• Den Austausch habe ich immer als sehr wertvoll empfunden

    Interview mit Michael Bons
    04.März 2021
    Michael Bons hat fast 40 Jahre am Klinikum Frankfurt Höchst als Unfallchirurg in der Abteilung  für Orthopädie und Unfallchirurgie gearbeitet. In dieser Zeit war er zudem über 15 Jahre Mannschafts-Arzt der Frankfurter Eintracht und engagierte sich im Marburger Bund sowie im Personal-/Betriebsrat im Klinikum Höchst. Im Interview, kurz vor seiner Rente, berichtet er von spannenden Zeiten im Marburger Bund (MB), was ihm am MB so gut gefällt und von einem Fall als Mannschaftsarzt, den er gerne geheim gehalten hätte.

    Wann und warum sind Sie in den Marburger Bund eingetreten?

    Michael Bons: Das ist eine gute Frage. Wie viele andere aus meinem Jahrgang auch, fühlte ich mich immer als Freigeist und deshalb war ich immer nur Mitglied bei der Frankfurter Eintracht, aber sonst, dachte ich, brauche ich keine weiteren Mitgliedschaften in Vereinen oder Verbänden. Der Marburger Bund war mir aber trotzdem immer nah.

    Bis dann das Klinikum Höchst von einem städtischen Betrieb in eine GmbH umgewandelt werden sollte. Der damalige Geschäftsführer des MB Hessen Udo Rein, saß auf der Seite der Klinikmitarbeitern bei den Verhandlungen, und er sprach mich an, dass es schwierig sei, die Interessen für die Ärztinnen und Ärzte durchzusetzen, weil im Personalrat keiner im Marburger Bund Mitglied sei. Herr Rein hat mich dann gefragt, ob ich nicht eintreten könne, was ich dann auch getan habe, weil ich ja so nett darum gebeten wurde, eigentlich hätte ich das viel früher machen sollen.

    Wie ging es dann weiter? Haben Sie sich auch sofort aktiv engagiert?

    Das Tolle am Marburger Bund ist, wenn man sich engagieren möchte, dass die Hierarchien sehr flach sind. Ich bin dann gleich zu einer Bezirksversammlung und bin als Beisitzer in den Landesverbandsvorstand gewählt worden. Das ging recht schnell und ich war dann auch bei vielen Hauptversammlungen des Marburger Bundes als Delegierter dabei.

    Im Landesverband und auf den Hauptversammlungen lernt man tolle Kolleginnen und Kollegen kennen mit denen man sich austauscht und feststellt, andere haben die gleichen Probleme im Krankenhaus wie man selbst. Diesen Austausch habe ich immer als sehr wertvoll empfunden. Deshalb kann ich auch allen Ärztinnen und Ärzten nur empfehlen: Engagiert euch, denn ihr profitiert von den Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen, auch aus anderen Landesverbänden, persönlich und in der täglichen Arbeit.

    Was war rückblickend die spannendste Zeit im Marburger Bund und was konnten Sie bewegen?

    Es gab viele spannende Phasen, aber als Erstes zu nennen sind die Streiks 2006. Das war das Fundament für alles was danach kam. Wir haben damals über Wochen immer wieder gestreikt und wussten überhaupt nicht, ob wir unsere Forderungen durchbekommen. Und dann plötzlich der Erfolg, dass wir eigene Tarifverträge für Ärztinnen und Ärzte aushandeln konnten. Das war eine unglaubliche Erfahrung. Davor war der Marburger Bund zwar auch schon die Gewerkschaft für Ärztinnen und Ärzte, aber wir konnten wenig erreichen, weil wir immer nur der Juniorpartner von verdi waren, nach dem Jahr 2006 konnten wir als MB für die Ärztinnen und Ärzte auch wirklich Verbesserungen einfordern und erreichen, wir wurden dann auch ganz  anders wahrgenommen.

    Sie waren dann ja auch im Betriebsrat aktiv. Was konnten Sie in der Zeit voranbringen und welche Probleme gab es?

    Das Klinikum Höchst wurde ja privatisiert, das war natürlich eine große Geschichte und dann später die Kooperation mit den MTK Kliniken. Beides ging leider nicht so aus, wie wir es uns gewünscht hätten. Aber die eigentliche Arbeit im Betriebsrat liegt auch eher im Kleinen, wie zum Beispiel bei den Arbeitszeitmodellen oder wenn Kollegen schlecht behandelt werden, dann kümmert sich der Betriebsrat darum. Aber ich habe natürlich nicht Medizin studiert, um Betriebsrat zu werden. Jedoch sind die Interessen der Ärztinnen und Ärzte früher zu wenig vertreten worden. Deshalb habe ich mich eingemischt, auch wenn ich kein Jurist bin. Da waren mir die Juristinnen und Juristen in der Geschäftsstelle des MB immer eine große Hilfe, dafür  ein großes Dankeschön. Und wir haben auch vieles erreicht: Zum Beispiel, dass Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung nur noch Verträge bekommen, die bis zum Ende der Facharztausbildung gehen und nicht nur ein oder zwei Jahre.

    Wenn Sie zurückblicken, was war beruflich ihr spannendes Erlebnis?

    Ein Highlight war Mannschaftsarzt der Frankfurter Eintracht zu sein, obwohl ich nur der Ersatz-Arzt war. Mannschaftsarzt war mein Kollege und guter Freund Georg Degenhardt, der leider  vor kurzem verstorben ist.

    Eine Geschichte an die ich mich spontan erinnere, ist im Trainingslager in Tirol passiert. Anthony Yeboah ging es damals nicht gut und er lag zitternd im Bett. Da er gerade aus Ghana zurück gekommen war, dachte ich, der wird doch nicht Malaria haben, da kenne ich mich allerdings als Chirurg auch wenig aus. Ich bin dann heimlich mit ihm in die nächste Klinik gefahren, es sollte erst einmal niemand von dem Verdacht wissen. Es stellte sich dann heraus, dass er tatsächlich Malaria hatte. Als ich zurück zum Trainingslager kam, stand dort schon die Presse auf dem Parkplatz und fragte, ob die Gerüchte stimmen. Die Geschichte geheim zu halten, hatte nicht geklappt.

    Gab es auch so ein Highlight im Krankenhaus?

    Nein, Heldengeschichten kann ich keine berichten (lacht). Aber ich habe jetzt 40 Jahre in Höchst gearbeitet, seit dem PJ 1981, und in dieser Zeit habe ich viele hundert Kolleginnen und Kollegen  kennengelernt, mit denen ich teilweise Nächte lang und an Wochenenden gearbeitet habe und es hat immer Spaß gemacht. Es gab eigentlich keine Kollegen, die ich nicht mochte. Man hat sich immer unterstützt und geholfen. Ich habe das immer genossen und hatte eine gute Zeit. Auch jetzt, wo viele junge Kollegen nachkommen, sind die Ärztinnen und Ärzte immer noch sehr motiviert und kompetent, auch wenn sich die Arbeitsbedingungen verändert haben.

    Warum haben sich die Arbeitsbedingungen verändert?

    Die Bürokratisierung hat dermaßen zugenommen, dass man viel Zeit damit verbringt Bescheinigungen auszufüllen und die Arbeit am Patienten immer weniger wird. Früher hatten wir mehr Zeit für die Patienten, was diese auch spüren. Die menschliche Seite tritt immer mehr in den Hintergrund. Das ist eine große Katastrophe, die unbedingt geändert werden muss.

    Was würden Sie heute jungen Ärztinnen und Ärzte mit auf den Weg geben?

    Was ich als Tipp mit auf den Weg geben kann: engagiert euch in Betriebsräten oder Personalräten. Das ist wichtig und sich  im MB engagieren und so Verbesserungen  für uns Ärzte zu schaffen. Die Verhältnisse in den Kliniken  müssen und  können besser werden. Das können wir aber nur gemeinsam mit dem MB erkämpfen, denn geschenkt werden wir das nicht bekommen.