• „Wir müssen Konzepte entwickeln!“- Personalräte der Universitätskliniken diskutierten über Befristung und Arbeitszeit

    Landespersonalrätekonferenz des Marburger Bundes in Karlsruhe
    12.März 2018
    Am 5. März 2018 trafen sich 15 Personalräte aus den vier baden-württembergischen Universitätskliniken, um in Karlsruhe die Themen „Befristung von Arbeitsverhältnissen mit Ärztinnen und Ärzten an Universitätskliniken“ sowie „Arbeitszeitgesetz und universitärer Klinikalltag – Welche Möglichkeiten hat der Personalrat, um auf die Einhaltung der Regelungen des Arbeitszeitgesetzes hinzuwirken?“ zu bearbeiten.

    In seinem Einleitungsvortrag zum Thema „Befristung" ging der stellvertretende Geschäftsführer des MB-Landesverbandes Frieder Schmitt zunächst auf die rechtlichen Rahmenbedingungen der Befristung der ärztlichen Arbeitnehmer an Universitäten ein. Durch die Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes seien einige Verbesserungen erzielt worden. Im Ergebnis blieben diese aber deutlich hinter den Erwartungen des Marburger Bundes zurück.
    Aus ärztlicher Sicht standen insbesondere die Auswirkungen der durch die Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes bedingten Festschreibung eines wissenschaftlichen Qualifizierungsziels sowie die rechtlichen Konsequenzen im Hinblick auf die Befristungsdauer im Fokus der Diskussion.

    Weiterbildung als wissenschaftliches Qualifizierungsziel und Auswirkungen auf die Befristungsdauer

    In diesem Zusammenhang wurde die Frage diskutiert, ob die ärztliche Weiterbildung als „wissenschaftliches Qualifizierungsziel" anzusehen ist. Obwohl diese Frage aus Sicht des Marburger Bundes zu verneinen ist, waren sich die Personalräte doch darin einig, dass die Anerkennung der ärztlichen Weiterbildung als Qualifizierungsziel auch Vorteile im Hinblick auf die Befristungsdauer habe. Da sich diese nach dem Qualifizierungsziel richte, müsse die Weiterbildungsbefugnis des Chefarztes der jeweiligen Klinik auschlaggebend sein, so die Personalräte. In Anbetracht der Tatsache, dass an den Universitätskliniken in der Regel alle Chefärzte über die volle Weiterbildungsbefugnis verfügten, hätte dies zur Folge, dass Berufsanfängern je nach Fachgebiet befristete Arbeitsverträge mit Vertragslaufzeiten von mindestens fünf Jahren, anstatt der bisher üblichen zwei Jahre oder sogar noch kürzeren Vertragslaufzeiten angeboten werden müsse. Zu Recht wurde in der Diskussion darauf hingewiesen, dass dies aber voraussetze, dass die ärztliche Weiterbildung auch Gegenstand des Arbeitsverhältnisses sei. Denn anders noch als seine Vorgängergesetze enthalte das Wissenschaftszeitvertragsgesetz keinen Hinweis auf die ärztliche Weiterbildung.

    Vermittlung von Weiterbildungsinhalten als Bestandteil im Arbeitsvertrag

    Die Personalräte waren sich deshalb einig, dass darauf hingewirkt werden müsse, dass die Vermittlung von Weiterbildungsinhalten Bestandteil im Arbeitsverhältnis werde. Dies könne durch eine entsprechende Regelung im Arbeitsvertrag oder auch durch ein Begleitschreiben des Chefarztes oder der Personalabteilung erfolgen, in der bestätigt werde, dass (auch) die ärztliche Weiterbildung Vertragsinhalt ist. Dies sei auch deshalb wichtig, so Schmitt, da nach der Rechtsprechung Weiterbildungsinhalte nur dann anerkannt würden, wenn ein Weiterbildungsverhältnis bestehe. Aus diesem Grund soll die Problematik in den Monatsgesprächen mit der Arbeitgeberseite angesprochen werden. Ziel ist es, die ärztliche Weiterbildung als Bestandteil des Arbeitsverhältnisses für die jungen Kolleginnen und Kollegen zu etablieren.

    Wissenschaftszeitvertragsgesetz noch anwendbar?

    In der Diskussion wurde auch die Frage aufgeworfen, ob unter Berücksichtigung der aktuellen Arbeitsbedingungen in den Universitätskliniken im Lande das Wissenschaftszeitvertragsgesetz mangels einer „wissenschaftlichen Tätigkeit" überhaupt (noch) auf die Mehrzahl der ärztlichen Arbeitsverhältnisse anzuwenden ist. Denn schließlich, so ein Personalrat, bestehe die Tätigkeit der meisten ärztlichen Kolleginnen und Kollegen doch überwiegend aus Krankenversorgung. Forschung und Lehre, die Bestandteile der wissenschaftlichen Tätigkeit sind, spielen im aktuellen universitären Klinikalltag kaum noch eine Rolle. Wenn aber Forschung stattfinde, müsse diese auch als Arbeitszeit anerkannt und vergütet werden, waren sich die Personalräte einig.

    MB-Forderung nach mindestens 40% unbefristeter ärztlicher Arbeitsverhältnisse an Universitätskliniken – Wissenschaftsministerium in der Pflicht!

    Besonders bemängelt wurde, dass der Anteil der befristeten Arbeitsverhältnisse beim ärztlichen Personal an den Universitätskliniken im Lande nach einer aktuellen Auskunft des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst immer noch bei 76% liege. Damit sind nur 24% aller ärztlichen Arbeitsverhältnisse unbefristet. Bereits im März 2016 hatte der MB-Landesverband bei einem Gespräch im Wissenschaftsministerium gefordert, den Anteil der unbefristeten Arbeitsverhältnisse auf 40% zu erhöhen. Die Teilnehmer zeigten sich enttäuscht, dass trotz der aktuellen Arbeitsbedingungen offensichtlich von Seiten des zuständigen Ministeriums nichts unternommen wurde, um diesen Zustand zu verbessern. Insbesondere Fachärztinnen und Fachärzten müsse vermehrt eine dauerhafte Karriere an den Universitätskliniken ermöglicht werden.

    Festlegung von Leitlinien zur Befristung in ärztlichen Tarifverträgen

    In diesem Zusammenhang forderten die Personalräte eine Personalplanung ein, die u.a. sicherstellt, dass Kolleginnen und Kollegen, die mehr als 15 Jahren nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz befristet wurden, im Anschluss unbefristet bis zum Renteneintritt weiterbeschäftigt werden. In diesem Sinne regten die Personalräte an, im ärztlichen Tarifvertrag Kriterien und Leitlinien für die Befristung festzulegen.

    Gespräche mit den demokratischen Parteien auf Landesebene und den kaufmännischen Leitungen der Uni-Kliniken

    Unter Berücksichtigung der Erfahrungen der letzten Jahre stellten die Personalräte ernüchtert fest, dass Verbesserungen im Hinblick auf die Befristungspraxis allein durch Gespräche im Wissenschaftsministerium nicht zu erreichen sind. Aus diesem Grund müssen nach Auffassung der Personalräte neue Konzepte entwickelt werden. Es wurde vorgeschlagen, zusammen mit dem MB-Landesverband das Gespräch mit den demokratischen politischen Parteien im baden-württembergischen Landtag zu suchen. Dabei sei es zunächst einmal wichtig, die Parteien über die aktuellen Arbeitsbedingungen der Beschäftigten an den Universitätskliniken zu informieren. Es müsse aus ärztlicher Sicht dargelegt werden, dass auf Dauer die hohe Qualität der Patientenversorgung an den Universitätskliniken nur dann sicherzustellen sei, wenn den dort tätigen Ärztinnen und Ärzte auch dauerhafte Perspektiven geboten werden. Nach Einschätzung der Personalräte haben auch die kaufmännischen Leitungen der Universitätskliniken ein Interesse an einer Verbesserung des bestehenden Zustands, so dass zusammen mit dem MB-Landesverband auch mit dieser Gruppe das Gespräch gesucht werden sollte.

    Arbeitszeitverstöße nach wie vor brisantes Thema – Aufforderung zum Handeln an die Gewerbeaufsichtsämter

    Im zweiten Teil der Veranstaltung berichteten die Personalräte zunächst über Arbeitszeitverstöße in ihren Kliniken. Dabei wurde deutlich, dass nur eine Überwachung der Regelungen des Arbeitszeitgesetzes durch die zuständigen Aufsichtsbehörden Abhilfe schaffen kann. Da diese aber, so Schmitt, derzeit nur anlassbezogen tätig werden, habe der MB-Landesverband auf seiner Hauptversammlung im Oktober letzten Jahres beschlossen, das zuständige Ministerium aufzufordern, die Überwachung der Regelungen des Arbeitszeitgesetzes zum Schwerpunktthema der Gewerbeaufsicht zu machen. Diesem Aufruf habe sich auch die Landesärztekammer Baden-Württemberg im November 2017 angeschlossen. Unabhängig davon habe der Landesverband den Kontakt zu den Regierungspräsidien als Fachaufsichtsbehörde in Freiburg und Tübingen aufgenommen. In den anderen Regierungsbezirken stünden die Gespräche noch bevor. Die ersten Reaktionen seien vielversprechend. So laufe derzeit eine Überprüfung beim Universitätsklinikum Freiburg. Die bisherigen Gespräche hätten gezeigt, dass die Information der Behörden durch die unmittelbar Betroffenen wichtig sei, da die Aufsichtsbehörden kaum Erkenntnisse über die Zustände in den Kliniken haben.

    Wichtig: Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz bei den zuständigen Gewerbeaufsichtsbehörden melden!

    In diesem Zusammenhang müsse auch die Antwort des zuständigen Wirtschaftsministeriums vom Dezember letzten Jahres auf ein Schreiben des MB-Landesverbandes gesehen werden. In diesem Schreiben hatte der MB-Landesverband auf die aktuellen Arbeitsbedingungen und die damit verbunden Arbeitszeitverstöße hingewiesen und das Ministerium aufgefordert, das Thema Arbeitszeit im Krankenhaus erneut als Schwerpunktthema im Arbeitsschutz zu behandeln. Das Ministerium teilte daraufhin mit, dass ihm keine eigenen Erkenntnisse über eine steigende Anzahl von Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz in Krankenhäusern vorliegen. Es empfehle aber den Ärztinnen und Ärzten, sich ggf. anonym bei Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz an die zuständigen Gewerbeaufsichtsbehörden zu wenden. Dieser Hinweis wurde von den Personalräten aufmerksam zur Kenntnis genommen und wird sicherlich in deren Beratungstätigkeit einfließen.

    Nach intensiven Diskussionen und einem regen Austausch an Informationen zeigten sich die Teilnehmer zufrieden mit der Veranstaltung. „Die Informationen, die ich heute erhalten habe, ermutigen mich bei meiner täglichen Personalratsarbeit. Es gibt einiges zu tun. Ich weiß jetzt, wo ich ansetzen muss", so ein Teilnehmer zum Abschluss der Veranstaltung. Der MB-Landesverband wird auch im Jahre 2019 wieder eine Landespersonalrätekonferenz veranstalten.