• „‘Für Ihren beruflichen Weg alles Gute‘. Das ist zynisch!“

    Interview
    23.Mai 2025
    In Deutschland gibt es schätzungsweise mehrere tausend Ärztinnen und Ärzte mit Behinderung. Eine davon ist Teresa Sandmann aus Leipzig, die seit Jahren erfolglos eine Weiterbildungsstelle sucht. Auf ihre Situation hat der Marburger Bund Sachsen vor einem Jahr mit der Aktion „Für gleiche Chancen“ aufmerksam gemacht. Wie es ihr in der Zwischenzeit ergangen ist, berichtet sie im Interview.
    Wir haben vor rund einem Jahr über Ihre Situation berichtet. Welche Reaktionen haben Sie daraufhin erhalten?

    Ich habe ebenso ehemalige Kommilitonen und Bekannte auf diese Situation aufmerksam gemacht. Einige waren darüber erschrocken, andere haben versucht, mich aufzumuntern und mir Mut zuzusprechen, wieder einige wollten mir bei der Stellensuche behilflich sein. Dabei geht es nicht darum eine Anstellung zu finden, davon gibt es ja genug. Das Problem ist nach wie vor die fehlende Bereitschaft von Seiten potenzieller Arbeitgeber, Ärzten mit Beeinträchtigung bei sich willkommen zu heißen, ihnen offen sowie auf Augenhöhe zu begegnen und der damit verbundenen Herausforderung tolerant gegenüberzutreten.

    Wie verlief Ihre Suche nach einer Weiterbildungsstelle in den vergangenen Monaten?

    Unverändert. Unverändert. Auch weitere Bewerbungen auf sehr interessante, für mich passende Stellenausschreibungen und absolvierte Vorstellungsgespräche endeten letztlich immer mit einer Absage.

    Außerdem stellte ich Kontakt zu einem Mitarbeiter der Arbeitsagentur her, der schwerbehinderte Akademiker auf der Suche nach einer Anstellung berät. Daraufhin bewarb ich mich bei der Agentur für Arbeit initiativ als Ärztin. Dies wurde abgesagt mit der Begründung, dass mir die praktische Erfahrung fehlt. Woher soll ich sie haben, wenn meine Bewerbungen für Stellen ärztlicher Tätigkeiten im klinischen Bereich abgelehnt wurden? Da beißt sich die Katze in den Schwanz.

    Eine Arbeitsvermittlerin der Agentur für Arbeit ist inzwischen auch hilflos und meinte zu mir „man könne keinen Arbeitgeber zwingen mich einzustellen, es ist eben so, die bezahlen dann eben die Ausgleichsabgabe.“ Offensichtlich hat sie keine Ahnung davon, dass dies nur ein Schein ist: zwar wird eine Ausgleichsabgabe von Arbeitgebern monatlich entrichtet, wenn unter bestimmten Umständen nicht genügend Mitarbeiter mit Schwerbehinderung eingestellt sind, jedoch ist dieser Betrag steuerlich absetzbar, sodass ein Unternehmen keine finanziellen Einbußen zu erwarten hat und weiterhin dazu ermutigt wird die Einstellung schwerbehinderter Menschen zu ignorieren.

    Nennen Ihnen die Arbeitgeber explizite Gründe für diese Absagen?

    Sehr oberflächlich, sinngemäß „Wir haben uns für einen anderen Bewerber entschieden, der für uns am besten zu dieser ausgeschriebenen Stelle passt.“ Zum Schluss kommt immer noch Zeile „Für Ihren beruflichen Weg alles Gute“. Das ist zynisch!

    Wenn die eigentlichen Gründe wären, dass man Ihnen nicht zutraut, die geforderten Tätigkeiten bewältigen zu können – was würden Sie darauf erwidern?

    Es wird um den heißen Brei herumgeredet, anstatt Vorbehalte oder Unsicherheiten offen und direkt anzusprechen. Eine Behinderung kann auch bei der Arbeit Einschränkungen nach sich ziehen. Diese Einschränkungen sind kompensierbar, es gibt viele Fördermaßnahmen. Deshalb bin ich nicht ungeeignet. Entscheidend ist, dass Arbeitgeber auch meine Stärken in der ärztlichen Tätigkeit erkennen und davon überzeugt sind. Selbst wenn Einstellungsvorbehalte seitens der Arbeitgeber vorliegen, kann ich auch über eine Probebeschäftigung eingestellt werden. Dadurch entstehen keine finanziellen Einbußen für Arbeitgeber, das Entgelt wird für eine bestimmte Zeit vom Rehaträger übernommen.

    Genauso könnte man mir eine Arbeitserprobung anbieten als Praktikum/Hospitation, bei Überzeugung dann einstellen. Parallel dazu würde man einen anderen Bewerber auch einstellen. Die Finanzierung erfolgt dann für den einen Bewerber über den Arbeitgeber, ich werde durch Fördermittel mitfinanziert. Das geht auch. So würde man für eine Stelle doppelt so viel Arbeitnehmer besitzen, was für alle Seiten eine Win-win- Situation wäre.

    Desweiteren würde ich zu verstehen geben, dass es mir nicht darum geht eine Anstellung aus Mitleid zu erwirken, sondern dass es mein Beruf und deshalb auch meine Pflicht ist, mich für die Gesundheit in dieser Gesellschaft einzusetzen. Dem möchte ich endlich nachkommen und meinen Job als Ärztin   hochmotiviert, konzentriert und mit voller Ernsthaftigkeit durchführen. Der Arztberuf ist für mich eine Erfüllung, den ich trotz einiger Schwierigkeiten und Herausforderungen, auch fernab meiner körperlichen Einschränkung, mit Freude ausüben will.

    Wo liegen Ihrer Meinung nach die Ursachen für Ihre Odyssee auf der Suche nach einer Weiterbildungsstelle?

    Es werden Ärzte gesucht, die sich an das Gesundheitssystem anpassen. Bei mir müsste sich das System an mich anpassen – das ist nicht gewollt. Zeit ist Geld, und die für die Umsetzung notwendige Umstrukturierung und die Beantragung von Fördermitteln nimmt viel zu viel Zeit in Anspruch. Das will niemand. Das passt nicht in das deutsche Gesundheitssystem.

    Was werden Ihre nächsten Schritte sein?

    Ich versuche mich weiter gegen diesen Psychoterror zu stemmen und außerdem gesundheitlich stabil zu bleiben. Dieses Martyrium zerrt an meinen Kräften. Ich werde mich weiter auf ausgeschriebene Stellen bewerben. Wahrscheinlich ist es endgültig an der Zeit, auch die Politik mit einzuschalten sowie die Ärztekammer auf Bundesebene mit einzubeziehen. Des Weiteren werde ich jetzt den Schritt wagen müssen, mir auch juristischen Beistand einzuholen.

    Gibt es darüber hinaus noch etwas, das Sie unseren Mitgliedern mitteilen möchten?

    Bitte stehen Sie auf! Ergreifen Sie Partei für ihre ärztlichen Kolleginnen und Kollegen mit Schwerbehinderung. Helfen Sie mit, zeigen Sie Courage und setzen Sie sich der Diskriminierung von Ärztinnen und Ärzten mit Schwerbehinderung entgegen!

    Universitätskliniken, Krankenhäuser und andere medizinische Einrichtungen werden als sozialer  Baustein angesehen. Selbiges wird auch uns Ärzten zugeschrieben. Dabei gleicht es einem absoluten Widerspruch - einem Skandal - dass ärztliche Kollegen derartige Herabwürdigung und Diskriminierung in ihrem Beruf erleben müssen bzw. alle beruflichen Chancen zunichte gemacht werden, sobald eine Schwerbehinderung vorhanden ist. Jeder Arzt wird mal krank. Auch ein Arzt braucht irgendwann einen Arzt. Ob Krankheiten, Unfälle, Naturkatastrophen oder anderen, der Mensch auch Sie als Ärzte können auch eine Schwerbehinderung erleiden. Was dann?