• MB Baden-Württemberg empfiehlt: Überstundenzuschläge bei Teilzeit unbedingt einfordern!

    Musterschreiben des Landesverbandes Baden-Württemberg helfen bei Geltendmachung – und wie bisher: tarifliche Ausschlussfrist beachten!
    17.Januar 2019
    Das Bundesarbeitsgericht hatte sich erneut in mehreren Verfahren mit der Frage auseinanderzusetzen, inwieweit Teilzeitkräfte Anspruch auf Überstunden- bzw. Mehrarbeitszuschläge haben (u. a. BAG, Urteil vom 19.12.2018 - 10 AZR 231/18). Laut Pressemitteilung des BAG vom 19.12.2018 kann eine Regelung in einem Tarifvertrag unter dem Gesichtspunkt des Benachteiligungsverbots von Teilzeitkräften gegenüber vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern dahin auszulegen sein, dass Mehrarbeitszuschläge bei Teilzeitbeschäftigten für die Arbeitszeit geschuldet sind, die über die Teilzeitquote hinausgeht, die Arbeitszeit einer Vollzeittätigkeit jedoch nicht überschreitet. Entscheidend ist also die Überschreitung der jeweiligen individuellen Arbeitszeit.

    Damit gibt der Zehnte Senat seine gegenteilige Ansicht auf (BAG, Urteil vom 26.04.2017 - 10 AZR 589/15). Er schließt sich der Auffassung des Sechsten Senats an, der bereits entschieden hatte, die Auslegung des TV-Ärzte/VKA, die Teilzeitbeschäftigten im Schichtdienst bei ungeplanten Überstunden über ihre Teilzeitquote hinaus von den Überstundenzuschlägen ausschlösse, sei gesetzeswidrig (BAG, Urteil vom 23.03.2017 - 6 AZR 161/16). In der damaligen Entscheidung hatte der Sechste Senat dargelegt, eine Anknüpfung der Überstundenzuschläge an den Mindestbeschäftigungsumfang eines Vollzeitbeschäftigten verhindere die Entstehung jeglichen Anspruchs von Teilzeitbeschäftigten auf Überstundenzuschläge, wenn sie diesen Mindestbeschäftigungsumfang nicht erreichten. Eine solche Anknüpfung widerspräche § 4 Abs. 1 TzBfG, nach dem ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer wegen der Teilzeitarbeit nicht ohne sachlichen Grund schlechter behandelt werden darf als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer.

    Wichtig:

    Die Urteilsgründe zur Entscheidung des Zehnten Senats vom 19.12.2018 liegen derzeit noch nicht vor, allerdings sind die in der Pressemitteilung getroffenen Aussagen in jedem Fall Grund genug, noch einmal unsere Empfehlung an Teilzeitkräfte zu erneuern, Überstunden- bzw. Mehrarbeitszuschläge umgehend schriftlich einzufordern. Damit wird das Verfallen der Ansprüche nach Ablauf der arbeitsvertraglichen oder tariflichen Ausschlussfrist vermieden, die in der Regel sechs Monate beträgt (so z. B. § 37 TV-Ärzte/VKA, § 37 TV Ärzte/TdL).      

                      

    Bei der Entstehung von zuschlagspflichtigen Überstunden ist zu unterscheiden, ob es sich um Schicht-/Wechselschichtarbeit oder um normale Regelarbeit handelt!

    Hier finden Sie entsprechende Erläuterungen:

     

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    Schicht-/Wechselschicht

     

    a) Ungeplante Überstunden

    Im Sachverhalt, der dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 23.03.2017 (Az.: 6 AZR 161/16) zugrunde liegt, hatte ein teilzeitbeschäftigter Pfleger auf Zahlung von Überstundenzuschlägen geklagt. Er wurde im Rahmen der im Voraus erstellten Schichtpläne in Wechselschicht eingesetzt und überschritt dabei auf Anordnung seines Arbeitgebers mehrmals die für ihn im Schichtplan vorgesehene tägliche Arbeitszeit (ungeplante Überstunden).
     

    Beispiel:

    Ein Arzt hat arbeitsvertraglich eine wöchentliche Arbeitszeit von 24-Stunden vereinbart und wird im Rahmen eines Schichtplans in Wechselschicht- / Schichtarbeit an drei Tagen in einer Woche jeweils mit 8 Stunden eingeplant. An einem dieser Arbeitstage überschreitet der Arzt auf Anordnung des Arbeitgebers seine tägliche Arbeitszeit um zwei Stunden.

    Unter Zugrundelegung des Urteils des BAG erfüllen diese zwei Stunden sofort den tariflichen Begriff der Überstunde des § 7 Abs. 8 Buchst. c) Alt. 1 TVöD-K. Der Arbeitgeber hat in dieser Fallkonstellation keine Ausgleichsmöglichkeit, er kann die Stunden nicht in der nächsten Woche oder im Schichtplanturnus ausgleichen und so das Entstehen einer Überstunde verhindern. Nach Ansicht des BAG sind die Arbeitsstunden Überstunden, die im Falle von Wechselschicht- oder Schichtarbeit über die im Schichtplan festgelegten täglichen Arbeitsstunden hinaus angeordnet worden sind (erste Alternative), und/oder die im Schichtplan vorgesehenen (festgesetzten) Arbeitsstunden, die - bezogen auf die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit - im Schichtplanturnus nicht ausgeglichen werden (zweite Alternative).

    Klarstellend führt das BAG aus, dass die erste Alternative den Sachverhalt betrifft, in dem zu den im Schichtplan festgesetzten „täglichen“ Arbeitsstunden zusätzliche, nicht im Schichtplan ausgewiesene Stunden angeordnet werden (sog. ungeplante Überstunden). Solchen „ungeplanten“ Überstunden stehen die Fälle der zweiten Alternative gegenüber, in denen die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit bereits durch die im Schichtplan angeordneten Stunden überschritten wird (sog. eingeplante Überstunden).

    Im vom BAG entschiedenen Fall und in unserem Beispielfall erfüllen die Arbeitsstunden die Voraussetzungen der ersten Alternative, womit diese Stunden Überstunden darstellen und dementsprechend ein Überstundenzuschlag zu bezahlen ist. Es spielt dabei keine Rolle, ob die tägliche oder wöchentliche Arbeitszeit eines Vollbeschäftigten überschritten wird.

     

    b) Geplante Überstunden

    Darüber hinaus ergibt sich aus dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25.04.2013 (Az.: 6 AZR 800/11), dass im Falle von Wechselschicht- oder Schichtarbeit Überstunden entstehen, wenn die im Schichtplan eingeplanten Arbeitsstunden im Durchschnitt des Schichtplanturnus die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit überschreiten (geplante Überstunden, § 9 Abs. 6 Buchst. c) Alt. 2 TV-Ärzte/VKA bzw. § 7 Abs. 10 Alt. 2 TV-Ärzte/TdL).

    Beispiel:

    Ein Arzt hat arbeitsvertraglich eine wöchentliche Arbeitszeit von 24-Stunden vereinbart und wird im Rahmen eines Schichtplans in Wechselschicht- / Schichtarbeit an drei Tagen in einer Woche jeweils mit 8 Stunden eingeplant. Der Schichtplanturnus erstreckt sich über einen Zeitraum von vier Wochen. Aufgrund der anstehenden Urlaubszeit trägt der Dienstplaner den Arzt in der zweiten und vierten Woche jeweils für einen weiteren Tag mit 8 Stunden ein.

    Am Ende des vierwöchigen Schichtplanturnus ergibt sich im Beispiel eine Überschreitung des Gesamtvolumens der geschuldeten regelmäßigen Arbeitszeit von 16 Arbeitsstunden. Diese sind als zuschlagspflichtige Überstunden zu werten, obwohl das Arbeitsvolumen einer Vollzeitkraft über den Schichtplanturnus nicht überschritten wurde. Entscheidend ist allein die individuell vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit.

    Bitte kontrollieren Sie, ob Ihnen im Falle des Vorliegens von Überstunden nach § 9 Abs. 6 Buchst. c) Alt. 1 und/oder 2 TV-Ärzte/VKA bzw. § 7 Abs. 10 Alt. 1 und/oder 2 TV-Ärzte der Überstundenzuschlag ausbezahlt wurde. Ein Musterschreiben zur Geltendmachung sowie weitere Hinweise finden Sie unten.

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    Normale Regelarbeit

     

    Das BAG hatte im Urteil vom 23.03.2017 (Az. 6 AZR 161/16) über den Überstundenzuschlag bei Wechselschicht- und Schichtarbeit entschieden. Das Urteil enthält aber allgemeine Aussagen, die eine Übertragung auch auf Arbeitsstunden, die in einem normalen Dienstplanmodell ohne Wechselschicht- und Schichtarbeit entstehen, nahelegt.

    Nach § 9 Absatz 5 TV-Ärzte/VKA bzw. § 7 Absatz 9 TV-Ärzte/TdL sind zuschlagspflichtige Überstunden die auf Anordnung geleisteten Arbeitsstunden, die über die im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit von Vollbeschäftigten für die Woche dienstplanmäßig beziehungsweise betriebsüblich festgesetzten Arbeitsstunden hinausgehen und nicht bis zum Ende der folgenden Kalenderwoche ausgeglichen werden. Nach den oben dargestellten Ausführungen des BAG spricht allerdings viel dafür, dass auch ungeplante Mehrarbeit, die zu einer Überschreitung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit einer Teilzeitkraft führt und nicht bis zum Ende der Folgewoche ausgeglichen wird, mit dem Überstundenzuschlag ausgezahlt werden muss. Eine Arbeitsleistung über den Beschäftigungsumfang einer Vollzeitkraft hinaus dürfte keine zulässige Voraussetzung sein.

    Nachdem sich der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts nun in einem anders gelagerten Fall dieser Auffassung anschließt, spricht viel dafür, dass nach TV-Ärzte/VKA und TV-Ärzte/TdL auch ungeplante Mehrarbeit, die zu einer Überschreitung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit einer Teilzeitkraft führt und nicht bis zum Ende der Folgewoche ausgeglichen wird, mit dem Überstundenzuschlag ausgezahlt werden muss. Eine Arbeitsleistung über den Beschäftigungsumfang einer Vollzeitkraft hinaus dürfte keine zulässige Voraussetzung sein.

    Beispiel:

    Eine 60%-Teilzeitkraft ist in einem kommunalen Krankenhaus tätig, in dem der TV-Ärzte/VKA Anwendung findet. Sie arbeitet regelmäßig von Montag bis Mittwoch jeweils acht Stunden, insgesamt also 24 Wochenstunden. Nun trifft an einem Mittwoch kurz vor Ende der täglichen Arbeitszeit noch ein Notfall ein, der von der Teilzeitkraft versorgt werden muss. Die Arbeitsleistung überschreitet daher die geplanten acht Stunden um eine Stunde.

    In der Folgewoche arbeitet die Teilzeitkraft die geplanten 24 Wochenstunden, ein Ausgleich der angefallenen Mehrarbeit findet also nicht statt. Damit entsteht ein Anspruch auf Auszahlung der einen Stunde Mehrarbeit als Überstunde mit dem entsprechenden 15%igen Zeitzuschlag. Eine Überschreitung der regelmäßigen Arbeitsleistung einer Vollzeitkraft ist nicht erforderlich. Ein wirksamer, den Anspruch auf den Überstunden ausschließender Ausgleich wäre nur dann gegeben, wenn die geplanten 24 Wochenstunden in der Folgewoche um eine Stunde gekürzt würden.

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    Musterschreiben zur Geltendmachung - unbedingt beachten!

    Wichtig:

    Die Musterschreiben müssen Sie ausgefüllt bei der zuständigen Personalabteilung einreichen. Lassen Sie sich den Zugang durch die Personalabteilung bestätigen. Beachten Sie die tarifliche Ausschlussfrist, nach der Ansprüche aus dem Arbeits-verhältnis sechs Monate nach Fälligkeit verfallen, wenn Sie nicht vorher schriftlich geltend gemacht wurden.

    Musterschreiben - Geltendmachung Überstundenzuschlag bei Teilzeitkräften allgemein 2019.pdf

    Musterschreiben - Geltendmachung Überstundenzuschlag bei Teilzeitkräften Schichtdienst 2019.pdf