• „Gemeinsam handeln und fair miteinander umgehen“

    Pressemitteilung
    MB aktuell
    12.Mai 2017
    Interview: Dr. Susanne Johna, Bundesvorstandsmitglied des Marburger Bundes, zur Diskussion über die MB-Eckpunkte zur Notfallversorgung

    Frau Dr. Johna, die Eckpunkte des Marburger Bundes zur Neustrukturierung der medizinischen Notfallversorgung haben teilweise heftige Reaktionen auf Seiten der Kassenärztlichen Vereinigungen hervorgerufen. Hat Sie das überrascht?

    Johna: Ja, schon. Unsere Vorschläge zielen ja darauf ab, die Zusammenarbeit zwischen Krankenhäusern und KV-Bereitschaftsdienst zu verbessern - durch eine integrative, gemeinsame Versorgung, durch mehr Koordination und eine standardisierte, stets gleiche Ersteinschätzung der Behandlungsdringlichkeit der Patienten. Der Vorwurf, wir würden einer alleinigen Notfallversorgung durch das Krankenhaus das Wort reden, wie die KV Baden-Württemberg behauptet, geht völlig an der Sache vorbei. Man muss sich schon die Mühe machen, unser Papier zu lesen, bevor man seinen eigenen Vorurteilen freien Lauf lässt.

    Die KV Hessen geht noch einen Schritt weiter und bezeichnet den Marburger Bund als „fünfte Kolonne der Deutschen Krankenhausgesellschaft“.

    Johna: Diese Entgleisung hat mich schon schockiert. Wenn eine Körperschaft des öffentlichen Rechts zu einer solchen Wortwahl greift, von der jeder weiß, dass sie historisch sehr belastet ist, schadet sie damit dem Ansehen der ärztlichen Selbstverwaltung. Das ist in der Regel der Sprachgebrauch von Antidemokraten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass niedergelassene Kollegen es gutheißen, wenn Krankenhausärzte von der KV-Spitze in eine solche Ecke gestellt werden.

    Dem Marburger Bund wird auch unterstellt, er würde die Bereitschaftsdienstzentralen an hessischen Kliniken schlecht reden.

    Johna: Das Gegenteil ist der Fall. Ich habe in unserer Pressekonferenz zur Vorstellung der MB-Eckpunkte selbst darauf hingewiesen, dass in Hessen die von uns gewünschte Schaffung zentraler Anlaufstellen an den Krankenhäusern weit fortgeschritten ist. Wir sagen auch, dass es nicht bei einem Nebeneinander bleiben kann, sondern dass es um ein Miteinander gehen muss. Natürlich sind hier auch die Krankenhäuser gefordert, kooperative Strukturen aufzubauen, von Räumlichkeiten bis hin zu Voraussetzungen für eine gemeinsame Datennutzung. Die Kolleginnen und Kollegen in den Notaufnahmen werden nur dann entlastet und die Patienten medizinisch sinnvoll versorgt werden, wenn die Bereitschaft besteht, gemeinsam an Lösungen zu arbeiten. Darum geht es und nicht um irgendwelche „Geschäftsmodelle“.

    Die KVen bestreiten auch unisono, dass die zentrale Rufnummer 116117 des ärztlichen Bereitschaftsdienstes zu wenig bekannt sei. Die KV Hessen kündigt gleichzeitig eine Kampagne an, um die Bekanntheit der Rufnummer „noch weiter zu steigern“. Wie beurteilen Sie den Bekanntheitsgrad der Notdienst-Rufnummer?

    Johna: Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat erst im vergangenen Jahr eingestanden – ich zitiere den Vorstandsvorsitzenden Dr. Gassen wörtlich - „dass die 116117 in der breiten Bevölkerung noch längst nicht bekannt genug ist“. Dieser Befund wird auch durch eine Befragung unter rund 4.500 Patienten bestätigt, die von Dezember 2016 bis Februar 2017 Notaufnahmen hessischer Kliniken aufgesucht haben. Nur etwa sechs Prozent der Befragten konnten die korrekte Nummer angeben. Das Bekanntheitsproblem ist nicht zu leugnen und trägt dazu bei, dass Patienten direkt in die Rettungsstellen der Krankenhäuser kommen. Wenn die Kampagne der KV Hessen den Bekanntheitsgrad der Nummer steigert, wäre das sicher gut.

    KBV-Chef Gassen hat unter Bezugnahme auf die Reformpläne des Marburger Bund dazu aufgerufen, miteinander zu reden statt übereinander. Nehmen Sie das Dialogangebot an?

    Johna: Selbstverständlich. Rudolf Henke und ich haben schon in der Pressekonferenz zur Vorstellung der Eckpunkte des Marburger Bundes gesagt, dass wir an einem solchen Dialog interessiert sind. Ich stimme auch ausdrücklich Herrn Dr. Gassen zu, wenn er dazu aufruft, gemeinsame Lösungen zu finden. Unser Ziel ist es, unsere Kolleginnen und Kollegen in den Notaufnahmen zu entlasten, die immer mehr Patienten versorgen müssen, die genauso gut von niedergelassenen Ärzten versorgt werden könnten. Das veränderte Patientenverhalten ist ein Faktum und auch in anderen europäischen Ländern ein Thema. Damit echte, lebensbedrohliche Notfälle in den Kliniken optimal versorgt werden können, müssen wir die Notaufnahmen entlasten. Wir müssen gemeinsam handeln und fair miteinander umgehen. Das ist letztlich ein Gebot der Kollegialität.