• Arbeitszeiterfassung: Die neuen Regelungen

    Teil der Tarifeinigung mit der VKA ist die ab 1. Juli 2019 bestehende Pflicht der Arbeitgeber, die Arbeitszeiten der Ärztinnen und Ärzte elektronisch oder auf andere Art mit gleicher Genauigkeit zu erfassen. Wir wollen Ihnen die einzelnen Bestandteile erläutern und auch auf etwaige Fallstricke hinweisen, vor allem aber die rechtlichen Folgen dieser neuen Regelungen vorstellen.
    Die gesamte Anwesenheitszeit gilt als Arbeitszeit

    Nach der neuen Regelung ist die Arbeitszeit so zu erfassen, dass die gesamte Anwesenheitszeit der Ärztinnen und Ärzte am Arbeitsplatz dokumentiert ist. Damit greift unsere Regelung auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofes zur Zeiterfassung auf, geht aber hinsichtlich der Pflicht zur Dokumentation der gesamten Anwesenheit sogar darüber hinaus. Und gesamte Anwesenheitszeit bedeutet genau das: Pauschale Kappungen sind unzulässig! Unterlassene Erfassung ist unzulässig! Nachträgliche Manipulation ist ebenso unzulässig!

    Einzig der Abzug tatsächlich gewährter Pausen ist zulässig; nicht hingegen der Abzug von Pausenzeiten, die nach den arbeitszeitrechtlichen Vorgaben zwar hätten gewährt werden müssen, tatsächlich aber nicht gewährt wurden.

    Natürlich durften auch bisher schon nachträgliche Änderungen, Kappungen oder Manipulationen – etwa mit dem Ziel, überlange Arbeitszeiten nachträglich als gesetzeskonform erscheinen zu lassen – nicht vorgenommen werden. Anders als bislang hatte dieses Vorgehen in der Regel aber deshalb kaum Folgen, weil es sich hierbei ja lediglich um einen Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Arbeitszeitvorschriften handelte, der von den staatlichen Stellen häufig nicht geahndet wurde. Da die Bewertung als Arbeitszeit aber nicht mehr nur eine öffentlich-rechtliche Vorgabe ist, sondern eine arbeitsrechtliche – und damit finanziell relevant –, kann jeder ärztliche Beschäftigte selbst gegen diese Verstöße vorgehen, ohne auf Intervention der Aufsichtsbehörden angewiesen zu sein. Dafür reicht zukünftig die Unterstützung durch die Juristinnen und Juristen der Landesverbände – Anruf genügt!

    Die nun gefundene Einigung hat einen weiteren gänzlich neuen Bestandteil: Durch die Feststellung, dass die gesamte Anwesenheitszeit als Arbeitszeit gilt, hat ein Verstoß gegen die Erfassungs- und Dokumentationspflicht nicht nur den Charakter eines Kavalierdelikts, sondern konkrete Folgen für den Arbeitgeber. Diese Regelung bedeutet nichts anderes als eine sogenannte Beweislastumkehr. Will der Arbeitgeber bestimmte Zeiten nicht als Arbeitszeit bewertet wissen, muss er künftig beweisen, dass die Ärztin oder der Arzt in der Zeit private Tätigkeiten oder solche Nebentätigkeiten verrichtet hat, die nicht Dienstaufgabe sind.

    Elektronisch oder auf andere Art mit gleicher Genauigkeit

    Die Erfassung der Arbeitszeit hat elektronisch oder auf andere Art mit gleicher Genauigkeit zu erfolgen. Das schließt aus unserer Sicht die händische Erfassung – etwa durch schriftliches Festhalten der Anwesenheitszeiten ­­– ebenso aus, wie die nachträgliche Eintragung in Dokumentations- oder Dienstplanprogramme. Wie oben beschrieben, muss dabei die gesamte Anwesenheitszeit ohne irgendeine Bewertung und für alle Dienstarten dokumentiert werden; ob die Erfassung dabei mit der gleichen Genauigkeit wie die elektronische erfolgt, wird im Einzelfall zu klären sein.

    Anwesenheit am Arbeitsplatz

    Dokumentiert werden muss die gesamte Anwesenheit am Arbeitsplatz. Was ist unter dem Begriff des Arbeitsplatzes zu verstehen? Bedeutet das beispielsweise für die Chirurgin, dass ihre Anwesenheit erst dann zu erfassen ist, wenn sie umgezogen und vorbereitet im OP steht? Nein! Arbeitsplatz im Sinne der Vorschrift ist das Krankenhaus. Wege- und Rüstzeiten, die nach ständiger Rechtsprechung zur Arbeitszeit gehören, gelten ebenfalls als Anwesenheit am Arbeitsplatz.

    Unverzügliches persönliches Einsichtsrecht

    Ein weiterer wichtiger Punkt ist das persönliche Einsichtsrecht, welches Ärztinnen und Ärzten zukünftig zusteht, um die Arbeitszeitdokumentation überprüfen zu können. Die Einsicht muss unverzüglich – also ohne jedes schuldhafte Zögern – durch den Arbeitgeber gewährt werden.

    Sollten Sie feststellen, dass Anwesenheitszeiten nicht erfasst oder sogar wieder gekappt worden sind, machen Sie die vollständige Aufzeichnung bei Ihrer zuständigen Personalverwaltung geltend oder besser noch, beauftragen Sie den Marburger Bund damit!

    Wie geht es weiter?

    Gibt es in Ihrer Klinik bereits eine Form der Zeiterfassung, wird zu klären sein, ob sie den neuen tarifvertraglichen Vorgaben entspricht. Ihr Landesverband kann Sie bei dieser Prüfung unterstützen. Eine wichtige Rolle wird in diesem Zusammenhang auch auf die Betriebs- und Personalräte zukommen. Wir werden zu diesem Zweck noch in diesem Jahr eine bundesweite Betriebsrätekonferenz veranstalten, in der ein erster Erfahrungsaustausch über die neuen Vorschriften – insbesondere auch zur betrieblichen Umsetzung der Arbeitszeiterfassung – stattfinden soll.