• Gewerkschaften kritisieren: Corona-Minusstunden in den Ortenau-Kliniken nicht auf dem Rücken der Beschäftigten austragen

    Pressemitteilung
    29.September 2020

    Im Rahmen der Vorbereitung auf eine potenzielle Welle von Corona-Patienten zu Beginn der Pandemie wurden auch in den Ortenau-Kliniken Operationen abgesagt, Betten freigehalten und neue Corona-Stationen aufgebaut. Viele Beschäftigte, auch Pflegekräfte und Ärzte, wurden vom Klinikbetreiber zunächst nach Hause geschickt. Sie sollten sich aber dauerhaft für die erwarteten Patientinnen und Patienten bereithalten und alle 24 Stunden im Klinikum nachfragen, ob sie am nächsten Tag gebraucht würden. Eine planbare und sinnvolle Nutzung der Freizeit war deshalb in den meisten Fällen nicht möglich.

    Am 22. September 2020 hat sich nun der Ausschuss „Gesundheit und Kliniken in der Ortenau“ gegen einen von Klinikleitung und Gesamtpersonalrat erarbeiteten Vorschlag zum Umgang mit den zu der Zeit entstandenen Minusstunden und dem Überstundenabbau in den Ortenau-Kliniken ausgesprochen. Dieser sah unter anderem vor, dass zumindest die Hälfte dieser Stunden zurückgebucht werden. Die Gewerkschaften ver.di und Marburger Bund kritisieren die Ablehnung des Ausschusses scharf. Denn es bedeutet, dass die Beschäftigten diese Minusstunden zu 100 Prozent nacharbeiten müssen bzw. ihre Überstunden verloren haben.

    „Die Beschäftigten in den Ortenauer Krankenhäusern und dem Pflege- und Betreuungsheim standen bereits während dem Anfang der Corona-Pandemie unter erheblichem Druck. Niemand konnte absehen, wie sich die Lage entwickeln würde. Jeder Beschäftigte im Krankenhaus, ob Arzt, Pflegekraft oder Reinigungskraft, ja selbst in der Verwaltung, konnte nicht wissen wie real die Gefahr im direkten Arbeitsumfeld sein würde“, sagt Michael Herbstritt, Gewerkschaftssekretär bei ver.di Südbaden Schwarzwald. „Mit dem Zurücksetzen der Minusstunden, aber auch dem Überstundenabbau auf Stand Mitte März, hätte man den von der Politik gefeierten Held_innen unserer Gesundheitsversorgung eine klare und wertschätzende Botschaft senden können! Vielleicht sogar präventiv für das, was uns noch bevorsteht“ so Herbstritt weiter.

    Timo Schafhitzel, Syndikusrechtsanwalt beim Marburger Bund Baden-Württemberg sieht hierbei auch eine vertane Chance auf eine außergerichtliche Konfliktlösung: „Es ist rechtlich umstritten, ob die Anordnung von Minusstunden und Überstundenabbau im Einzelfall so überhaupt möglich war. Dieses Risiko sahen auch die Betriebsparteien bei Abschluss der Vereinbarung. Sie wollten dadurch eine Möglichkeit zur Konfliktlösung schaffen. Es löst aber keine Konflikte, wenn man denjenigen, die die ganze Zeit auf Abruf bereit standen, um Patienten sofort helfen zu können, nun sagt, sie hätten ja frei gehabt und sollen gefälligst sogar nacharbeiten.“

    Kreistagsmitglied Bruno Metz (CDU) hatte argumentiert, dass ein solches Vorgehen in der freien Wirtschaft üblich sei. Diesen Vergleich lehnen die beiden Gewerkschafter entschieden ab.

    „Schon allein die Tatsache, dass in Krankenhäusern Menschen behandelt werden, und nicht mit Waren und Gütern gearbeitet wird, verbietet einen Vergleich mit der freien Wirtschaft. Es ist daneben zu beachten, dass der Arbeitgeber, selbst bei unrentabler Beschäftigung, das sogenannte Betriebs- und Wirtschaftsrisiko trägt und dieses grundsätzlich nicht ohne Weiteres auf die Arbeitnehmer übertragen darf, insbesondere dann nicht, wenn er durch finanzielle Ausgleiche im Krankenhausentlastungsgesetz das Beschäftigungs-Defizit bereits aufgefangen bekommt“, stellt Timo Schafhitzel klar.

    Michael Herbstritt ergänzt: „Der Vergleich mit der Wirtschaft hinkt gewaltig. Den Krankenhäusern wurden vom Bund Milliarden zugesichert, z.B. um Betten für Corona-Patienten frei zu halten. Kurzarbeit war in den Krankenhäusern, eben auch wegen der nötigen Flexibilität der Fachkräfte, nicht möglich. Es kann nicht sein, dass die Kolleginnen und Kollegen, die sich jederzeit bereitgehalten hatten, um im Bedarfsfall sofort die Arbeit aufnehmen zu können, dies mit kommender Mehrarbeit auch noch selbst bezahlen sollen!“

    Der Marburger Bund und ver.di haben ihre Mitglieder informiert und bieten eine rechtliche Überprüfung des jeweiligen individuellen Anspruches jedes beschäftigten Gewerkschaftsmitgliedes an.

     

     

    Für eventuelle Rückfragen stehen zur Verfügung:

    Michael Herbstritt, Gewerkschaftssekretär ver.di, Tel: 0151 / 42612174

    Michael Beck / Katherina Georg, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Marburger Bund, Tel: 07021 / 92390