• Verlässliche Ruhezeiten, weniger Belastung und 5,5 Prozent mehr Gehalt

    Pressemitteilung
    Forderungen des Marburger Bundes in der Tarifrunde für Ärztinnen und Ärzte in kommunalen Krankenhäusern (TV-Ärzte/VKA)
    22.September 2021
    Der Marburger Bund will Kliniken stärker in die Pflicht nehmen, Grenzen für Dienste außerhalb der Regelarbeitszeit einzuhalten. Dadurch will die Ärztegewerkschaft erreichen, dass zustehende Ruhezeiten von Ärztinnen und Ärzten auch tatsächlich gewährt werden. Überschreitungen von Höchstgrenzen sollen nur im Notfall möglich sein, fordert der Marburger Bund in den anstehenden Tarifverhandlungen mit der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA).

    Die erste Verhandlungsrunde zwischen Marburger Bund und VKA wird am 14. Oktober in Berlin stattfinden. Der zu verhandelnde Tarifvertrag gilt für rund 55.000 Ärztinnen und Ärzte in mehr als 500 kommunalen Krankenhäusern. Für die kommunalen Kliniken in Berlin existiert ein eigener Ärztetarifvertrag. Der Marburger Bund fordert neben Verbesserungen bei den Bereitschaftsdiensten und Rufbereitschaften eine lineare Gehaltserhöhung von 5,5 Prozent ab 1. Oktober 2021 bei einer Laufzeit von einem Jahr.

    Seit 1. Januar 2020 haben Ärztinnen und Ärzte in kommunalen Krankenhäusern einen Anspruch auf mindestens zwei arbeitsfreie Wochenenden im Monat (Freitag ab 21 Uhr bis Montag 5 Uhr) im Durchschnitt eines Kalenderhalbjahres. In dieser Zeit ist grundsätzlich weder regelmäßige Arbeit noch Bereitschafts- oder Rufbereitschaft zu leisten. Darüberhinausgehende Arbeitsleistungen sind nur zu erbringen, wenn andernfalls eine Gefährdung der Patientensicherheit droht. Die gleiche Ausnahme von der Regel gibt es auch bei der Begrenzung auf vier Bereitschaftsdienste im Monat.

    „Wir haben lernen müssen, dass unter ‚Gefährdung der Patientensicherheit‘ sehr unterschiedliche Sachverhalte verstanden werden. Fast kann man den Eindruck haben, dass die Arbeitgeber schon die bloße Einhaltung arbeitszeitgesetzlicher Vorschriften als Gefährdung der Patientensicherheit betrachten. Deshalb müssen wir nun im Interesse unserer Mitglieder und vor allem auch im Interesse der Patienten die Grenzen des Zulässigen noch klarer definieren. Die Regelungen werden dadurch klarer, transparenter und leichter handhabbar. Unsere Mitglieder erwarten, dass sie ihre tarifvertraglichen Ansprüche besser verwirklichen können, ohne dass sie ihren Ansprüchen Nachdruck verleihen oder sie sogar auf dem Rechtsweg gegen den Arbeitgeber durchsetzen müssen“, begründete Dr. Susanne Johna, 1. Vorsitzende des Marburger Bundes, die Notwendigkeit zur Schärfung der bestehenden Vorschriften im Tarifvertrag.

    Zukünftig soll die Anordnung weiterer Dienste nur im Notfall zulässig sein. Außerdem will der Marburger Bund die Durchschnittsbetrachtung bei der Höchstzahl der Dienste beseitigen und anstatt des Kalenderhalbjahres eindeutig den Kalendermonat als Bezugszeitraum festlegen. Gleiches soll in Zukunft für die Arbeit an Wochenenden gelten.

    Der Handlungsbedarf wird auch an Ergebnissen einer internen Umfrage unter Mitgliedern des Marburger Bundes im Tarifbereich kommunale Krankenhäuser deutlich, die im Frühjahr durchgeführt wurde. Danach haben im zweiten Kalenderhalbjahr 2020 rund 40 Prozent der befragten Ärztinnen und Ärzte durchschnittlich mehr als vier Bereitschaftsdienste pro Monat geleistet. „Der Bereitschaftsdienst wird als Ersatz für Vollarbeit missbraucht, weil es teurer ist, zusätzliches Personal einzustellen und es für die Klinik billiger ist, den vorhandenen Ärztinnen und Ärzten eine Bereitschaftsdienstvergütung zu zahlen“, kritisierte Johna.

    Der Anspruch auf zwei freie Wochenenden im Monat soll zukünftig nicht mehr durch Anträge erwirkt werden müssen, sondern der Arbeitgeber selbst wird verpflichtet, gegenüber Ärztinnen und Ärzten nur an höchstens zwei Wochenenden im Kalendermonat regelmäßige Arbeit, Bereitschaftsdienst oder Rufbereitschaft anzuordnen. Das bedeutet: Solange der Arbeitgeber keinen Notfall geltend machen kann, ist die Arbeit auf maximal zwei Wochenenden im Monat beschränkt.

    Ein weiteres zentrales Thema der Tarifrunde wird die Neufassung der Regelungen zur Rufbereitschaft sein. Im Unterschied zum Bereitschaftsdienst, der vollständig Arbeitszeit ist, gilt die Rufbereitschaft arbeitszeitrechtlich als Ruhezeit. Ärztinnen und Ärzte sollen sich bereithalten und nur im Ausnahmefall ihre Arbeit aufnehmen. „Die Rufbereitschaft ist mehr und mehr davon geprägt, dass die Ausnahme zur Regel wird. Arbeit, die wegen eines Mangels an Ärztinnen und Ärzten in der regulären Zeit nicht erledigt werden kann, wird regelhaft in die Rufbereitschaft verlegt. Mit der Zahl der Inanspruchnahmen steigt auch das Maß an Arbeitsleistung; Erholung – der gesetzlich vorgesehene Zweck der Ruhezeit – ist vielfach gar nicht mehr möglich“, erklärte Dr. Andreas Botzlar, 2. Vorsitzender des Marburger Bundes.

    „Wir wollen erreichen, dass die Ärztin, die in ihrer Ruhezeit zur Arbeit gerufen wurde, am nächsten Tag nicht auch noch dafür bestraft wird. Daneben fordern wir auch für Ärztinnen und Ärzte in Rufbereitschaft eine Kernruhezeit zwischen 0:00 Uhr und 6:00 Uhr. Fallen in diese Zeit Unterbrechungen der Ruhezeit, wird die Ruhezeit verlängert. Kann ein Arzt deshalb einen geplanten Dienst nicht antreten, darf er dadurch keine Nachteile erleiden“, so Botzlar. Es müsse endlich anerkannt werden, dass auch die Unterbrechung der Erholung, beispielsweise durch ständige Anrufe in der Nacht, in hohem Maße belastend sei.
    Forderungskatalog des Marburger Bundes