• Eltern verstehen Eltern

    "Schon bei der Wahl des Arbeitgebers schauen, wie er Familien unterstützt"
    20.August 2020
    Ärztin, Karriere und Kinder - das scheint oft eine Balanceakt zu sein. Wir haben Dr. med. Silke Engelbrecht, Ltd. Oberärztin und Mutter von zwei Kindern, gefragt, wie sie Arbeit und Familie organisiert, wie ihr Wiedereinstieg nach der Elternzeit war und was sich ändern müsste, damit Vereinbarkeit besser funktioniert.

    Sie haben zwei Kinder im Kindergartenalter und sind Oberärztin, haben Sie den Zeitpunkt Kinder zu bekommen geplant? 

    Ich habe die Kinder erst bekommen, als ich bereits eine gewisse Position erreicht hatte und Oberärztin war. Für Frauen ist es sonst oft nicht einfach mit kleinen Kindern Karriere zu machen. Wenn die Kinder dann älter sind, wird es aber wieder unkomplizierter. 

    Wie hat Ihr Chef damals reagiert?

    Begeistert war mein Chef natürlich erst einmal nicht. Ich habe eine Stelle ausgefüllt, die eine Zeit lang unbesetzt war und bin bereits nach kurzer Betriebszugehörigkeit schwanger geworden. Das ist natürlich erst einmal ärgerlich für einen Arbeitgeber.

    Wie haben Sie die Zeit des Wiedereinstiegs geplant und erlebt? 

    Ich war nur kurz in Elternzeit, das war ein Zugeständnis an meine Karriere. Wenn man eine gewisse Position hat, dann macht man solche Zugeständnisse. Ich denke,  als Oberärztin ist man bereit Verantwortung  zu übernehmen, ein Teil davon war in meinem Fall wieder früh in den Beruf einzusteigen.

    Aber das hängt natürlich mit der eigenen Lebenssituation zusammen und ob man einen geeigneten Betreuungsplatz hat. Hier gibt es einige externe Faktoren, die stimmen müssen. In meinem Fall haben wir uns die Elternzeit geteilt, das war auch hilfreich.

    Für mich war es kein Problem, direkt auf die Stelle zurückzukehren. Doch nicht alle Kollegen haben verständnisvoll reagiert, da viele entweder keine Kinder haben und somit die Situation nicht nachempfinden konnten oder bereits ältere Kinder, die aus dem Gröbsten raus sind.

    Wie funktioniert ihr Alltag? 

    Das ganze System funktioniert nur, wenn die Kinder gesund sind und eine Betreuung haben. Ich bin daher gespannt, wie dies in Corona-Zeiten im Winter funktionieren soll, wenn die Kinder regelmäßig erkältet sind. Da kann das System schnell zusammenbrechen. Wir haben leider keine weiteren Angehörigen vor Ort, so dass wir in unserem Alltag auf uns gestellt sind und beide in Teilzeit arbeiten. Trotzdem ist es häufig stressig, da geht es uns wie anderen Eltern auch. Immerhin können wir uns den Luxus leisten, in Teilzeit zu arbeiten, dank der guten Tarifverträge die es inzwischen gibt.

    Wie hat sich Ihre Arbeitsweise als Mutter verändert?

    Ich bin fokussierter und kann mehr in kurzer Zeit erledigen. Nach hinten heraus bin ich am Tag weniger flexibel und kann nicht einfach länger bleiben. Daher gerät man schneller unter Druck, wenn es vielleicht auch bei einem Patienten mal länger dauert. 

    Es gibt einfach wenig Spielraum: Die Kita macht um 17 Uhr zu. Dann muss ich die Kinder abholen, egal was in der Klinik los ist. Auch beim Urlaub gibt es wenig Möglichkeit, wenn die Kita zu ist, dann muss ich Urlaub nehmen. Hier würde ich mir mehr Alternativen oder Angebote für Eltern wünschen.

    Als Mutter muss man flexibel reagieren und schnell Entscheidungen treffen können. Gute Voraussetzungen und Eigenschaften auch für einen Oberarzt oder eine Oberärztin. (lacht)

    Was müsste sich ändern, damit Vereinbarkeit besser funktioniert?

    Eltern von kleinen Kindern haben alle das gleiche Problem, da sie das gleiche Zeitfenster zum Arbeiten haben. Sich eine Stelle teilen, kann in einer Leistungsfunktion zum Beispiel funktionieren, wenn man sich gut versteht und einen ähnlichen Führungsstil und gleiche Ziele hat. Solche Modelle finde ich grundsätzlich interessant für die Zukunft. 

    Doch mein Eindruck ist, dass  Ärztinnen in Führungspositionen häufig schon ältere Kinder haben, dann wird es auch wieder einfacher. 

    Außerdem will man seine Kinder ja nicht nur verwaltet wissen, sondern tatsächlich gut betreut. Da hat man nicht nur einen hohen Anspruch an die Arbeit, sondern auch an die Kinderbetreuung. Hier müsste sich noch mehr tun.

    Haben Sie Tipps für andere Mütter?

    Schon bei der Wahl des Arbeitgebers schauen, wie er Familien unterstützt. Findet das nur auf dem Papier statt oder gibt es beispielsweise eine Ferienbetreuung, flexible Arbeitszeitmodelle in Teilzeit oder Eltern in der Führungsebene? Das hilft für das Verständnis. Es ist immer gut, wenn Vorgesetzte auch Kinder haben, denn Eltern verstehen Eltern.

    Zur Person:

    Dr. med. Silke Engelbrecht, Ltd. Oberärztin in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Gesundheitszentrum Wetterau