
„Die Ergebnisse sind alarmierend“, betont Hans Martin Wollenberg, Erster Vorsitzender des Marburger Bundes Niedersachsen. „Nur 2 Prozent der Befragten berichten von einer wirklich manipulationsfreien, elektronischen Zeiterfassung. Der Großteil dokumentiert die Arbeitszeit lediglich in digitalen Dienstplanprogrammen – ohne echte Kontrolle, ohne Transparenz.“
Geleistete Mehrarbeit fällt unter den Tisch
Ein zentrales Ergebnis: Überstunden werden häufig nicht oder nur teilweise erfasst – oder erst gar nicht anerkannt. An der MHH gaben 27 Prozent der Ärzt*innen an, dass trotz Meldung geleistete Stunden unberücksichtigt bleiben. An der UMG sind es sogar 40 Prozent.

43 Prozent der MHH-Teilnehmenden teilten mit, dass pro Woche zwischen 1 und 10 Stunden nicht erfasst und somit nicht berücksichtigt werden. An der UMG liegt der Wert sogar bei 51 Prozent. Bei 5 Prozent (Göttingen) bzw. 7 Prozent (Hannover) werden darüber hinaus mehr als 10 Überstunden die Woche nicht erfasst.

Die Mehrarbeit und inkorrekte Zeiterfassung schlägt sich auf die Gesundheit und das Privatleben der Beschäftigten nieder: 69 Prozent der Göttinger Befragten und 58 Prozent der Teilnehmenden aus Hannover beklagen verringerte Erholungszeiten. An der UMG geben 60 Prozent an, dass die Work-Life-Balance bzw. soziale Teilhabe leidet, an der MHH sind es 57 Prozent. Größere Erschöpfung und Burnout-Gefahr nennen 49 Prozent der Teilnehmenden an der UMG und 39 Prozent an der MHH. Auch die sinkende Motivation (UMG: 53 Prozent, MHH: 39 Prozent) sowie finanzielle Nachteile (UMG: 45 Prozent, MHH: 48 Prozent) spielen eine Rolle. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sehen jeweils 48 Prozent als beeinträchtigt an. Lediglich 15 Prozent der Befragten an der UMG und 21 Prozent an der MHH geben an, keine Auswirkungen zu spüren.

„Die Rückmeldungen zeigen: Es handelt sich nicht um Einzelfälle, sondern um ein strukturelles Versagen“, so Andreas Hammerschmidt, Zweiter Vorsitzender des Marburger Bundes Niedersachsen. „Die Kolleginnen und Kollegen haben das Gefühl, rechtlos Überstunden leisten zu müssen, ohne dass diese anerkannt, vergütet oder ausgeglichen werden.“
Kritik an Praxis und Struktur
Besonders häufig kritisiert wurde, dass die vorhandenen elektronischen Zeiterfassungssysteme für das ärztliche Personal nicht freigeschaltet sind – obwohl sie von anderen Berufsgruppen in der Klinik längst genutzt werden. Außerdem bemängeln viele Ärzt*innen die automatischen Pausenabzüge, auch wenn keine Pause möglich war.
„Die Zeiterfassung muss die Realität abbilden. Wir brauchen eine manipulationsfreie, elektronische Zeiterfassung per Zeiterfassungsterminal oder Stechuhr-Prinzip – ohne Wenn und Aber. So wie es im Tarifvertrag festgelegt ist“, fordert Wollenberg.
Forderungen des Marburger Bundes Niedersachsen:
- Unverzügliche Umsetzung der tariflichen Verpflichtungen zur elektronischen Zeiterfassung (TV-Ärzte/TdL)
- Einführung eines manipulationsfreien Systems, z. B. nach dem Stechuhr-Prinzip
- Anerkennung aller geleisteten Stunden – auch bei unvorhersehbaren Ereignissen wie Notfällen
- Keine willkürliche Genehmigungspraxis durch Vorgesetzte
„Wenn Kliniken die tatsächliche Arbeitszeit nicht erfassen, untergraben sie Tarifverträge und gefährden die Gesundheit der Beschäftigten und damit auch der Patient*innen. Eine tarifkonforme und somit vollständige elektronische und manipulationsfreie Zeiterfassung ist längst überfällig – alles andere ist nicht akzeptabel“, stellt Hammerschmidt klar.
Fotos
Fotos der Vorsitzenden stellen wir Ihnen in druckfähiger Auflösung gern bereit.
Service
Die Gesamtauswertung der bundesweiten Umfrage-Ergebnisse und weitere Informationen finden Sie unter www.marburger-bund.de/arbeitszeitenwende
Die Umfrage fand in der Zeit vom 31. März bis zum 23. April 2025 statt.