• „Wir dürfen nicht mehr darüber nachdenken, ob eine ärztlich tätige Person Mann oder Frau ist“

    Interview zur Kammerwahl
    23.März 2023
    Dr. Tanja Baumgarten und Yvonne Jäger haben sich für die Liste 1 zur Wahl der Delegiertenversammlung der Landesärztekammer aufstellen lassen. Dr. Tanja Baumgarten arbeitet als Unfallchirurgin im Klinikum Darmstadt und kandidiert das erste Mal. Yvonne Jäger, angestellt in der Vitos Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Bad Homburg, gehört seit 2013 der Delegiertenversammlung der Landesärztekammer an und will ihr Engagement dort fortsetzen.

    Yvonne Jäger (links) und Dr. Tanja BaumgartenWarum setzten Sie sich besonders für die Belange der Ärztinnen ein?

    Dr. Tanja Baumgarten: Ganz einfach: Weil ich eine bin!

    Yvonne Jäger: Vielfalt in der Medizin ist wichtig und mehr weibliche Perspektiven in Entscheidungsfindungen werden helfen, bessere Ergebnisse für Patientinnen und Patienten zu erzielen. Ich möchte dazu beitragen, Geschlechtergleichheit zu erreichen und die Geschlechterrollen zu überwinden. Die Förderung von Ärztinnen ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung.

     

    Wo sehen Sie noch Defizite für Frauen? Was muss sich ändern?

    Yvonne Jäger: Frauen haben immer noch Schwierigkeiten, eine ausgeglichene Work-Life-Balance zu finden; insbesondere, wenn sie Kinder haben. Sie sind immer noch unterrepräsentiert in Führungspositionen, auch in der Medizin, und werden zu oft mit Stereotypen und Rollenerwartungen konfrontiert, die sich auf ihre Arbeitsbedingungen und Karriereaussichten auswirken: Wird z. B. ein Mann, der sich auf eine Führungsposition bewirbt, gefragt, wer sich im Krankheitsfall um seine Kinder kümmert?

    Dr. Tanja Baumgarten: Erschreckenderweise hört man gerade aus der Geburtshilfe und Gynäkologie, dass Frauen genau aus diesem Grund nicht eingestellt werden. Das geht gar nicht! Aber zum Glück nehmen mittlerweile auch immer mehr Männer Elternzeit und kümmern sich um die Kinderbetreuung. Ich finde, es sollte niemand – egal, ob Frau oder Mann – benachteiligt werden, wenn es darum geht, Arbeitszeit zu reduzieren oder Kind-krank zu sein. Es geht also nicht nur um Defizite für Frauen, sondern um Defizite für diejenigen, die Familie haben. Die Definition „Familie“ muss dabei jeder für sich selbst treffen dürfen.

    Yvonne Jäger: Hier können eine offene Grundhaltung, digitale Fort- und Weiterbildungsangebote und flexible Arbeitszeitmodelle helfen.

    Dr. Tanja Baumgarten: Wo ein Wille ist, da ist ein Weg. Teilzeit muss auch in unserer medizinischen Gesellschaft ankommen. Und es muss sich ändern, dass wir überhaupt darüber nachdenken, ob eine ärztlich tätige Person Mann oder Frau ist.

     

    Hat sich die Chancengleichheit für Ärztinnen in den letzten Jahren im Krankenhaus gewandelt? Und wenn ja, wie?

    Dr. Tanja Baumgarten: Es hat sich definitiv gewandelt. Es ist heutzutage normal geworden, Ärztinnen zu sehen, unabhängig von der Fachrichtung. Wir sind ja rein mengenmäßig schon wesentlich mehr als noch vor 20 Jahren. Somit hat sich allein die Anzahl geändert, aus der sich Chancen generieren, die Karriereleiter hinaufzusteigen.

    Yvonne Jäger: Das stimmt. Es gibt mehr weibliche Ärztinnen in Führungspositionen und mehr Anerkennung für ihre Leistungen, aber auch immer noch Herausforderungen. Ärztinnen sind immer noch unterrepräsentiert in bestimmten Bereichen und sie erfahren immer noch Benachteiligung. Aber es gibt bereits erste positive Veränderungen, wie z. B. mehr Flexibilität in Bezug auf Arbeitszeiten und mehr Unterstützung für die Karriereentwicklung von Ärztinnen.

    Dr. Tanja Baumgarten: Außerdem ändert sich die Denkweise unserer Vorgesetzten, uns Frauen überhaupt Chancen zu geben. Wenn es keine Chefinnen und Chefs gäbe, die Ärztinnen die Möglichkeit geben, eine gewisse Position auszufüllen, sehe es schlecht aus. Gerade dafür ist es aber auch wichtig, Frauen in Führungspositionen zu bringen, um wieder Frauen nachzuziehen. Es gibt immer mehr Frauen, die dies wollen und auch können, weil sie – betrachtet man den Wandel der Gesellschaft – einen Partner oder eine Partnerin haben, der oder die sich an der Kinderbetreuung beteiligt. Wir brauchen Vorbilder, wir müssen Vorbilder sein.

     

    Welche Aufgabe hat die Kammer dabei, Chancengleichheit für Ärztinnen zu schaffen?

    Yvonne Jäger: Die Ärztekammer kann durch die Förderung von Fortbildungs- und Karriereentwicklungsprogrammen für Ärztinnen einen Beitrag leisten. Auch können die Unterstützung von Netzwerkgruppen für Ärztinnen und die Förderung von Mentoring-Programmen dazu beitragen, die Karriereentwicklung von Ärztinnen zu unterstützen.

    Dr. Tanja Baumgarten: Ich denke da vor allem an das Thema Weiterbildung. Die Regelung, die Weiterbildungsinhalte in sinnvoller Teilzeit generieren zu können, muss weiter ausgefeilt werden. Die Anrechnungsmöglichkeiten müssen sich dort für junge Ärztinnen und Ärzte mit Familie und in Teilzeit verbessern. Arbeitszeiten müssen flexibler gestaltet werden können. Man muss in diesem Bereich moderner werden und das ist auch Aufgabe der Kammer.

     

    Was möchten Sie in den nächsten fünf Jahren in der Kammer voranbringen?

    Dr. Tanja Baumgarten: Ich möchte mich für Chancengleichheit für alle Ärztinnen und Ärzte sowie eine qualitativ bessere Weiterbildung einsetzen. Wir jungen Ärztinnen und Ärzte sind die medizinische Zukunft dieses Landes, das sollte jedem bewusst sein, der wählt.

    Yvonne Jäger: Das stimmt. Diese Themen sind mir auch sehr wichtig, deshalb Ich hoffe, dass ich die Chance bekomme, die Arbeit der letzten Jahre unter anderem in Ausschüssen fortsetzen zu können. Ich möchte im Weiterbildungsausschuss fördern, dass die Ärztekammer ihre Weiterbildungsangebote auf die Bedürfnisse der Ärztinnen und Ärzte abstimmt und mehr Flexibilität bei der Gestaltung der Angebote möglich werden -unter Wahrung der Qualität und möglichst Verbesserung der Weiterbildung. Zudem möchte ich dazu beitragen, dass die Ärztekammer ihre Bemühungen zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen in der Medizin intensiviert. Hier kann die Digitalisierung dazu beitragen, dass Weiterbildungsangebote leichter zugänglich für alle Mitglieder werden und insbesondere für Ärztinnen und Ärzte mit Familienverpflichtungen der Zugang erleichtert wird. Außerdem möchte ich mich im Finanzausschuss weiter dafür einsetzen, dass die Ärztekammer ihre Finanzen - unsere Mitgliedsbeiträge - effizient und nachhaltig einsetzt und transparent verwaltet.

     

    Warum sollten MB-Mitglieder die Liste 1 – Marburger Bund wählen?

    Dr. Tanja Baumgarten: Die MB-Liste zu wählen, ist die einzig richtige Wahl, um für alle Facetten der Ärzteschaft die beste Vertretung in der Kammer zu erreichen. Wir vertreten die jungen, die älteren, die Frauen und die Männer, außerdem ist unsere Themenbreite einzigartig in der Listenstruktur. Gerade als Mitglied des MB muss einem daran gelegen sein, uns als größte Fraktion in der Kammer zu sehen.

    Yvonne Jäger: Denn kaum eine andere Liste setzt sich so umfangreiche für die Belange der Ärzte und Ärztinnen ein. Vom Arzt bzw. Ärztin in Weiterbildung bis zum Fachärztin bzw. Facharzt -und besonders als Ärztin- ist man beim Marburger Bund sehr gut vertreten. Die Liste 1 - Marburger Bund setzt sich seit Jahren für die Interessen der Ärztinnen und Ärzte ein und hat bewiesen, dass sie aktive Mitglieder hat und viel bewegt. Sie setzt sich erfolgreich für bessere Arbeitsbedingungen und eine höhere Vergütung ein. Der Marburger Bund unterstützt die Förderung von Diversität und berücksichtigt die verschiedenen Bedürfnisse der Ärztinnen und Ärzte in unterschiedlichen Lebenssituationen, was sich auch ganz konkret in der aktiven Verbandsarbeit und in der Listenzusammensetzung wiederspiegelt. Die Liste 1 - Marburger Bund hat sich für mehr Transparenz und Effizienz in der Kammerverwaltung eingesetzt und wird dies weiter tun.