• Ärztinnen und Ärzte empfinden die Arbeitsbelastung als das entscheidende Problem

    Umfrage
    16.Februar 2022
    Die Situation, die unsere Mitglieder in der täglichen Beratung, auf Betriebsversammlungen und Ärztekongressen äußern, ist alarmierend. Die Arbeitsplatzsituation im Krankenhaus spitzt sich immer weiter zu. Personalengpässe, wirtschaftlichkeitsorientierte Geschäftsführungen, die wenig Handlungsspielräume haben, immer mehr nichtärztliche oder bürokratische Aufgaben und keine Zeit für eine ethische Patientenversorgung sind immer wieder Thema und es ist keine Lösung in Sicht. Zudem gibt es zu wenige Fachkräfte, der Bedarf aber steigt und die Verweildauer im Beruf sinkt. Das kann auf die Dauer nicht gut gehen.

    Im Dezember 2021 haben wir eine Umfrage unter unseren Mitgliedern durchgeführt mit eindeutigen Ergebnissen:

    Etwas mehr als die Hälfte der Befragten gaben an, dass im Jahr 2021 an ihrer Klinik Stellen abgebaut wurden bzw. dies angekündigt worden sei. Überwiegend passiert dies, indem offene Stellen nicht wieder besetzt werden. Als Folge hat sich die bereits bestehende enorme Arbeitsbelastung weiter erhöht. Rund 80 Prozent der Befragten halten die ärztliche Personalausstattung für nicht ausreichend, um eine gute Patientenversorgung zu gewährleisten. Schon jetzt beklagen sowohl Patientinnen und Patienten als auch Ärztinnen und Ärzte, dass zu wenig Zeit für die individuelle Behandlung und Betreuung zur Verfügung steht.

    Mit Stellenabbau und unattraktiven Arbeitsbedingungen wiederholen Hessens Krankenhäuser im ärztlichen Bereich die Fehler, die zum aktuellen Pflegemangel geführt haben. So planen mehr als 36 Prozent der Befragten die „Flucht in die Teilzeit“, 33 Prozent wollen sogar den Arbeitsplatz Krankenhaus ganz verlassen. Der Grund: Eine zu hohe Arbeitsbelastung.

    Hessens Krankenhäuser kommen aber nicht nur deshalb schlecht weg: 89 Prozent der Befragten gaben an, dass ihre Krankenhausleitung am meisten Wert auf die wirtschaftliche Situation des Krankenhauses legt, nur rund 16 Prozent sehen dies bei der guten medizinischen Versorgung der Patientinnen und Patienten.

    Fazit: Progrediente Verschlechterung

    Eine fehlende personelle ärztliche wie pflegerische Ausstattung aufgrund von schlechten Finanzierungs- und Investitionsbedingungen durch die Politik  sowie Fehlsteuerungen durch das DRG-System haben eine negative Spirale für den ärztlichen Arbeitsplatz im Krankenhaus in Gang gesetzt. Hinzu kommen Geschäftsführungen, die wirtschaftlich orientiert sind und dabei wie es scheint immer öfter ihren moralischen Kompass verloren haben. Statt den ärztlichen und pflegerischen Mitarbeitern den Rücken zu stärken, schildern viele unserer Mitglieder, dass eine Forderung  nach immer höheren Fallzahlen, gepaart mit einem Desinteresse an einer ethisch vertretbaren Umsetzung der Patientenbehandlung und dem regelmäßigen Negieren einer ehrlichen Arbeitszeiterfassung, vielfach den Arbeitsalltag bestimmen.   

    Es herrscht vielerorts Mangelverwaltung: Mangel an Arbeitskraft, Mangel an Zeit für gute Patientenbetreuung, aber auch der Mangel an sachgerechtem Ausgleich zwischen ärztlicher Tätigkeit und Erholung bedrückt den Arbeitsalltag und schlägt zunehmend in Frustration um. Als Folge beobachten wir als Marburger Bund den Trend, der durch die Umfrage gestützt wird, dass immer mehr Ärzte in die Teilzeit flüchten oder dem Arbeitsplatz Krankenhaus ganz den Rücken kehren.

    Was wir brauchen ist ein ehrlicher Dialog sowie Taten und nicht die Erschöpfung in Floskeln und sinnloser Negierung des Offenkundigen. Patienten, die ins Krankenhaus kommen, müssen zu oft feststellen, dass die Umfrageergebnisse den Alltag dort widerspiegeln.

    Wenn es daher nicht gelingt zu einem vernünftigen Ausgleich zu kommen, wird sich der Engpass in der Ressource „Arzt“ genau wie in der Pflege weiter verschärfen. Und das mit allen Konsequenzen für die medizinische Versorgung und Qualität.

    Autoren: kr/mn