• Vertragsärzte dürfen nicht streiken

    Streikrecht
    31.Januar 2017
    Die Frage, ob Ärzte streiken dürfen, kann pauschal wie folgt beantwortet werden: Angestellte Klinikärzte dürfen streiken, Vertragsärzte nicht. Mit anderen Worten gilt das im Grundgesetz verankerte Recht zum Arbeitskampf grundsätzlich auch für angestellte Ärztinnen und Ärzte - sofern eine Notfallversorgung sichergestellt ist. Vertragsärzte sind hingegen nicht berechtigt, ihre Praxis während der Sprechstundenzeiten zu schließen, um an einem "Warnstreik" teilzunehmen. Derartige, gegen gesetzliche Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigungen gerichtete "Kampfmaßnahmen" seien mit der gesetzlichen Konzeption des Vertragsarztrechts unvereinbar, urteilte unlängst das Bundessozialgericht.

    Bundessozialgericht bestätigt Arbeitskampfverbot für Vertragsärzte

    Der Fall

    Ein in Stuttgart niedergelassener Facharzt für Allgemeinmedizin informierte die Kassenärztliche Vereinigung (KVBV) im Herbst 2012 darüber, dass er zusammen mit fünf anderen Vertragsärzten "das allen Berufsgruppen verfassungsrechtlich zustehende Streikrecht" ausüben und deshalb am 10.10. sowie am 21.11.2012 seine Praxis schließen werde. Die KVBV erteilte dem Mediziner in der Folge einen Verweis als Disziplinarmaßnahme, weil er durch die Praxisschließungen seine vertragsärztlichen Pflichten schuldhaft verletzt habe.

    Dagegen klagte der Facharzt. Das angerufene Sozialgericht wies die Klage mit der Begründung ab, im Vertragsarztrecht sei ein Streikrecht als Grund für eine Unterbrechung der Praxistätigkeit nicht vorgesehen. Dieses Urteil wollte der Mediziner nicht akzeptieren und zog bis zum Bundessozialgericht nach Kassel. Er argumentierte, dass Ärzte gegenüber anderen Berufsgruppen nicht schlechter gestellt werden dürften.

    Die Entscheidung

    Die Klage blieb erfolglos. Die Bundesrichter entschieden, dass der Facharzt seine vertragsärztlichen Pflichten schuldhaft verletzt habe. Vertragsärzte müssten während der angegebenen Sprechstunden für die vertragsärztliche Versorgung ihrer Patienten zur Verfügung stehen (sogenannte Präsenzpflicht). Etwas Anderes gelte etwa bei Krankheit oder Urlaub, nicht jedoch bei der Teilnahme an einem Warnstreik.

    Dem Mediziner stehe kein durch die Verfassung oder die Europäische Menschenrechtskonvention geschütztes Streikrecht zu. Ein Recht der Vertragsärzte, Forderungen gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen im Wege von Arbeitskampfmaßnahmen durchzusetzen, sei mit der gesetzlichen Konzeption des Vertragsarztrechts nicht vereinbar (BSG, Urteil vom 30.11.2016, Az.: B 6 KA 38/15 R).

    Fazit

    Die Vergütung von Vertragsärzten wird zwischen Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen ausgehandelt. Konflikte um die Höhe der Gesamtvergütung werden nicht durch Streik oder Aussperrung ausgetragen, sondern durch zeitnahe verbindliche Entscheidungen von Schiedsämtern gelöst. Die gesetzliche Konzeption des Vertragsarztrechts gestattet es nicht, dass Kassenärzte während der Sprechzeiten ihre Praxen für einen Streik schließen. Kommt es zum Streit über den Schiedsspruch, wird dessen Rechtmäßigkeit durch unabhängige Gerichte überprüft.

    Welche Ärzte dürfen wann für was streiken?

    Grundsätzlich können sich alle angestellten Ärztinnen und Ärzte an einem (rechtmäßigen) Streik beteiligen, wenn ihre Arbeitsbedingungen durch den fraglichen Tarifvertrag geregelt sind. Das gilt übrigens auch für Ärztinnen und Ärzte, die nicht Mitglied in der Gewerkschaft sind.

    Nicht streiken dürfen Ärzte, auf die der Tarifvertrag keine Anwendung findet (z. B. Chefärzte), Beamte, Vorstandsmitglieder sowie angestellte Ärzte, die der Friedenspflicht unterliegen (weil sie z.B. an einen anderen Tarifvertrag gebunden sind).