• Ärzteschaft muss auf den Zug der Digitalisierung aufspringen

    Aktueller Kommentar des 1. Vorsitzenden des Marburger Bundes Schleswig-Holstein Dr. Henrik Herrmann
    24.Mai 2017
    Freiburg (Breisgau)
    Viele Ärztetage haben sich schon mit der Thematik der Telematik beschäftigt. Ich begrüße sehr, dass wir auf dem diesjährigen Ärztetag in Freiburg nicht nur einzelne Aspekte des Themas diskutieren, sondern die umfassende Digitalisierung in den Vordergrund stellen. Das wird auch höchste Zeit, denn: der Zug der Digitalisierung fährt mit zunehmender Geschwindigkeit. Jetzt haben wir als verfasste Ärzteschaft noch die Möglichkeit mitzufahren und hoffentlich noch in die Lokomotive zu kommen.

    Viele unserer Mitbürger, potentielle und konkrete Patienten, auch wir, nutzen in ihrem Lebensumfeld zunehmend digitale Möglichkeiten. Auch ältere Menschen: 56% der Senioren sind digital aktiv! Im Gesundheitswesen liegen wir in Deutschland mit der Digitalisierung noch weit zurück, gerade auch, wenn ich aus dem Südwesten in den Norden nach Skandinavien schaue.

    Natürlich hat jede technische Entwicklung, seitdem wir das Feuer erfunden haben, eine Ambivalenz. Aber das Gesundheitswesen wird viel vernetzter; die Konnektivität bringt einen Paradigmenwechsel mit sich. Durch das vernetzte System definieren sich auch unsere ärztliche Rolle und unsere Kompetenzen anders.  Es kommt zur Interoperabilität der Daten über die sogenannten Sektoren hinaus. Wir werden vernetzte und integrierte Versorgungsprozesse bekommen. Das wird eingefordert werden, ist jedoch ohne Digitalisierung nicht vorstellbar.

    Dazu brauchen wir von diesem Ärztetag in Freiburg ausgehend eine klare Positionierung der Mitgestaltung, eine aktive Mitarbeit an den notwendigen Veränderungen und in der Tat ausreichend finanzielle Mittel für die digitale Infrastruktur in den Praxen und Krankenhäusern. Denn es kann nicht sein, dass die notwendigen Voraussetzungen dafür aus den Mitteln der Patientenversorgung, seien es DRGs, EBMs oder GOÄs, finanziert werden.

    Dazu brauchen wir Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten. Also kognitive und Methodenkompetenz sowie Handlungskompetenz durch Fort- und Weiterbildung.

    Dazu brauchen wir einen ethischen Kodex, Qualitätsindikatoren und Datensicherheiten. Wiederum dazu brauchen wir die digitale Transformation, um in Zukunft hoffentlich wieder mehr Zeit für unsere urärztlichen Kernkompetenzen und für unsere Patienten zu haben.

    Viele der vorgelegten und positiv beschiedenen Anträge auf dem Freiburger Ärztetag zielten genau in diese Richtung. Sie tragen zur positiven Mitgestaltung der digitalen Transformation bei. Freiburg ist als freigeistiger, innovativer Ort bekannt, und deshalb passt zu den Diskussionen rund um die Digitalisierung des diesjährigen Ärztetags das Zitat eines großen Freiburger Philosophen. Es ist nicht Heidegger gemeint, sondern sein Lehrer Edmund Husserl: „Ernste Beschäftigung mit großen Fragen lässt an sich Unbescheidenheit nicht aufkommen.“