
„Die Medizin hat ein Führungsproblem – und das betrifft alle Ebenen“, sagt Dr. Andreas Botzlar, Vorsitzender des MB Bayern. „Fast neun von zehn Ärztinnen und Ärzten haben Machtmissbrauch oder ungerechtfertigte Einflussnahme erlebt oder beobachtet. Das ist so nicht hinnehmbar. Wir brauchen endlich moderne, teamorientierte Führungsstrukturen – weg vom überkommenen Chefarztsystem, hin zu mehr Kooperation und Fairness.“
Laut Umfrage haben 86 % der Befragten Machtmissbrauch oder ungerechtfertigte Einflussnahme in der Klinik erlebt oder beobachtet. Nur 13 % gaben an, keine entsprechenden Erfahrungen gemacht zu haben. Viele Teilnehmende berichten in offenen Kommentaren von Abhängigkeiten, fehlender Kommunikation und willkürlichen Entscheidungen.
„Diese Strukturen erzeugen Angst, Frust und Demotivation – und sie schaden der Qualität der Patientenversorgung“, so Dr. Florian Gerheuser, Vorstandsmitglied des MB Bayern. „Wer Verantwortung tragen muss und empathisch mit den ihm anvertrauten Menschen umgehen soll, braucht eine positive Arbeitskultur, nicht Herabwürdigungen und Machtspiele.“
Ein weiteres Problem sehen die Befragten in der Besetzung ärztlicher Führungspositionen: Knapp 45 % bewerten die Verfahren als intransparent und wenig objektiv, lediglich 7,6 % empfinden die Verfahren als transparent und nachvollziehbar. Mehr als ein Drittel (35,5 %) hält die Auswahl nur teilweise für nachvollziehbar.
„Nicht nachvollziehbare Besetzungen von Führungspositionen zerstören Vertrauen“, betont Botzlar. „Wir fordern klare und überprüfbare Kriterien für Führungspositionen – sowie eine echte Beteiligung der Teams.“
Drei von vier Ärztinnen und Ärzte berichten, im Laufe ihrer Laufbahn mit rassistischen, sexistischen oder anderen sachfremden Kommentaren konfrontiert gewesen zu sein.
Die inhaltliche Auswertung der Freitextantworten zeigt ein breites Spektrum – von geschlechtsspezifischen Abwertungen über rassistische Vorurteile bis hin zu hierarchischen Herabwürdigungen.
„Solche Erfahrungen sind nicht nur verletzend, sie vergiften das Arbeitsklima“, sagt Dr. Melanie Rubenbauer, 2. Vorsitzende des MB Bayern. „Wir brauchen in Bayerns Kliniken endlich eine respektvolle, wertschätzende und teamorientierte Führungskultur, die alle stärkt – unabhängig von Geschlecht, Herkunft oder Position.“
Der Marburger Bund Bayern regt an, die Ergebnisse der Umfrage in geeigneten Gremien der ärztlichen Selbstverwaltung umfassend zu diskutieren. Ziel müsse es sein, konkrete Reformen des ärztlichen Führungssystems anzustoßen – weg von hierarchischer Machtkonzentration, hin zu kollegialen, partizipativen Strukturen.
„Das angelsächsische Kollegialsystem zeigt: ärztliche Führung geht auch anders – mit geteilter Verantwortung und echter Zusammenarbeit“, so Botzlar. „Es ist Zeit, die Klinikführungen zu modernisieren und zu demokratisieren – für mehr Zufriedenheit, Fairness und eine bessere Patientenversorgung.“
Die Blitzumfrage des Marburger Bundes Bayern wurde zwischen dem 2. und 9. Oktober 2025 online unter über 2.200 Ärztinnen und Ärzten durchgeführt. Sie erfasste quantitative und qualitative Einschätzungen zu Machtstrukturen, Führungsverhalten, Transparenz und Diskriminierungserfahrungen.
- Umfrageergebnisse(196.5 KB, PDF)