 31 Prozent arbeiten als Fachärztin oder Facharzt, weitere 22 Prozent als Oberärztin oder Oberarzt.