• Mitgliederinformation vom 08.07.2020 | Ärztinnen und Ärzte an den Universitätsklinika (TdL)

    Neue Regelung ab Juli 2020 - Pflicht zur Arbeitszeiterfassung

    Mit Wirkung zum 1. Juli 2020 ist die aus der Tarifeinigung folgende Verpflichtung zur Erfassung der gesamten Arbeitszeit der Ärztinnen und Ärzte in Kraft getreten. Anders als bisher handelt es sich bei der neuen Vorschrift erstmals um eine echte Verpflichtung zur Erfassung der Arbeitszeiten. Dieser substantielle Unterschied zeigt sich nicht nur am Wortlaut der neuen Vorschrift, sondern insbesondere an den weiteren damit verbundenen Maßgaben und Konkretisierungen. Eine Fortführung einer lediglich an der Dienstplanung orientierten ungefähren Feststellung der An- oder Abwesenheit ist daher in aller Regel unzulässig. Die Arbeitgeber haben vielmehr konkrete Maßnahmen zu ergreifen, die Arbeitszeit so zu erfassen, dass die gesamte Anwesenheitszeit am Arbeitsplatz dokumentiert ist.

     

    1. Die gesamte Anwesenheitszeit am Arbeitsplatz gilt als Arbeitszeit

    Diese Regel ist der eigentliche Kern der neuen Vorschrift. Sie dient in erster Linie dazu, die bislang bestehende Praxis, bestimmte Zeiten nachträglich einer gesonderten Bewertung, Korrektur oder gar Streichung zu unterwerfen, endgültig zu beenden. Die gesamte Anwesenheitszeit muss dokumentiert werden. Pauschale Kappungen sind ebenso unzulässig, wie ein automatischer Abzug von Pausenzeiten, ohne dass diese gewährt wurden. Lediglich tatsächlich gewährte Pausen – also solche, in denen der Arbeitgeber seinerseits sämtliche Voraussetzungen dafür erfüllt hat, dass der Pausenantritt lediglich von der Entscheidung des Einzelnen abhängig ist – können anders bewertet werden. Von der prinzipiellen Bewertung als Arbeitszeit sind auch solche Zeiten umfasst, die von den Festlegungen im Dienstplan der Ärztinnen und Ärzte abweichen. Einer vorhergehenden Autorisierung oder nachträglichen Freigabe von bestimmten Zeiten bedarf es dabei nicht, da es sich bei sämtlichen Anwesenheitszeiten nach der grundsätzlichen Wertung der Vorschrift zunächst um Arbeitszeiten handelt.

    Will der Arbeitgeber hingegen Teile der Anwesenheitszeit anders gewertet wissen, etwa weil nach seiner Ansicht private oder nicht zur Dienstaufgabe gehörende Nebentätigkeiten geleistet wurden, so trägt er die Darlegungs- und Beweislast. An der bestehenden Erfassungs- und Dokumentationspflicht ändert dies nichts.

    2. Elektronische Dokumentation oder auf andere Art mit gleicher Genauigkeit

    Die Erfassung der Arbeitszeit hat elektronisch oder auf andere Art mit gleicher Genauigkeit zu erfolgen. Händische Eintragungen (die altbekannte „Zettelwirtschaft“) genügen in aller Regel nicht, da es an der notwendigen Unmittelbarkeit und Genauigkeit der Erfassung fehlt. Auch die Erfassung über einen Dienstplan, gegenüber dem die Abweichungen dokumentiert werden, dürfte den Anforderungen der neuen Vorschrift nur dann genügen, wenn die Erfassung des Beginns und des Endes der Arbeitszeit hinreichend genau erfolgen. Wie oben beschrieben, muss die gesamte Anwesenheitszeit ohne irgendeine Bewertung und für alle Dienstarten dokumentiert werden. Ob der konkrete Vorgang der Erfassung dabei mit der gleichen Genauigkeit wie die Elektronische erfolgt, muss für bereits bestehende bzw. nun zwingend einzuführende Systeme im Einzelfall geklärt werden. Die neuere europäische Rechtsprechung liefert jedenfalls ein starkes Indiz dafür, dass elektronische Zeiterfassung zukünftig unumgänglich sein wird.

    3. Unverzügliches persönliches Einsichtsrecht

    Ärztinnen und Ärzten steht zukünftig ein persönliches Einsichtsrecht zu, um die Arbeitszeitdokumentation überprüfen zu können. Die Einsicht muss unverzüglich – also ohne jedes schuldhafte Zögern – durch den Arbeitgeber gewährt werden. Demgegenüber kann der Arbeitgeber – allerdings nur im Einzelfall – verlangen, dass der Grund für die Überschreitung der täglichen Höchstarbeitszeit oder der dienstplanmäßig festgelegten Arbeitszeit mitgeteilt wird. Ob eine solche Pflicht auch in den Fällen bestehen kann, in denen der Grund für die Überschreitung dem Arbeitgeber bekannt ist oder bekannt sein müsste, kann bezweifelt werden. Keinesfalls darf dieses Mitteilungsbegehren als Disziplinierungsinstrument missbraucht werden.

    4. Keine Einschränkung des Direktionsrechts

    Die Protokollerklärung zu § 10 Abs. 2 Satz 2 TV-Ärzte stellt – deklaratorisch – fest, dass das Direktionsrecht des Arbeitgebers zur Arbeitszeitgestaltung unberührt bleibt. Damit wird lediglich der arbeitsrechtliche Grundsatz wiederholt, dass der Arbeitgeber neben dem Inhalt und dem Ort der Arbeitsleistung auch ihre Zeit bestimmen kann. Generelle Anordnungen, wie etwa Mehrarbeits- bzw. Überstunden erst nach Genehmigung freizugeben, sind mit dieser Regelung nicht vereinbar. Der Grundsatz „Anwesenheit = Arbeitszeit“ kann dadurch nicht ausgehebelt werden. Allein durch die Aufstellung des Dienstplanes und die Ankündigung, Mehrarbeit nicht entgegennehmen zu wollen, kann der Arbeitgeber nicht von der prinzipiellen Wertung der Vorschrift abweichen. Will der Arbeitgeber Mehrarbeits- bzw. Überstunden vermeiden, kann er diese nicht durch wie auch immer geartete Anweisungen unterdrücken, sondern muss Vorkehrungen dafür zu treffen, dass diese erst gar nicht entstehen. Diesem Grundsatz folgend ist in der Protokollerklärung eben auch ausdrücklich klargestellt, dass sicherzustellen ist, dass entgegengenommene Arbeitsleistung als Arbeitszeit anerkannt wird.

    Wie geht es weiter?

    Gibt es in Ihrer Klinik bereits eine Form der Zeiterfassung wird zu klären sein, ob sie den neuen tarifvertraglichen Vorgaben entspricht. Ihr Landesverband kann Sie bei dieser Prüfung unterstützen. Über Mitteilungen, wie die Zeiterfassung in Ihren Einrichtungen umgesetzt wird, freuen wir uns ebenso wie über weitere Hinweise zur Umsetzung.