• Zu wenig Personal, zu viel Bürokratie, unzulängliche Digitalisierung

    MB-Monitor 2022: Angestellten Ärztinnen und Ärzten fehlt Zeit für sich und ihre Patienten
    11.August 2022
    Steigende Arbeitsbelastung, unzureichende Personalausstattung, Dokumentationswahn, kaum Zeit für Gespräche mit den Patienten und fehlende Wertschätzung ärztlicher Arbeit – so beschreiben viele Ärztinnen und Ärzte in den Krankenhäusern ihre Arbeitsbedingungen. Ein Viertel der angestellten Ärztinnen und Ärzte denkt über einen Berufswechsel nach. Das geht aus der Mitgliederbefragung MB-Monitor 2022 des Marburger Bundes hervor. An der vom Institut für Qualitätsmessung und Evaluation (IQME) durchgeführten Online-Befragung beteiligten sich in der Zeit vom 20. Mai 2022 bis 19. Juni 2022 bundesweit 8.464 angestellte Ärztinnen und Ärzte aus allen Bereichen des Gesundheitswesens. Knapp 90 Prozent der Befragten arbeiten in Akutkrankenhäusern und Reha-Kliniken, sechs Prozent in ambulanten Einrichtungen.
    MB-Monitor - Ergebnisse der Umfrage des Marburger Bundes
    MB-Monitor - Ergebnisse der Umfrage des Marburger Bundes

    Die hohe Anzahl an Überstunden und 24-Stunden-Diensten, der ökonomische Druck seitens der Arbeitgeber und die mangelnde Vereinbarkeit von Beruf und Familie lässt einen Teil der Ärztinnen und Ärzte darüber nachdenken, den Beruf zu wechseln. Auf die Frage „Erwägen Sie, Ihre ärztliche Tätigkeit ganz aufzugeben?“ antworteten 25 Prozent der Befragten mit „ja“, 57 Prozent mit „nein“ und 18 Prozent mit „weiß nicht“.

    Viel Zeit für die Patientenversorgung geht durch administrative Tätigkeiten verloren, die mit ärztlichen Aufgaben kaum vereinbar sind. Der Zeitaufwand für Datenerfassung und Dokumentation liegt im Mittel bei drei Stunden pro Tag. 32 Prozent der angestellten Ärztinnen und Ärzte schätzen den Zeitaufwand für Verwaltungstätigkeiten und Organisation sogar auf mindestens vier Stunden täglich. Das Spektrum dieser Tätigkeiten umfasst in den Kliniken u.a. Datenerfassungen, die häufig auch von Schreibdiensten oder Stationssekretariaten erledigt werden könnten. 

    „Wenn knapp 60 Prozent unserer Mitglieder sagen, sie würden drei Stunden und mehr ihrer Arbeitszeit mit Verwaltungstätigkeiten verbringen, können sie in dieser Zeit nicht für ihre Patienten da sein. Ich halte es schlichtweg für einen Skandal, wie viel Arbeitskraft und Arbeitszeit mit Datenerfassung und Dokumentation vergeudet wird. Das hat negative Auswirkungen auf die Patientenversorgung und auf die Arbeitszufriedenheit von Ärztinnen und Ärzten. Wenn nur die Hälfte an Zeit für unsinnige und überflüssige Schreibarbeit eingespart werden könnte, hätten wir schon viel für die Patientenversorgung gewonnen. Entbürokratisierung muss endlich eine Priorität der Gesundheitspolitik werden“, sagte die Vorsitzende des Marburger Bundes, Dr. Susanne Johna, bei der Präsentation der Umfrage-Ergebnisse.

    Aus der Befragung geht auch hervor, dass in vielen Einrichtungen des Gesundheitswesens die Ausstattung mit Hard- und Software unzureichend ist. Das erschwert die Arbeit der Ärztinnen und Ärzte zusätzlich. So teilt die Hälfte der Befragten mit, dass Mehrfacheingaben identischer Daten „gelegentlich“ vorkommen, bei rund einem Drittel (32 Prozent) ist das sogar „häufig“ der Fall, bei 18 Prozent „selten“. „Dieselben Daten müssen wieder und wieder eingegeben werden, weil die Systeme nicht funktionieren. Bei der Anschaffung neuer Software bleiben die Anwenderinnen und Anwender meist außen vor, Schulungen für IT-gestützte Abläufe gibt es kaum - so kann Digitalisierung nicht funktionieren. Dabei hat sie großes Potenzial, die Arbeit von Ärztinnen und Ärzten zu erleichtern“, sagte Johna.

    Scharf kritisierte die Vorsitzende des Marburger Bundes Arbeitgeber, die in den zurückliegenden zwei Jahren der Pandemie Arztstellen abgebaut haben. „Unsere Mitglieder berichten von hohen Wochenarbeitszeiten und vielen Überstunden. Wer in dieser Situation Stellen streicht oder nicht nachbesetzt, stellt den finanziellen Gewinn über das Wohlergehen und die Gesundheit seiner Beschäftigten.“ Ein Drittel (34 Prozent) der Befragten bejahte die Frage nach dem Stellenabbau in den vergangenen zwei Jahren, 48 Prozent antworteten mit „nein“, 18 Prozent mit „weiß nicht“. Insgesamt beurteilen zwei Drittel der Befragten die personelle Besetzung im ärztlichen Dienst ihrer Einrichtung als „eher schlecht“ (46 Prozent) oder „schlecht“ (20 Prozent). 

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