• Wahlprüfsteine zur Landtagswahl

    Bilden Sie sich Ihre Meinung
    06.September 2022
    Hannover (swa).
    Im Vorfeld der niedersächsischen Landtagswahlen am 9. Oktober haben wir den Parteien auf den Zahn gefühlt. Der Marburger Bund Niedersachsen hat SPD, CDU, Die Grünen und die FDP gefragt, was sie in Hinblick auf Medizinstudium und den Fachkräftemangel planen, wie sie die Arbeitsbedingungen verbessern, den Öffentlichen Gesundheitsdienst stärken und die Digitalisierung voranbringen wollen. Was die Parteien in Hinblick auf die Investitionskostenfinanzierung des Landes beabsichtigen und wie sie eine flächendeckende Krankenhausversorgung sicherstellen wollen, lesen Sie hier.
    Am 9. Oktober wird der niedersächsische Landtag neu gewählt. Foto: Tim Reckmann/pixelio.de
    Am 9. Oktober wird der niedersächsische Landtag neu gewählt. Foto: Tim Reckmann/pixelio.de
    Medizinstudium

    Welche Maßnahmen planen Sie zum Ausbau der Medizinstudienplätze?

    SPD: Mit dem Ausbau der Medizinstudienplätze an der European Medical School Oldenburg-Groningen, der Medizinischen Hochschule Hannover sowie der Universitätsmedizin Göttingen und der Einführung einer Landarztquote haben wir bereits wichtige Maßnahmen auf den Weg gebracht, um die medizinische Versorgung auch in Zukunft in der Fläche sicherzustellen. Auch in der kommenden Legislaturperiode ist es aus unserer Sicht notwendig, weitere Medizinstudienplätze in Niedersachsen zu schaffen und die Anzahl der Professuren für Allgemeinmedizin an niedersächsischen Hochschulen zu erhöhen. Darüber hinaus werden wir uns auf Bundesebene weiterhin für eine zügige Umsetzung der im „Masterplan Medizinstudium“ vereinbarten Maßnahmen und Ziele einsetzen.

    CDU: Alle Menschen in Niedersachsen sollen sich auf eine hochwertige Gesundheitsversorgung in ihrer Nähe verlassen können. In vielen niedersächsischen Regionen wird es zunehmend schwieriger, dieses Ziel zu erreichen – da Ärztinnen und Ärzte fehlen. Hier sind uns bzw. dem CDU-geführten Wissenschaftsministerium in den letzten Jahren bereits große Erfolge mit zusätzlich insgesamt 190 Medizinstudienplätzen an den drei Universitäten in Niedersachsen gelungen. Doch wir sind noch lange nicht da, wo wir hinwollen. Aus diesem Grund werden wir den Ausbau von Förderprogrammen für den ärztlichen Nachwuchs sowie für zusätzliche Studienplätze im Fach Humanmedizin in Niedersachsen vorantreiben. Konkret werden wir weitere 200 neue medizinische Studienplätze schaffen.

    Die Grünen: Wir wollen in der nächsten Wahlperiode 200 zusätzliche Studienplätze an den drei niedersächsischen Universitätskliniken schaffen.

    FDP: Wir wollen die Anzahl der Studienplätze erhöhen. Dem Landärztemangel wollen wir nicht durch die Einführung einer Quote bei der Vergabe der Studienplätze begegnen, sondern durch stärkere Implementierung des Berufsbildes ins Studium.

    Die Medizinstudierenden brauchen eine verpflichtende PJ-Aufwandsentschädigung in allen Krankenhäusern und Praxen sowie im ÖGD, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren, während sie ganztags in der Patientenversorgung arbeiten. Aktuell werden teilweise keine Aufwandsentschädigungen bezahlt, die Höhe variiert mitunter stark. Wie stehen Sie zur Forderung nach einer PJ-Aufwandsentschädigung an allen Krankenhäusern, Praxen und im ÖGD in Niedersachsen?

    SPD: Die Forderung nach einer PJ-Aufwandsentschädigung wird bei der Diskussion über die Novelle der Ärztlichen Approbationsordnung wieder aufkommen und wir halten sie für in der Sache berechtigt.

    CDU: Da das PJ Bestandteil des Studiums ist, wird grundsätzlich keine Aufwandsentschädigung gewährt. Daran halten wir fest. Eine Ausnahme stellen jedoch die Universitätsklinika in Niedersachsen dar, die teilweise Aufwandsentschädigungen zahlen.

    Die Grünen: Studierende im Praktischen Jahr sind zwar noch in der Ausbildung und haben somit auch Anspruch auf gute praktische Anleitung. Im Klinik- oder Praxisalltag übernehmen sie jedoch häufig schon viele Tätigkeiten eigenverantwortlich und unterstützen somit die medizinische Versorgung. Sie sollten dafür auch eine Aufwandsentschädigung erhalten. Wünschenswert wäre hier eine bundeseinheitliche Regelung.

    FDP: Auch aus unserer Sicht sollten verpflichtende Elemente zur angemessenen Entschädigung der Studierenden im PJ implementiert werden.

    Arbeitsbedingungen

    Krankenhausärzt*innen fühlen sich durch Stelleneinsparungen, hohen Bürokratieaufwand und Mehrarbeit überlastet. Welche Maßnahmen sehen Sie vor, um die Arbeitsbedingungen der Krankenhausärzt*innen zu verbessern?

    SPD: Eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Ärztinnen und Ärzten in Krankenhäusern ist nach unserer Auffassung dringend geboten. Übermäßige Bürokratie in Krankenhäusern bindet Ressourcen, die angesichts der ohnehin schon hohen Arbeitsbelastung an anderen Stellen dringend benötigt werden. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass bürokratische Vorgaben teilweise entbehrlich sind. Gleichzeitig muss ein hohes Maß an Qualität sichergestellt bleiben. Vor diesem Hintergrund begrüßen wir die Befreiung der Krankenhäuser von einigen Dokumentationspflichten und werden uns dafür einsetzen, dass bürokratische Vorgaben auch über die Pandemie hinaus kritisch überprüft und auf ein notwendiges Maß zurückgeführt werden.

    CDU: Wir werden die Entbürokratisierung auf der Ebene der Krankenhäuser vorantreiben. Für Dokumentationsaufgaben gehen zu hohe zeitliche Aufwendungen verloren. Diese Zeit sollte für die Versorgung von Patientinnen und Patienten zur Verfügung stehen. Da durch die Reduzierung der Dokumentationspflichten während der Pandemie keine Qualitätseinschränkungen eingetreten sind, spricht nichts dagegen, diese Regelungen beizubehalten.

    Die Grünen: Um die Arbeitsbelastung in Krankenhäusern zu reduzieren, ist mehr Personal erforderlich. Wir wollen deshalb 200 zusätzliche Medizin-Studienplätze schaffen und die Anerkennung ausländischer Abschlüsse vereinfachen. Auch Delegation oder Substitution können Ärzt*innen von bestimmten Tätigkeiten entlasten. In Kliniken kommen dafür vor allem Physician Assistants oder speziell qualifizierte Pflegekräfte infrage. Die Digitalisierung kann zudem insbesondere von administrativen Aufgaben entlasten.

    FDP: Wir wollen die politischen Rahmenbedingungen so gestalten, dass die Leistungserbringer im Gesundheitswesen ihren Beruf ohne übermäßige Bürokratie und Berichtspflichten und nach dem Grundsatz der Therapiefreiheit ausüben können. Mit einem Abbau von bürokratischen Regulierungen und Dokumentationspflichten kann wieder mehr Zeit für die Patientinnen und Patienten zur Verfügung stehen. Dazu gilt es, bestehende Gesetze, Verordnungen und andere Vorgaben des Landes regelmäßig auf die Möglichkeit der Reduzierung von Dokumentationspflichten zu überprüfen.

    Wie stehen Sie zu anlassunabhängigen, regelmäßigen Kontrollen des Arbeitszeitgesetzes im ärztlichen Dienst in den niedersächsischen Krankenhäusern?

    SPD: Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz bzw. gegen die tarifvertraglich festgelegten Arbeitszeitobergrenzen sollten geahndet werden, insbesondere dann, wenn sie systematisch erfolgen. Regelmäßige Kontrollen halten wir daher alleine aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes und der Patientensicherheit für richtig.

    CDU: Die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes ist nicht nur wichtig, um eine Überlastung des ärztlichen (und pflegerischen) Personals in den Kliniken zu verhindern, sondern dient natürlich auch dem Patientenschutz. Daher werden wir die Gewerbeaufsichtsämter damit beauftragen, die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes in den niedersächsischen Krankenhäusern zu kontrollieren und Verstöße zu sanktionieren.

    Die Grünen: Gute Arbeitsbedingungen und regelmäßige Pausen- und Erholungszeiten für Beschäftigte sollten im Interesse aller Krankenhäuser sein. Wichtig sind daher Organisationsstrukturen, die insbesondere die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes im kaum planbaren Klinikalltag dennoch verlässlich ermöglichen. Dabei sind insbesondere auch die Betriebsräte vor Ort gefragt. Bei Hinweisen auf wiederholte Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz sind auch Kontrollen durch die Gewerbeaufsicht denkbar.

    FDP: Wir stehen zum Arbeitszeitgesetz und seine Einhaltung sollte auch in Krankenhäusern eine Selbstverständlichkeit sein. Da dies aber zumindest fraglich ist, stehen wir der Forderung, die Einhaltung in den Krankenhäusern regelmäßig zu überprüfen (und festgestellte Verstöße nach dem Arbeitszeitgesetz zu ahnden) positiv gegenüber.

    Um die Arbeitssituation der Beschäftigten zu verbessern und die Sicherheit der Patient*innen zu erhöhen, ist eine adäquate und refinanzierte personelle Ausstattung in der stationären Versorgung notwendig. Wie müsste aus Ihrer Sicht eine ärztliche Personalbemessung im Krankenhaus aussehen?

    SPD: Wie in der pflegerischen Versorgung stellen auch die Arbeitsverdichtung und der Personalmangel im ärztlichen Bereich zunehmende Herausforderungen bei der Sicherstellung der medizinischen Versorgung dar. Verbindliche Personalvorgaben und eine gute Personalplanung können die Arbeitsbedingungen in Krankenhäusern verbessern und dem zunehmenden Mangel von Ärztinnen und Ärzten entgegenwirken. Instrumente der Personalbemessung, die sich am tatsächlichen Leistungsbedarf orientieren, sind aus unserer Sicht ein geeignetes Mittel, um die Arbeitssituation der Beschäftigten zu verbessern und die Sicherheit der Patientinnen und Patienten zu erhöhen. Die konkrete Ausgestaltung kann aber nur im Austausch mit und zwischen den Fachgesellschaften und Berufsverbänden erfolgen.

    CDU: Die Definition von Personaluntergrenzen obliegt dem Bundesgesetzgeber. Seit 2021 werden bundesrechtlich Personaluntergrenzen angewendet für die Bereiche Allgemein- und Unfallchirurgie, Herzchirurgie, Innere Medizin und Kardiologie, Intensivmedizin und pädiatrische Intensivmedizin, Geriatrie, Neurologie, Neurologische Frührehabilitation, Neurologische Schlaganfalleinheit und Pädiatrie. Ob darüberhinausgehende landesgesetzliche Regelungen erforderlich sind, werden wir prüfen.

    Die Grünen: Eine verbindliche Personalbemessung ist insbesondere für die Pflege dringend erforderlich. Krankenhausgesellschaft, Gewerkschaften und Pflegeverbände haben sich hier mit PPR 2.0 auf ein einfach umsetzbares System verständigt, dass von allen Beteiligten mitgetragen wird. Auch eine Personalbemessung für den ärztlichen Dienst sollte idealerweise mit allen handelnden Akteur*innen abgestimmt sein und auf Grundlage vorhandener Dokumentationssysteme erfolgen.

    FDP: Wir setzen uns für eine bedarfsgerechte Versorgung ein. Die ärztliche Versorgung muss sich am Bedarf der Menschen orientieren. Was hier im Einzelnen notwendig ist, können wir aber nicht am grünen Tisch entscheiden, da der Bedarf von Haus zu Haus und von Station zu Station unterschiedlich sein kann. Klar ist für uns aber, dass Tarifsteigerungen und eine verbesserte Personalausstattung voll refinanziert werden müssen.

    Viele ärztliche Stellen im Öffentlichen Gesundheitsdienst sind nicht besetzt. Das liegt unter anderem daran, dass Fachärzt*innen im ÖGD derzeit rund 1500 Euro pro Monat weniger Gehalt bekommen als beispielsweise Ärzt*innen an kommunalen Kliniken. Unterstützen Sie die Forderung des Marburger Bundes nach einem eigenen Tarifvertrag für die Ärzt*innen im Öffentlichen Gesundheitsdienst?

    SPD: In den niedersächsischen Gesundheitsämtern tragen die Beschäftigten nach wie vor mit hohem persönlichem Engagement dazu bei, dass es wegen der Corona-Pandemie nicht zu einer Überlastung des Gesundheitssystems kommt.

    Gleichwohl wird aber deutlich, wie dringend die nachhaltige Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes und eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen auch hier geboten ist.

    Der Pakt zwischen Bund und Ländern für den Öffentlichen Gesundheitsdienst hat bereits wichtige Weichen gestellt. Die Personalaufstockung werden wir auf allen Ebenen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes auch weiterhin in Niedersachsen umsetzen und die digitale und technische Modernisierung vorantreiben. Die Forderung nach einem eigenen Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte im ÖGD unterstützen wir.

    CDU: Wir unterstützen die Wiedereinführung eines einheitlichen Ärztetarifs bzw. einer arztspezifischen tariflichen und besoldungsrechtlichen Regelung für angestellte und beamtete Ärztinnen und Ärzte im ÖGD durch die zuständigen Akteure.

    Die Grünen: Mit der unterschiedlichen Bezahlung von Ärzt*innen in Kliniken und im ÖGD hat sich auch die Enquete-Kommission des Niedersächsischen Landtages zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung beschäftigt und fraktionsübergreifend die Wiedereinführung eines einheitlichen Ärztetarifes oder einer arztspezifischen tariflichen und besoldungsrechtlichen Regelung für angestellte und beamtete Ärzt*innen im ÖGD empfohlen.

    FDP: Ja. Wir teilen die Auffassung, dass die ärztliche Tätigkeit im ÖGD besser bezahlt werden sollte und fordern einen eigenen Tarif.

    Fachkräftemangel

    Der Mangel an ärztlichen Fachkräften in den Krankenhäusern, im Öffentlichen Gesundheitsdienst und in der ambulanten Versorgung wird nicht nur für die Kolleg*innen, sondern zunehmend auch für die Gesellschaft zum Problem. Mit welchen Strategien wollen Sie dem zunehmenden ärztlichen Fachkräftemangel in Niedersachsen begegnen?

    SPD: Für eine flächendeckende Sicherstellung und eine weitere Optimierung der Versorgungsqualität ist es gerade vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels unerlässlich, neben der Stärkung der Nachwuchsgewinnung (siehe Antwort zu 1.) vorhandene Ressourcen effizienter zu nutzen und Ärztinnen und Ärzte zu entlasten. Wir werden uns außerdem für eine bessere Verteilung von Ärztinnen und Ärzten einsetzen, sodass es insbesondere in ländlichen Gebieten nicht zu einer Unterversorgung kommt. Wesentliche Grundlagen einer bedarfsgerechten und zukunftsfähigen Versorgung sind aus unserer Sicht zudem Verbesserungen der gegenwärtigen Rahmenbedingungen in der Ausbildung sowie in der Weiterbildung von Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmedizinern an Krankenhäusern. Dazu zählt u. a. die weitere Umsetzung des „Masterplans Medizinstudium“.

    CDU: Egal ob in der Stadt oder im ländlichen Raum – alle Bürgerinnen und Bürger in Niedersachsen sollen eine hochwertige Gesundheitsversorgung in ihrer Nähe haben. Eine flächendeckende Gesundheitsversorgung ist daher unerlässlich für ein funktionierendes Gesundheitssystem. Die Realität sieht allerdings leider in einigen Flächen anders aus, da dort Ärztinnen und Ärzte fehlen. Mit Förderprogrammen für den ärztlichen Nachwuchs, zusätzlichen Studienplätzen für Humanmedizin sowie den Zugang zum Medizinstudium durch eine Kombination aus Numerus clausus, Vorerfahrungen und Medizinertest wollen wir mehr Fachkräfte gewinnen. Unser Fokus liegt auf einer gleichmäßigen und ausgewogenen Verteilung der ärztlichen Versorgung in unserem Bundesland. Daher werden wir Anreize schaffen, um junge Ärztinnen und Ärzte zu einer Niederlassung in unterversorgten Bereichen zu bewegen. Wir setzen uns für eine weitere Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes ein und werden ein Programm zur Gewinnung von Fachkräften auflegen.

    Die Grünen: Um dem Mangel bei Ärzt*innen zu begegnen, wollen wir einerseits mehr Ärzt*innen ausbilden bzw. qualifizieren. Dazu wollen wir 200 zusätzliche Medizin-Studienplätze schaffen und die Anerkennung ausländischer Abschlüsse vereinfachen bzw. dafür notwendige Qualifikationen anbieten. Auf der anderen Seite wollen wir ärztliche Tätigkeiten an anderen Berufsgruppen delegieren oder substituieren, z.B. an entsprechend qualifiziertes Pflegepersonal, Community Health Nurses, Physician Assistants und andere. Die Telemedizin bietet zudem die Möglichkeit, Versorgungslücken im ländlichen Raum oder bei spezieller Expertise zu schließen.

    FDP: Abgesehen von unserer Forderung, die Anzahl der Studienplätze zu erhöhen und unserem Engagement für einen deutlichen Bürokratieabbau setzen wir uns auch für die Übernahme von ärztlichen Tätigkeiten durch erfahrenes Pflegepersonal ein. Wir wollen diese Kompetenzen dauerhaft und rechtssicher bei den Pflegefachkräften verankern. Die Substitution und Delegation von definierten ärztlichen Leistungen an Pflegefachkräfte, vor allem mit akademischer Ausbildung, soll unter sicheren Rechts- und Haftungsverhältnissen ermöglicht werden. Damit tragen wir der Situation im Arbeitsalltag Rechnung und werten den Beruf auf.

    Strukturen und Finanzierung

    Die Strukturen der Krankenhausversorgung müssen stärker auf Kooperation, Vernetzung und Bedarfsgerechtigkeit (flächendeckende Grundversorgung und Spezialisierung) ausgerichtet werden. Wie soll aus Ihrer Sicht eine flächendeckende Krankenhausversorgung in Zukunft in Niedersachsen sichergestellt werden?

    SPD: Mit der Neufassung des niedersächsischen Krankenhausgesetzes haben wir im Juni das bundesweit modernste Krankenhausgesetz verabschiedet und die Weichen für die Zukunft gestellt. Als erstes Bundesland wollen wir auf dieser Grundlage eine umfangreiche Strukturreform im Krankenhaussektor vollziehen, die eine flächendeckende Versorgung langfristig sichern und eine bessere Verteilung von medizinischem und pflegerischem Personal gewährleisten soll. Zentrale Elemente der Reform sind eine neue Krankenhausplanung, die Einführung einer neuen Versorgungsstruktur sowie die stärkere Konzentration hochspezialisierter Leistungen.

    CDU:  Für uns ist es von besonderer Bedeutung, dass eine herausragende flächendeckende Gesundheitsversorgung den Bürgerinnen und Bürgern in Niedersachsen zur Verfügung steht. Daher muss eine gute Notfall-, Grund- und Regelversorgung innerhalb von 30 Minuten erreichbar sein. Damit wir eine gute Versorgungsqualität steigern und eine verlässliche Grundversorgung flächendeckend gewährleisten können, werden wir weiter in die Krankenhausstruktur investieren. Die Behandlungen schwerer Erkrankungen werden wir an großen Zentren der Schwerpunkt- und Maximalversorgung konzentrieren, um ein höchstmögliches Maß an Qualität gewährleisten zu können. Die Kliniken der Rehabilitationsmedizin werden nachhaltig gestärkt und dabei die Bedarfe im Bereich Long Covid angemessen berücksichtigt. Bei der Bauplanung von Krankenhäusern werden pandemische Lagen stärker berücksichtigt. Außerdem werden wir Notfallkonzepte für eine stufenweise Öffnung stationärer Reserveeinrichtungen erarbeiten.

    Die Grünen: Die Krankenhauslandschaft in Niedersachsen befindet sich längst im Wandel: hin zu einer Grundversorgung in der Fläche und spezialisierten Zentren in großen Kliniken. Diesen Wandel wollen wir mit einer vorausschauenden, an der Behandlungsqualität orientierten Krankenhausplanung zukunftsfähig gestalten. In mindestens acht Versorgungsregionen wollen wir für ein Angebot mit differenzierten Versorgungsstufen sorgen. In jeder Versorgungsregion soll es neben den Krankenhäusern der Grund- und Regelversorgung mindestens ein Krankenhaus der Schwerpunktversorgung geben. Krankenhäuser der Maximalversorgung und Hochschulkliniken ergänzen das medizinische Angebot. Unser Ziel ist, eine zeitgemäße, qualitätsorientierte und sektorenübergreifende Gesamtversorgungsplanung über alle Versorgungsbereiche auf den Weg zu bringen und regionale integrierte Gesundheitszentren in die Krankenhausplanung aufzunehmen und zu fördern.

    FDP: Wir setzen uns dafür ein, dass jede Patientin und jeder Patient die beste Versorgung erhält. Dafür muss die Gesundheitsversorgung künftig umfassend, regional und patientenzentriert gedacht werden. Wir wollen die künstliche Sektorenbarriere zwischen dem ambulanten und dem stationären Versorgungsbereich konsequent abbauen und die Verzahnung und Vernetzung aller Versorgungsbereiche weiterentwickeln. Integrierte Gesundheitszentren sollen dabei unterstützen, die regionale Grundversorgung mit ambulanten und kurzstationären Behandlungen zu sichern. Vor diesem Hintergrund teilen wir Ihre Ansicht, dass die Strukturen der Krankenhausversorgung stärker auf Kooperation, Vernetzung und Bedarfsgerechtigkeit (flächendeckende Grundversorgung und Spezialisierung) ausgerichtet werden müssen. Hierzu ist unserer Ansicht nach mit dem neuen Niedersächsischen Krankenhausgesetz ein guter Anfang gemacht worden, um eine flächendeckende Krankenhausversorgung auch in Zukunft in Niedersachsen sicherzustellen.

    Setzen Sie sich in der nächsten Legislaturperiode dafür ein, dass die Investitionskostenfinanzierung des Landes deutlich erhöht wird?

    SPD: Die Enquetekommission zur medizinischen Versorgung hat klare Vorschläge für die zukünftige Finanzierung des mittlerweile stark angewachsenen Investitionsbedarfs der niedersächsischen Krankenhäuser unterbreitet. Bereits in der laufenden Wahlperiode haben wir uns für eine deutliche Steigerung der Investitionsmittel eingesetzt, was zu einer deutlichen Erhöhung in der mittelfristigen Finanzplanung auf bis zu 240 Millionen Euro pro Jahr geführt hat. Unabhängig davon haben wir schon im Rahmen der diesjährigen Haushaltsberatungen einen Innovationsfonds vorgeschlagen, der in der aktuellen Koalition auf Landesebene allerdings nicht mehrheitsfähig war. Die SPD hat daraufhin in ihrem Wahlprogramm einen Niedersachsenfonds aufgenommen, der auch weitere, umfangreiche Investitionsmittel für die Krankenhausstrukturen bereitstellen soll

    CDU: Die gute stationäre Versorgung unserer Bürgerinnen und Bürger in Niedersachsen hat für uns große Bedeutung. Sie muss stetig ausgebaut werden. Ob in Notsituationen oder bei der Regelversorgung, die Krankenhäuser spielen als gesundheitliche Kompetenzzentren eine zentrale Rolle innerhalb der medizinischen Versorgung. Daher werden wir die notwendigen Investitionsmittel für den strukturellen Umbau der Krankenhäuser schrittweise auf 8 Prozent der Gesamterlöse der stationären Leistung erhöhen. Im gleichen Zug werden wir in unsere Krankenhausstruktur investieren, um durch die Einführung von Versorgungsstufen die Versorgungsqualität weiter zu steigern und eine verlässliche Grundversorgung flächendeckend sicherzustellen.

    Die Grünen: Der Investitionsstau der niedersächsischen Krankenhäuser ist auf mittlerweile mehr als 2 Milliarden Euro angewachsen. Solange dieser Investitionsstau nicht angegangen wird, werden die Krankenhäuser sich weiter gezwungen sehen, Gelder, die eigentlich für die Versorgung von Patienten*innen vorgesehen sind, zweckentfremdet für betriebsnotwendige Investitionen einzusetzen. Diesem Zustand wollen wir ein Ende bereiten: Durch einen Investitionsschub über den Niedersachsenfonds, ergänzt um eine Erhöhung der jährlichen Investitionsförderung, eine regelmäßige Anpassung an Baukostensteigerungen und eine Verdoppelung der Pauschalförderung, wollen wir die chronische Unterfinanzierung in unseren Krankenhäusern mittelfristig beenden.

    FDP: Wir wollen die Investitionskostenfinanzierung des Landes erhöhen – das alleine wird aber unserer Ansicht nach nicht ausreichen. Wir wollen den Investitionsstau des Landes in allen Bereichen auflösen. Eines unserer Kernprojekte ist daher ein Drei-Säulen-Modell für eine neue Investitionsdekade. Als erste Säule einer neuen Investitionsdekade wollen wir für die Modernisierung des Landes gezielt staatliche Mittel bündeln und gleichzeitig auf privates Kapital setzen. Dafür wollen wir Modernisierungspartnerschaften im Rahmen von standardisierten Öffentlich-Privaten-Partnerschaften (ÖPP) auf den Weg bringen, die durch engmaschige parlamentarische und gesellschaftliche Kontrolle nicht nur finanzielle, sondern vor allem auch qualitative und zeitliche Vorteile sowie Effizienzgewinne bei Herstellung und Betrieb erzielen können. Wir wollen dafür ein Kompetenzzentrum ÖPP aufbauen, das alle relevanten Risiken und Chancen evaluiert und geeignete Projekte im Sinne des Landes und der Bürgerinnen und Bürger begleitet und gestaltet. Als zweite Säule wollen wir die NBank von einer klassischen Förderbank zu einer Investitionsagentur weiterentwickeln. Durch die Vergabe von Darlehen am Kapitalmarkt mit Förderleistungen des Landes, die in Form von Zinsvergünstigungen, Tilgungsnachlässen oder Garantien fließen können, besteht die Möglichkeit, neue Handlungsfelder zu erschließen. Diese können (auch) im Bereich Krankenhausinvestitionen liegen und Potenziale für noch mehr Investitionen schaffen. Die dritte Säule besteht in der Schaffung eines Sondervermögens zur Modernisierung der Landesliegenschaften. Dieses wollen wir mit jährlich 100 Millionen Euro ausstatten.

    Digitalisierung

    Wie wollen Sie die Digitalisierung im Gesundheitswesen voranbringen?

    SPD: Die Digitalisierung des Gesundheitswesens bietet große Chancen, die Gesundheitsversorgung insgesamt zu verbessern und die Versorgungsqualität für viele Patientinnen und Patienten zu erhöhen. Die SPD-geführte Landesregierung hat bereits in der aktuellen Wahlperiode landesspezifische Schwerpunkte gesetzt. Hierzu zählen u. a. Modellprojekte im Rahmen des „Masterplans Digitalisierung“ und gezielte regionale Initiativen mit lokaler Verankerung.

    In der kommenden Wahlperiode gilt es, die Digitalisierungsmittel aus dem Krankenhauszukunftsprogramm zielgerichteter und unbürokratischer für die Digitalisierung von Krankenhäusern einzusetzen. Ziel muss eine zeitnahe, modernere und bessere Ausstattung der Krankenhäuser sein. Hierzu zählen sowohl moderne Notfallkapazitäten als auch eine bessere digitale Infrastruktur. Ebenso unterstützen wir Investitionen in die IT- und Cybersicherheit des Gesundheitswesens.

    Wir werden darüber hinaus disziplinübergreifend Digitalisierungsprojekte fördern – etwa bei ambulanten Pflegediensten für die Einführung elektronischer Pflegedokumentationen, elektronische Tourenplanung und, wo möglich, Telearbeit und Telepflege. An dieser Stelle ist insbesondere das Projekt IVENA zur Verbesserung der Versorgung von Notfallpatientinnen und Notfallpatienten hervorzuheben.

    Digitale Lösungen für das Patientendatenmanagement, innovative Technologien für die Gesundheitsversorgung und deren Etablierung in der Regelversorgung werden wir unterstützen. Dazu zählen die flächendeckende Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) sowie das eRezept und der Ausbau von Telemedizin.

    CDU: Die Digitalisierung bietet für das Gesundheitswesen viele Chancen. Für viele Patientinnen und Patienten kann die Digitalisierung dazu beitragen, die Versorgungsqualität insgesamt deutlich zu verbessern. Durch neue technische Voraussetzungen können Informationen schneller und über weite Distanzen zwischen den Versorgungssektoren und den medizinischen Professionen ausgetauscht werden, um schnell und adäquat zu helfen. Daher werden wir mit allen Akteuren – Krankenkassen, Politik und Leistungserbringern – ein umfassendes Konzept der digitalen Gesundheitsversorgung für Niedersachsen erarbeiten und umsetzen und insbesondere telemedizinische Fernbehandlungen anwenden und fördern. Zudem werden wir die finanziellen Bedarfe der Krankenhäuser stärker berücksichtigen, um den Anforderungen der digitalen und personalisierten Medizin gerecht zu werden. Im Zuge dessen ist das Krankenhauszukunftsgesetz anzupassen, damit die Förderung für die digitale Ausstattung der Krankenhäuser ausreicht, um dessen Leistungsfähigkeit zu gewährleisten.

    Die Grünen: Wir wollen dafür sorgen, dass die Digitalisierung nicht am Gesundheitswesen vorbeigeht. Die Corona-Pandemie hat aufgezeigt, dass Deutschland einen großen Rückstand in der Digitalisierung im Gesundheitswesen aufzuweisen hat. Prozesse im Öffentlichen Gesundheitsdienst müssen überarbeitet und – wo sinnvoll – weiter digitalisiert werden, auch im Rahmen der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes. Niedersachsen bietet durch leistungsfähige hochschulinterne und -externe Institute eine gute Basis für die medizinische Forschung – und gleichzeitig nutzen wir noch nicht unser gesamtes Potential. Die Chancen der Digitalisierung – ob Robotik, Telemedizin, die elektronische Patientenakte oder Ambient Assisted Living – wollen wir gezielt fördern, um das Gesundheitssystem zukunftsfähig zu machen. Wir wollen eine zukunftsfähige Infrastruktur fördern, die Patient*innendaten sicher, zuverlässig, datenschutzkonform und bedarfsgerecht verfügbar macht und so zur Verbesserung der Versorgung beitragen. Die ärztliche Schweigepflicht und das Patient*innengeheimnis müssen dabei auch für digitalisierte Gesundheitsdaten jederzeit gewährt bleiben.

    Antwort FDP: Wir wollen die Digitalisierung durch klare und transparente Rahmenbedingungen voranbringen. Dazu benötigen wir offene Standards, Interoperabilität und Datensicherheit. Dabei ist der medizinische Nutzen digitaler Anwendungen zu prüfen, die technische Funktionsfähigkeit durch ausgedehnte Feldtests sicherzustellen und Anreize für die freiwillige Nutzung digitaler Infrastrukturen zu verstärken.

    Weitere Ideen

    Zum Abschluss möchten wir gern noch wissen, welche weiteren Ideen Sie für ein modernes Gesundheitssystem in Niedersachsen haben.

    Antwort SPD: Das Gesundheitswesen steht in den kommenden Jahren auch in Niedersachsen vor vielfältigen Herausforderungen. Schwerpunkte unserer gesundheitspolitischen Agenda werden daher insbesondere die Weiterentwicklung der niedersächsischen Krankenhauslandschaft im Sinne des neugefassten Niedersächsischen Krankenhausgesetzes, die Sicherstellung der medizinischen Versorgung in ländlichen Gebieten sowie die Gestaltung einer sektorenübergreifenden Gesundheitsversorgung sein. Zahlreiche Maßnahmen haben wir bereits in dieser Legislatur auf den Weg gebracht. Wir orientieren uns auch in den nächsten Jahren eng an den Handlungsempfehlungen der Enquetekommission zur medizinischen Versorgung in Niedersachsen.

    Antwort CDU: Durch die systematische Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgungsstrukturen wollen wir das bürgernahe, leistungsfähige und dezentrale niedersächsische Gesundheitswesen für alle Menschen weiter verbessern. Für uns ist es dabei besonders wichtig, die Gesundheitsversorgung flächendeckend zu betrachten, da vor allem in Notfällen ein schnelles und professionelles Handeln aller Akteure von besonderer Wichtigkeit ist. Dabei können auch neue Akteure wie z. B. der Gemeindenotfallsanitäter oder die Gemeindeschwester in der Patientenversorgung zum Einsatz kommen.

    Antwort Die Grünen: Unser Ziel ist eine bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung für alle – in der Stadt und auf dem Land. Mehr Zusammenarbeit zwischen den Gesundheitsberufen und bessere Arbeitsbedingungen sind dazu wichtige Instrumente. Wir wollen, dass Gemeindeschwestern und Gesundheitslotsen zukünftig direkt bei den Menschen vor Ort unterstützen und beraten. Den Ausbau von Gesundheitszentren als Ankerpunkte der gesundheitlichen Versorgung auf dem Land mit eigenen Vergütungsstrukturen wollen wir unterstützen und Gesundheitsregionen, in denen alle Gesundheitsberufe Hand in Hand an einer besseren Gesundheitsversorgung vor Ort mitwirken, attraktiver machen. Auch die Notfallversorgung wollen wir reformieren und integrierte Notfallzentren schaffen. In der Geburtshilfe und in der Pflege setzen wir uns für eine deutlich bessere Personalausstattung ein. Die Wartezeiten für psychisch kranke Menschen wollen wir verkürzen. Mit einer Ausbildungsoffensive wollen wir dem Fachkräftemangel begegnen, von dem nahezu alle Gesundheitsberufe betroffen sind.

    Antwort FDP: Wir wollen die Notfallversorgung in Niedersachsen unter Einbeziehung von Portalpraxen zu einem digital vernetzten und integrierten Notfallleitsystem ausbauen. Hierdurch kann eine bedarfsgerechte, ressourcenschonende Inanspruchnahme der verschiedenen Leistungserbringer erreicht werden. Wir wollen, dass die Rufnummern 112 und 116 117 auch weiterhin getrennt gehalten werden. Zeitgleich ist die Bevölkerung verstärkt über die Unterschiede aufzuklären. Für die 112 und 110 soll zudem die Möglichkeit einer Nothilfe-SMS eingeführt werden. Darüber hinaus wollen wir auch die Finanzierung modernisieren und setzen uns dafür ein, gemeinsam mit Vertretern der stationären Versorgung und der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung das DRG-Abrechnungssystem zu entbürokratisieren, ohne neue Fehlanreize zu setzen. Zudem wollen wir prüfen, welche alternativen Finanzierungsmodelle zur Krankenhausfinanzierung genutzt werden können. Der Fokus soll dabei auf Modellen liegen, die dazu führen, dass die mangelnde Investitionsfinanzierung in den Krankenhäusern abgebaut und die Versorgung der Patienten verbessert wird.

    Unter Verwendung eines Fotos von www.pixelio.de.