• Umfrage zeigt: Arbeitsbelastung von Klinikärztinnen und -ärzten gefährdet Patientensicherheit

    Pressemitteilung
    Marburger Bund fordert Landesregierung auf, anlassunabhängige Kontrollen der ärztlichen Arbeitszeit in Kliniken einzuführen
    28.Oktober 2020
    Kirchheim/Teck
    Zu hohe Arbeitsbelastung, regelmäßige Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz und Tarifverträge, Gefährdungen der Patientensicherheit, Ärztemangel. Zu diesen Themenkomplexen liefert die Mitgliederbefragung des Marburger Bundes Baden-Württemberg, an der über 2.300 Ärztinnen und Ärzte teilgenommen haben, alarmierende Ergebnisse.

    Rund zwei Drittel (64,7%) der in Vollzeit tätigen befragten Ärztinnen und Ärzte arbeiten 51 Stunden und mehr pro Woche, davon arbeiten 18,5% sogar mehr als 60 Stunden pro Woche. Überdies arbeiten 28,6% der in Teilzeit tätigen Ärztinnen und Ärzte mehr als 40 Stunden pro Woche. „Dass die Arbeitsbelastung von Klinikärztinnen und -ärzten besonders hoch ist, ist keine neue Erkenntnis. Es besteht gerade mit Blick auf die Corona-Pandemie dringender Handlungsbedarf, dass sich hier zum Wohle der Patienten etwas ändert“, so Dr. Frank J. Reuther, 1. Landesvorsitzender des Marburger Bundes.

     

    Gefährdungen der Patientensicherheit durch Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz

    Eine klare Mehrheit der Befragten (65,3%) gibt an, dass es an ihrem Arbeitsplatz mehrmals pro Monat oder öfter durch Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz zu Gefährdungen der Patientensicherheit kommt. 46,0% der Ärztinnen und Ärzte geben an, dass dies mindestens einmal in der Woche der Fall ist, 11,4% sehen die Patientensicherheit durch Arbeitszeitgesetzverstöße sogar täglich gefährdet. „Wir können die Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz und gegen unsere Tarifverträge nicht länger hinnehmen. Ein zentrales Problem sehen wir in der fehlenden Überwachung durch die zuständigen Kontrollbehörden. Wenn alle Beteiligten wissen, dass die Regeleinhaltung faktisch nicht überprüft wird, ist klar, dass sich niemand an die Regeln hält. Da bringt selbst der beste Tarifvertrag herzlich wenig“, so Sylvia Ottmüller, 2. Landesvorsitzende des Marburger Bundes.

     

    Anlassunabhängige Kontrolle des Arbeitszeitgesetzes als zentrale Stellschraube

    Neun von zehn Befragten (91,9%) fordern, dass die Behörden die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes in den Krankenhäusern zukünftig systematisch, nicht ausschließlich anlassbezogen, nach einer Anzeige, überprüfen sollten. Dass die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes als Qualitätskriterium in die Landeskrankenhausplanung aufgenommen werden sollte, erachten 96,1% der Befragten für notwendig. „Als zentrale Stellschraube zur Lösung der oben genannten Probleme betrachten wir anlassunabhängige Kontrollen der ärztlichen Arbeitszeit in den Kliniken. Seit mehr als einem Jahr fordern wir von der Landesregierung hier aktiv zu werden und bisher ist nichts passiert. Die Landesregierung muss ihrer Verantwortung endlich gerecht werden und dafür sorgen, dass künftig anlassunabhängig kontrolliert wird“, so Dr. Jörg Woll, Mitglied des Landesvorstandes des Marburger Bundes.

     

    Aufruf zur Teilnahme an Online-Petition: Bisher rund 19.000 Unterschriften  

    Im Rahmen der Kampagne und gleichnamigen Online-Petition „Patientensicherheit verbessern – Ärztliche Arbeitszeit konsequent kontrollieren“ haben bisher rund 19.000 Personen die Forderung, ärztliche Arbeitszeit anlassunabhängig zu kontrollieren, unterstützt. „Wir rufen alle Bürgerinnen und Bürger dazu auf, die Petition zu unterzeichnen“, so die 2. Landesvorsitzende Sylvia Ottmüller.

     

    Ärztemangel und nicht-ärztliche Verwaltungstätigkeiten weitere Probleme

    Verschärft wird die zeitliche Belastung der Ärztinnen und Ärzte durch „nicht-ärztliche Verwaltungstätigkeiten“, die sie neben ihrer Arbeit an den Patientinnen und Patienten leisten. Mehr als die Hälfte der Befragten (56,9%) ist im Durchschnitt pro Arbeitstag bis zu 30 Prozent mit nicht-ärztlichen Verwaltungstätigkeiten beschäftigt. 14,9% der Befragten geben an, dass nicht-ärztliche Verwaltungstätigkeiten sogar mehr als die Hälfte ihrer täglichen Arbeitszeit binden. Darüber hinaus erklären 73,9% der Befragten, dass das ärztliche Personal an ihrem Arbeitsplatz nicht ausreicht, um die anstehenden Aufgaben zu bewältigen. „Viele Kolleginnen und Kollegen hängen ihre ärztliche Tätigkeit an den Nagel und gehen weniger stressigen, fachfremden Berufen nach. Wenn die Arbeitsbedingungen in den Kliniken verbessert werden, dann macht dies die Tätigkeit in der Klinik auch wieder attraktiver. Dafür müssen die handelnden Akteure endlich sensibilisiert werden“, so Dr. Frank J. Reuther.

     

    Informationen zur Befragung

    Vom 30. September bis zum 15. Oktober 2020 wurden online mittels eines standardisierten Fragebogens 12.975 berufstätige Ärztinnen und Ärzte, die Mitglied im Marburger Bund Baden-Württemberg sind, zur Teilnahme an der Befragung aufgerufen. Der Einladung folgten 2.340 Mitglieder. Dies entspricht einer Rücklaufquote von 18%. Mit 2.340 Befragten handelt es sich bei der Mitgliederbefragung um eine besonders große Ärztebefragung in Baden-Württemberg. Die Befragungsergebnisse liefern ein belastbares Abbild der beruflichen Situation der Mitglieder des Marburger Bundes Baden-Württemberg und der Gesamtheit der Krankenhausärztinnen und -ärzte im Land.

     

     

    Über den Marburger Bund Baden-Württemberg

    Der Marburger Bund, Landesverband Baden-Württemberg ist mit seinen über 18.000 Mitgliedern die gewerkschaftliche-, gesundheitspolitische- und berufspolitische Interessenvertretung der angestellten und beamteten Ärztinnen und Ärzte in Baden-Württemberg.

     

     

     

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    Michael Beck, Leiter Kommunikation und Politik | Pressesprecher

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