• Leben retten darf nicht strafbar sein

    Pressemitteilung
    Verfassungsbeschwerde Marburger Bund
    14.Dezember 2023
    Hannover
    Fachärzt*innen der Intensiv- und Notfallmedizin haben mit Unterstützung des Marburger Bundes am 12. Dezember Verfassungsbeschwerde gegen die sogenannte Triage-Regelung im Infektionsschutzgesetz eingereicht.

    Sie sehen ihr Grundrecht der Berufsfreiheit und das der Gewissensfreiheit verletzt und wenden sich insbesondere gegen den Kriterienkatalog für eine Zuteilungsentscheidung über intensivmedizinische Behandlungskapazitäten sowie das grundsätzliche Verbot der sogenannten Ex-Post-Triage.

    Zu den 14 Beschwerde führenden Personen in Karlsruhe gehören auch zwei Ärzt*innen aus Niedersachsen.
    Ärzt*innen des Marburger Bundes legen Verfassungsbeschwerde gegen Triage-Regelung im Infektionsschutzgesetz ein.
    Ärzt*innen des Marburger Bundes legen Verfassungsbeschwerde gegen Triage-Regelung im Infektionsschutzgesetz ein.

    Andreas Hammerschmidt berichtet: „Als Notarzt gehören knappe Intensivbetten und lange Fahrzeiten bis zur nächsten aufnahmefähigen Klinik zu meinem Alltag. In einer Extremsituation verschlimmert sich die Verknappung der Intensivbetten, wenn Ressourcen nicht nach den medizinisch besten und geeignetsten Kriterien verteilt werden können. Das Verbot der Ex-Post-Triage führt genau dazu.

    Ich kann es als Arzt mit meinem Gewissen nicht vereinbaren, dass ich Menschen, die die besten Überlebenschancen haben, in der Notaufnahme nicht helfen darf, weil Intensivbetten anderweitig vergeben sind.

    Patient*innen weit ‚weg zu verlegen‘, obwohl sie möglicherweise gar nicht transportfähig sind, widerspricht jeglichen medizinischen Grundsätzen.“

    Andreas Hammerschmidt ist Notfallmediziner und Leitender Notarzt. Er ist Oberarzt in einer Zentralen Notaufnahme in Schaumburg und war während der Coronapandemie präklinisch als Notarzt tätig. Hammerschmidt ist Zweiter Vorsitzender des Marburger Bundes Niedersachsen.


    Petra Werner verdeutlicht: „Im Verlauf der Coronapandemie wurde in meinem Krankenhaus eine neue, hochmoderne Intensivstation mit integrierten Isolationseinheiten fertiggestellt. Trotz der hervorragenden Ausstattung kann ich nicht ausschließen, dass wir in einer erneuten Ressourcenmangelsituation, wie einer erneuten Pandemie, an klare Grenzen stoßen.

    Täglich sind Intensivstationen nicht mehr in der Lage, neue Patient*innen zu versorgen und darum zeitweise ‚abgemeldet‘. Das führt in der zuführenden Rettungsmedizin und den Notaufnahmen oft zu Extremsituationen. Wenn uns bei fehlenden Alternativoptionen die Option der Ex-Post-Triage gesetzlich untersagt ist, werden Patient*innen mit sehr guten, guten oder mindestens besseren Überlebenschancen sterben, da die vorhandenen Intensivbetten bereits belegt sind.

    Es ist medizinisch und menschlich unverständlich, dass knappe Ressourcen nicht nach medizinischen Kriterien und einer fundierten Chancenbewertung zugeteilt werden dürfen. In einem dynamischen Geschehen müssen dynamische Entscheidungen erlaubt sein. Im Interesse vieler Mitarbeiter*innen des Gesundheitswesens und vieler Patient*innen kann ich dieses Verbot nicht widerspruchslos hinnehmen. Es kann doch nicht sein, dass ich mich strafbar mache, wenn ich Leben rette.“ 

    Petra Werner ist Intensivmedizinerin und Notärztin in Goslar. Die Anästhesistin arbeitet im OP und auf der Intensivstation. Während der COVID-Pandemie war sie und ist auch heute noch als Oberärztin tätig.
     

    Fotos

    Ein Pressefoto unseres Zweiten Vorsitzenden Andreas Hammerschmidt finden Sie in druckfähiger Auflösung hier.