• „Der wirtschaftliche Druck raubt mir Zeit für die Weiterbildung.“

    22.September 2017
    Interview: Andreas Hammerschmidt, MB-Mitglied und junger Arzt aus dem Raum Hannover, befindet sich aktuell in Weiterbildung im Fachgebiet Orthopädie und Unfallchirurgie. Im Gespräch über die #MehrZeit-Kampagne des Marburger Bundes erzählt er, warum Zeitmangel einer guten Weiterbildung schadet und weshalb sich gerade junge Ärztinnen und Ärzte für Kammerarbeit mehr interessieren sollten.

    Wofür brauchen Sie im Klinikalltag mehr Zeit?

    Es herrscht permanent Zeitmangel. Um die Weiterbildung in der vorgegebenen Zeit zu schaffen, muss man in der Regel länger bleiben. Lange Arbeitszeiten werden somit notwendig. Beklagt man sich, hören viele das typische Argument: „Du musst Dich besser organisieren.“ Im Klinikalltag sieht es aber oftmals so aus, dass wir lange arbeiten und uns trotzdem nicht in dem Maß weiterbilden können, wie wir es gerne würden - und vor allem müssten.

    Wo liegt das Problem?

    In den Krankenhäusern gibt es zu wenig Personal. Der hohe wirtschaftliche Druck verschärft die Situation. Die Folge ist, dass zu wenig Zeit für einzelne Vorgänge bleibt. Es bleibt den erfahrenen Ärzten zu wenig Zeit, die jungen in der Klinik anzulernen und sie manche Dinge eigenständig machen zu lassen. Schließlich brauche ein erfahrener Arzt weniger Zeit beispielsweise für eine Operation als ein junger Arzt. Was angeblich Kosten sparen würde, so eine häufige Argumentation. 

    Ein weiteres Problem ist, dass es in vielen Kliniken keine verbindlichen Standards im Hinblick auf die Weiterbildung gibt. Weiterbildung wird von Haus zu Haus unterschiedlich gelebt, zu oft leider auch gar nicht. In zu vielen Häusern ist das Erlernen von Weiterbildungsinhalten reiner „Zufall“. Das liegt teilweise auch daran, dass die Einstellung der Weiterbilder sehr unterschiedlich ist. Es gibt viele engagierte Oberärzte, die weiterbilden und Wissen weitergeben. Es gibt aber auch viele Häuser, wo das nicht der Fall ist. Mangelnde Weiterbildungsbereitschaft rächt sich aber, da Ober- und Fachärzte dann auch nicht mehr von jungen Ärzten entlastet werden können, da sie viele Inhalte schlicht nicht im Klinikalltag erlernen konnten. Das muss sich ändern.

    Was ist Ihr Vorschlag? Was muss sich ändern?

    Es braucht eine grundlegende Weiterbildungskultur, Struktur und die Erkenntnis der älteren Kollegen, dass Weiterbildung im Klinikalltag einen festen Platz haben muss und notwendig ist. Es ist eben nicht nur ein Thema der jungen, sondern muss auch ein Thema der älteren Ärzte sein. Sie müssen dafür sorgen, dass eine gute Weiterbildung vor Ort möglich ist. Wir jungen Ärzte dürfen hingegen nicht nachlassen, immer wieder auf die Schwierigkeiten und Probleme in der Weiterbildung hinzuweisen.

    Wir brauchen zudem mehr Personal in den Kliniken. Für die Krankenhäuser ist es doch auch ein Standortvorteil, wenn bekannt ist, dass hier gute Weiterbildung betrieben wird. Dafür muss vor allem auch der ökonomische Druck  gemindert werden, damit insgesamt der Druck auf alle Ärzte in den Kliniken nachlässt.

    Was ist Ihr Wunsch für die Zukunft?

    Ich habe Medizin studiert, um Arzt zu sein. Aber es muss sich noch viel ändern. Daher bin ich mir nicht sicher, ob ich bis zur Rente in der kurativen Medizin bleiben möchte. Um dauerhaft im Krankenhaus zu arbeiten, wünsche ich mir ein gutes Team mit einer ausreichenden Personaldecke. Und Kollegen, die für ihre Rechte streiten.

    Warum ist Ihnen der Marburger Bund wichtig?

    Der Marburger Bund ist ein Verband, der sich besonders auch für die Belange der jungen Ärztinnen und Ärzte einsetzt. Gerade in den Ärztekammern sind eine starke Stimme des Marburger Bundes und somit eine starke Vertretung der Interessen junger Ärzte, die sich in Weiterbildung befinden, wichtig.  Schließlich ist eine der wesentlichen Aufgaben der Ärztekammern, die ärztliche Weiterbildung zu organisieren und zu fördern.

    Herzlichen Dank für das Gespräch.

    Das Interview führte Susanne Spohn, Pressereferentin im Marburger Bund Bundesverband.

    Mehr zum Thema im Videobeitrag mit Andreas Hammerschmidt und unter www.marburger-bund.de/zeit.