• „Im Schatten der Pandemie: Abbau von Arztstellen“

    Kommentar zur MB-Umfrage
    17.Februar 2022
    Nach drei Jahren als Assistenzarzt und Dienstplaner in einem Maximalversorger, widerholt sich jedes Jahr zum Jahresende dieselbe Problematik: KollegInnen kündigen, die Stellen werden erst einmal gestrichen bzw. nicht nachbesetzt. Für den Dienstplaner heißt es dann wieder den Plan für Weihnachten und Silvester irgendwie zusammen zu basteln, weil Resturlaube der ausscheidenden Kollegen gewährt und den verbleibenden KollegInnen gut zugeredet wird, dass nächstes Jahr alles besser werde und Überstunden und Mehrarbeit dann abgebaut werden können. Im Laufe des neuen Jahres erhält man meist die Zusage die Stellen zumindest für das nächste Quartal neu zu besetzen. Stellennachbesetzungen dauern aber, dementsprechend haben wir meistens nur drei Monate des Jahres einen sinnvollen Stellenschlüssel. Bis das Quartal wechselt, der nächste kündigt und sich das Rad wieder neu dreht.

    Dieser ständige Kampf um Personal und der damit verbundene Kampf um die eigene Lebenszeit macht etwas mit uns! Wie man in der Umfrage erkennen kann, ist das Mittel der Nichtbesetzung oder verspätetes Besetzen offener Stellen ein probates Mittel der Kliniken Stellen einzusparen. Natürlich fällt das für die Gesamtjahresstatistik der einzelnen Abteilungen so nicht auf, die Stelle wurde ja besetzt – nur eben vier Monate zu spät! Diese Praxis ist ein schönes Beispiel für die Denkweise der heutigen Klinikleitungen. Es geht schon lange nicht mehr um gute medizinische Patientenversorgung und gute Arbeitsbedingungen, sondern um Wirtschaftlichkeit und Profit. Diese Wahrnehmung teilen die überwiegende Mehrzahl der befragten Ärztinnen und Ärzte, weil sie es jeden Tag so erleben. Es ist uns Ärzten bewusst, dass eine Klinik auch wirtschaftlich sein muss, aber im Mittelpunkt der Gesundheitsversorgung steht in erster Linie immer noch der Mensch und nicht der Euro, denn gute Patientenversorgung erreicht man nur mit gesundem Personal.

    Ich möchte jeden Patienten nach bestem Wissen und Gewissen behandeln können. Es wäre nur von Vorteil, wenn ich das auch wach, meinem Fachgebiet entsprechend und qualitativ hochwertig tun könnte. Um diesem eigenen Anspruch gerecht werden zu können, brauche ich aber wenigstens ein bisschen Freizeit, die Sicherheit nicht irgendwann als Unfallchirurg die Hirnblutung mitbetreuen zu müssen und eine Klinikleitung, die für medizinische Qualität und nicht nur Gewinnoptimierung steht.

    Wenn man sich die Ergebnisse der Umfrage ansieht, haben wir ÄrztInnen alle dieselben Probleme: Nichtbesetzung offener Stellen, Fächerzusammenlegungen, mangelnde Wertschätzung, Arbeitsverdichtung, von reiner Wirtschaftlichkeit getriebene Klinikleitungen, etc. Es wird Zeit diese Probleme stärker an die Öffentlichkeit zu bringen, denn es geht hier nicht nur um den Einzelnen, sondern um das gesamte deutsche Gesundheitssystem, dass schließlich zu großen Teilen auf unseren ärztlichen Schultern lastet!

    (Anonym, Arzt ist der Redaktion bekannt)