• Rechtzeitig palliativ denken (Teil 8)

    Essenzielle Fakten, Neuigkeiten, kleine Interviews, Humorvolles. Standards zur Palliativversorgung.

    In der bitterbösen, aber wahren Satire „House of God“ von Samuel Shem ist die Regel Nummer XIII „The delivery of medical care is to do as
    much nothing as possible.” In der Tat: Die wahre ärztliche Kunst besteht oft in der Beschränkung auf das Wesentliche.

    Einige oft unbekannte Behandlungsoptionen

    PALLIATIVVERSORGUNG: TIPPS & TRICKS

    Leitlinien sind von he­­r­ausragender Bedeutung für den medizinischen Alltag. In schwierigen Situationen und bei (über)komplexen Herausforderungen helfen sie aber nicht immer weiter. Dann ist Wissen, Erfahrung, Geschick gefragt. Und immer wieder sind no-label oder off-label eingesetzte Therapien eine der wenigen sinnvollen Optionen – oder Zulassung, Leitlinie und Erfahrung widersprechen ei­­nan­der. Und es ist ganz richtig „Off label verschriebene Medikamente können mehr schaden als nützen“ (Z Palliativmed 2025; 26). Deshalb gilt es gerade in der Palliativversorgung off-label mit viel Verstand einzusetzen.

    Schauen Sie vielleicht noch einmal zur MBZ-Ausgabe 10 vom vergangenen Oktober. Es gibt kein einziges Medikament, das gegen das Symptom Dyspnoe zugelassen ist. Opioide sind hier Mittel der Wahl. In den Beipackzetteln dazu wird vor Dyspnoe gewarnt. Und erst seit wenigen Jahren untermauern Studien die Therapie und es gibt erste Leitlinien.

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    » In dieser Ausgabe finden Sie deshalb einige Behandlungsoptionen.

    Nekrotisierende Tumore

    Übelst riechend zerfallende Tumore können eine echte Her­ausforderung sein. Die üblichen Verbände nutzen wenig. Mit Aktivkohle und/oder Kompressen mit 2,5 prozentiger, wässriger Chlorophyll-Lösung können Gerüche gebunden werden. Die Wunde kann mit üblicher Haushaltsfolie geruchshemmend verschlossen werden, deren Ränder zum Beispiel mit Zinkpaste auf der gesunden Haut haften. Oder probieren Sie einige Tage Metronidazol Off-label. Die intravenöse Lösung in eine Sprühflasche füllen und großzügig beim Verbandwechsel aussprühen. Topisches Metronidazol wirkt oft wahre Wunder.

    Expidet-Tabletten

    Einige Expidets wirken tatsächlich direkt durch die Mundschleimhaut, Buprenorphin zum Beispiel. Bei Lorazepam ist dies anders. Es wird erst im Dünndarm resorbiert und bleibt bei Schluckstörungen deshalb ein Placebo. Erst seit wenigen Jahren verschwindet die Falschinformation der buccalen Resorption von Lorazepam aus den Lehrbüchern.

    Was kaum bekannt ist: Alle Expidets können rektal eingesetzt werden und wirken dort wesentlich schneller als bei der Anwendung „von oben“! Gerade in Pflegeeinrichtungen ist das Personal begeistert von dieser Option.

    Subkutane Gabe in der Sterbephase

    Im ambulanten Bereich sind intravenöse Zugänge oft keine Option. Die meisten Medikamente können auch ohne Zulassung subkutan ebenso effektiv gegeben werden. Wenn Angehörige spritzen sollen, ist es oft sinnvoll, eine Butterfly-Nadel oder Venüle subkutan zu platzieren. Es gibt auch spezielle Subkutannadeln dafür. Geeignet dafür sind Bauch, Oberarme und Oberschenkel. Wenn die Um­gebung nicht gereizt wird, kann der Zugang bis zu einer Woche liegen bleiben. Eine Basisinfusion zum Offenhalten ist nicht erforderlich.

    Dosierungen, Lock-Out-Intervalle

    Viele Dosierungen in der Palliativversorgung müssen deutlich nach oben oder auch nach unten angepasst werden. Gerade bei Opioiden gibt es bei guter Wirkung und tolerablen Nebenwirkungen prinzipiell kaum eine Obergrenze.

    Bei den schnellwirksamen Opioiden (Rapid Onset Opioid, ROO) orientieren sich die Zulassungen allesamt an jener für Morphin. Das ist alltagsuntauglich. Morphin braucht bis zu einer Stunde zur vollen Wirkung und wirkt vier bis sechs Stunden. Fentanyl nasal nur rund fünf Minuten und die Wirkung ist nach einer Stunde abgeklungen.

    Wenn ich mit einem ROO eine Ersteinstellung titrierend machen will, muss ich ausreichend oft nachdosieren, um kumulative Dosen zu erreichen. Aber ich darf nicht so häufig nachdosieren, dass ich eine unerwünscht hohe Dosis mit einer Atemdepression bekomme.

    Die gängige Literatur empfiehlt für ROO deshalb bei nasalem Fentanyl und intravenösen Opioiden ein Lock-Out-Intervall von 5 bis 10 Minuten und für orale Opioide 30 bis 60 Minuten. Die Dosis kann symptomorientiert wiederholt werden, bis zur gewünschten Linderung.

    Rasselatmung

    Unschön „Todesrasseln“ genannt, es tritt häufig auf, wenn die Patienten bis kurz vor der Sterbephase noch gut gegessen und getrunken haben oder auch (sinnlos!) infundiert wurden. Absaugen hilft meist wenig. Beim tiefen Absaugen dieser moribunden Patienten kommt es zudem gehäuft zu einer reflektorischen Asystolie.

    Eine Seitenlage hilft meist sofort und die Atmung ist deutlich entspannter. Scopoderm-Pflaster wirken auf die dünne Haut hinter dem Ohr geklebt binnen zwei Stunden, reicht ein Pflaster nicht aus, kann die Dosis auch erhöht werden. Selten reicht auch schon ein Viertel Pflaster aus.

    Medikamentenpflaster

    Die gängigen Pflaster sind nicht zur Teilung zugelassen, weil sie nicht zuverlässig exakt zerschnitten würden. Aber (MATRIX)Pflaster können geteilt werden. Die geschieht dann auf ärztliche Verantwortung off-label.

    Revervoirpflaster dürfen und können niemals geteilt werden! Sie würden auslaufen. Dies hat in der Vergangenheit zu tödlichen Zwischenfällen geführt.

    Entlastungs-PEG

    Bei inoperablen Befunden mit

    einem Ileus sollte der mechanische Ileus mit Hyperperistaltik in einen paralytischen Ileus überführt werden. Der macht deutlich weniger Beschwerden.

    Dies gelingt zum Beispiel mit Dimenhydrinat statt MCP. Wenn dann eine möglichst großlumige PEG-Sonde gelegt wird, kann der Patient weiter trinken und sehr gut gekaut auch essen.

    Kommt Brechreiz, kann der Magendruck durch die PEG entlastet werden. In Einzelfällen können Patienten so über viele Wochen trotz komplettem Ileus bei zufriedenstellender Lebensqualität essen, trinken, leben.

    Und am Ende in der Regel ohne Miserere sterben!

    SCHRITTMACHER UND DEFIS

    Immer wieder kommt von Patienten und Angehörigen die Frage: Stören Schrittmacher und Defibrillatoren eigentlich beim Sterben? Schrittmacher können ein Leben beziehungsweise Sterben verlängern, wenn der Patient von der Stimulation abhängig ist. Aber die Stimulation an sich wird nicht als störend empfunden.

    Anders der Defi: Hier kann es in der Sterbephase zu wiederholten Schocks kommen. Wer dies einmal gesehen hat, möchte es kein zweites Mal mehr erleben. Die Schocks können durch Auflegen eines passenden Magneten zuverlässig verhindert werden.

    Besser ist es, rechtzeitig darüber zu reden. Auf Wunsch kann dann der SM und sollte der Defi rechtzeitig mit einem entsprechenden Gerät deaktiviert werden.

    Medikamente, die zur subkutanen Gabe geeignet sind
    • Alle Opioide
    • Butylscopolamin
    • Clonazepam
    • Dexamethason
    • Diclofenac
    • Dimenhydrinat
    • Esketamin
    • Esomeprazol
    • Glycopyrroniumbromid
    • Furosemid
    • Haloperidol
    • Ketamin
    • Levopromazin
    • Lorazepam
    • Metamizol
    • Metylnaltrexon
    • Midazolam
    • Metoclopramid
    • Ondasetron
    • Pantoprazol