• So wird der Takt mitbestimmt

    Beteiligungsrechte der Betriebsräte nach dem Betriebsverfassungsgesetz im Detail

    Von Frieder Schmitt

    Vom 1. März bis 31. Mai 2022 findet in zahlreichen Krankenhäusern die reguläre Betriebsratswahl statt. Mit der MBZ-Ausgabe 9/2021 startete die Artikel-Serie zur Betriebsratswahl-Kampagne 2022 des Marburger Bundes. Ziel der Kampagne ist es, die Anzahl der Ärztinnen und Ärzte in den Mitbestimmungsgremien zu erhöhen. Im 4. Teil der Fachartikelserie wurde dargelegt, dass die Beteiligungsrechte des Betriebsrats in zwei Gruppen eingeteilt werden, die Mitwirkungs- und die Mitbestimmungsrechte. Diese werden nun im Detail beleuchtet.

    Da häufig der Erfolg der Betriebsratsarbeit davon abhängt, ob die im Betrieb zu regelnden Maßnahmen in den Bereich der Mitwirkungs- oder Mitbestimmungsrechte fallen, sollte jeder Betriebsrat bei seiner Tätigkeit über die rechtlichen Auswirkungen dieser Rechte Bescheid wissen. Denn Maßnahmen, die der Mitbestimmung unterfallen, können vom Arbeitgeber nur dann rechtswirksam umgesetzt werden, wenn zuvor der Betriebsrat zugestimmt hat. Kommt eine Einigung nicht zustande, ist das Einigungsstellenverfahren durchzuführen.

    Wichtig: Positives Konsensprinzip

    Aus diesem Grund sollen daher zunächst die aus Sicht des Betriebsrats für die Praxis wichtigsten Mitbestimmungsrechte („positives Konsensprinzip“) dargestellt werden. Im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) sind diese in §87 geregelt. Die Vorschrift erfasst die sozialen Angelegenheiten und regelt damit den Kernbereich der Mitbestimmung. Die dort aufgeführten Tatbestände sind abschließend und erstrecken sich auf alle Arbeitnehmer des Betriebs. Dabei ist zu beachten, dass nach dem Eingangssatz des §87 BetrVG das Mitbestimmungsrecht eingeschränkt ist, soweit eine gesetzliche oder tarifvertragliche Regelung besteht.

    Für die Betriebsratsarbeit in den Krankenhäusern kommt dabei folgenden Mitbestimmungsrechten besondere Bedeutung zu:

    • Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer (Nr.1) – Gegenstand dieses Mitbestimmungsrechts ist das betriebliche Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer, das der Arbeitgeber kraft seines Direktionsrechts oder seiner Organisationsbefugnis beeinflussen oder koordinieren kann. Insoweit regelt das Mitbestimmungsrecht die Regelungsbefugnis der Betriebsparteien. Mitbestimmungspflichtig ist danach beispielsweise die Durchführung von Taschenkontrollen, die Festlegung von Nutzungsbedingungen für Parkflächen, Fragen der Nutzung des Telefons und Internets oder eines E-Mail-Systems zu privaten Zwecken oder auch das Tragen von Namensschildern auf der Dienstkleidung. Auch der Erlass eines Rauch- und/oder Alkoholverbots unterfällt diesem Mitbestimmungsrecht.

      Aus aktuellem Anlass sei darauf hingewiesen, dass auch formalisierte Mitarbeitergespräche zur Vereinbarung von Zielvereinbarungen nur dann rechtswirksam im Betrieb umgesetzt werden können, wenn der Betriebsrat zuvor dieser Maßnahme zugestimmt hat.
       
    • Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage (Nr.2) – Im Klinikalltag hat dieses Mitbestimmungsrecht für den Betriebsrat in der Regel die größte Bedeutung, da sowohl die Aufstellung der Dienstpläne und damit die Dauer der täglichen Arbeitszeit als auch die Einrichtung einer Arbeitsbereitschaft, Rufbereitschaft oder eines Bereitschaftsdienstes nach der Rechtsprechung ohne die Zustimmung des Betriebsrats nicht möglich ist. Zu beachten ist aber, dass der Umfang der vom Arbeitnehmer geschuldeten Wochenarbeitszeit nicht mitbestimmt ist. Diese ergibt sich in der Regel aus dem anzuwendenden Tarifvertrag (zum Beispiel § 7 Abs.1 TV-Ärzte/VKA) oder der arbeitsvertraglichen Vereinbarung.
    • Vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit (Nr.3) – Dieses Mitbestimmungsrecht ist ebenfalls ein zentrales Betätigungsfeld für den Betriebsrat. Zweck dieses Mitbestimmungsrechts ist die angemessene Verteilung der mit einer vorübergehenden Änderung der Arbeitszeit verbundenen Belastungen und/oder Vorteile. Danach ist ohne die Zustimmung des Betriebsrats die Anordnung von Überstunden nicht möglich. Dieses Mitbestimmungsrecht erstreckt sich auf die Frage, ob und in welchem Umfang Überstunden zu leisten sind und welche Arbeitnehmer diese Überstunden leisten sollen. Zu beachten ist, dass sich dieses Recht nicht nur auf die ausdrückliche Anordnung von Überstunden bezieht, sondern sich auch auf den in der Praxis häufigen Fall der Duldung geleisteter Überstunden durch den Arbeitgeber erstreckt. In diesem Zusammenhang, wie auch im Falle der Nr.2, kommt der Überprüfung der Einhaltung der Grenzen des Arbeitszeitgesetzes durch den Betriebsrat besondere Bedeutung zu.
    • Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festlegung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und dem beteiligten Arbeitnehmer kein Einverständnis erzielt wird (Nr.5) – Das Mitbestimmungsrecht bezieht sich nicht auf die Dauer des Urlaubs. Diese ergibt sich aus den gesetzlichen (Bundesurlaubsgesetz (BUrlG)), tarifvertraglichen oder arbeitsvertraglichen Vereinbarungen. Durch dieses Mitbestimmungsrecht wird lediglich das dem Arbeitgeber bei der Festlegung der Lage des Urlaubs zustehende Gestaltungsrecht beschränkt. Danach sollen die Urlaubswünsche der einzelnen Arbeitnehmer und das betriebliche Interesse am Betriebsablauf unter Berücksichtigung der zwingenden Vorschriften des BurlG und der einschlägigen Tarifverträge sinnvoll ausgeglichen werden. Auch müssen die unterschiedlichen Interessen einzelner Arbeitnehmer koordiniert werden. Das Mitbestimmungsrecht besteht in jedem Einzelfall. Können sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht einigen, entscheidet die Einigungsstelle.

      Unabhängig vom Beginn und Ausgang des Mitbestimmungsverfahrens kann der Arbeitnehmer seinen Urlaubsanspruch gerichtlich geltend machen.
       
    • Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung (Nr.10) – Obwohl Fragen der Lohngestaltung häufig in Tarifverträgen geregelt werden, lassen viele Tarifverträge den Betriebsparteien noch Regelungsspielräume, die sie mithilfe dieses Mitbestimmungsrechts ausfüllen sollen und können. Auch der MB-Tarifvertrag mit den kommunalen Arbeitgebern (TV-Ärzte/VKA) sieht in §20 Abs.2 bei der Leistungsbewertung im Rahmen der Stufenlaufzeit die Beteiligung der Betriebspartner vor.

    Weitere Mitbestimmungsrechte finden sich in §91 BetrVG (Änderung der Arbeitsplätze, des Arbeitsablaufs oder der Arbeitsumgebung), §94 (Erstellung von Personalfragebögen), §95 (Aufstellung von Personalauswahlrichtlinien bei Betrieben mit mehr als 500 Arbeitnehmern), §98 (Durchführung von Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung) und §112 (Aufstellung eines Sozialplans).

    Maßnahmen der Mitwirkungsrechte

    Im Gegensatz zu den Mitbestimmungsrechten können Maßnahmen, die unter die Mitwirkungsrechte fallen, auch einseitig vom Arbeitgeber durchgeführt werden. Der Zustimmung des Betriebsrats bedarf es in diesen Fällen nicht.

    Man unterscheidet zwischen den Informationsrechten (dem bloßen Recht des Betriebsrats, informiert zu werden), den Unterrichtungs- beziehungsweise Beratungsrechten (dem Recht des Betriebsrats, bestimmte Fragen mit dem Arbeitgeber zu erörtern) und den Widerspruchs- oder Anhörungsrechten (dem Recht des Betriebsrats einer Maßnahme (z. B. beabsichtigten Kündigung) zu widersprechen, ohne sie verhindern zu können).

    Eine besondere Stellung nimmt das Widerspruchsrecht in §99 Abs.2 BetrVG (sogenanntes negatives Konsens­prinzip) ein. Hier kann der Betriebsrat eine Maßnahme des Arbeitgebers, ähnlich wie bei den Mitbestimmungsrechten, verhindern, aber nur dann, wenn er darlegt, dass die im Gesetz genannten Gründe gegeben sind.

    Zum Autor: Frieder Schmitt ist stellvertretender Geschäftsführer im MB-Landesverband Baden-Württemberg und dort Ansprechpartner zum Thema Mitarbeitervertretung.