• Situation für Ärzte in sächsischen Krankenhäusern spitzt sich zu

    Pressemitteilung
    Umfrage unter Klinikärztinnen und -ärzten bestätigt: Steigende Zahl von COVID-19-Patienten bringt Krankenhäuser an ihre Belastungsgrenze
    07.Dezember 2020
    Dresden
    Im Vergleich zu anderen Ländern ist der Freistaat Sachsen von der ersten Pandemiewelle nahezu verschont geblieben. Nun hat sich die Situation radikal verändert und die Lage verschärft sich weiter. Die Belastung in den sächsischen Kliniken steigt mit jedem Tag. Es wird immer schwieriger, andere Notfallpatienten angemessen zu versorgen, da Covid-19-Patienten zunehmend personelle Kräfte auf den Normal- und Intensivstationen binden. Die hohe Belegung bringt die Ärztinnen und Ärzte an ihr Limit. Das hat der Marburger Bund Sachsen vergangene Woche mit einem dringenden Appell deutlich gemacht. Nun legt der Ärzteverband die Ergebnisse einer sachsenweiten Mitgliederumfrage vor, um die Forderungen mit konkreten Zahlen zu belegen.
    Ärztinnen und Ärzte am Limit

    Laut der Ad-hoc-Umfrage von vergangener Woche sagen über 70 Prozent der befragten Ärztinnen und Ärzte, dass ihre Klinik innerhalb der letzten 10 Tage die Behandlung von Nicht-Corona-Patienten einschränken musste, weil „Corona-Patienten“ Ressourcen binden. In Kliniken mit mehr als 35 Covid-19-Erkrankten sind es sogar 85 Prozent. Nur ein Drittel der Befragten meint, dass die Anzahl der als verfügbar gemeldeten Intensivbetten mit dem vorhandenen Personal tatsächlich betreibbar ist.

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    In einigen sächsischen Kliniken sind die Belastungsgrenzen erreicht. Covid-19 Patienten können nicht mehr aufgenommen werden. Das muss uns alle alarmieren, so der Marburger Bund Sachsen. In den Krankenhäusern, die mehr als 30 Covid-19-Patienten versorgen müssen, glaubt nur ein Viertel der befragten Ärztinnen und Ärzte, dass sie noch weitere vier Wochen unter den aktuellen Bedingungen durchhalten können.

    Wenn Kapazitäten erschöpft sind, muss medizinisches Personal unter Zeitdruck entscheiden, wer eine lebensrettende Behandlung erhalten kann und wer nicht. „Eine solche Situation muss unbedingt verhindert werden. Das können und wollen wir nicht zulassen“, erklärt die 1. Vorsitzende des Marburger Bundes Sachsen Dipl.-Med. Sabine Ermer.

    Schutzverordnung muss konsequent angewendet werden

    Planbare Eingriffe, die keine medizinische Dringlichkeit haben, müssen auf ein Minimum reduziert werden, um die vorhandenen personellen Kapazitäten für Covid-19-Patienten, aber auch für andere Notfallpatienten vorhalten zu können, hatte der Marburger Bund Sachsen bereits in seinem Appell gefordert. Für die belasteten Krankenhäuser in Sachsen muss Erleichterung geschaffen werden. Es müssen klare politische Signale folgen, planbare operative Eingriffe zurückzustellen, soweit sie nach individueller ärztlicher Beurteilung keine Dringlichkeit haben. Es ist sicherzustellen, dass den Kliniken aus diesem notwendigen Vorgehen kein wirtschaftlicher Schaden erwächst.

    Die politisch Verantwortlichen in den Landkreisen müssen die Umsetzung der bestehenden Infektionsschutzregeln konsequent durchsetzen, um eine weitere Verschärfung der Situation zu verhindern. Alle Mitbürgerinnen und Mitbürger sind aufgerufen, ihren Beitrag zur Eindämmung der Infektion zu leisten. Wir brauchen die Unterstützung aller, damit die Neuinfektionen nicht weiter steigen und die derzeitige Welle gestoppt wird, so der Marburger Bund Sachsen in seinem Aufruf. Nur gemeinsam lässt sich die Pandemie bekämpfen, dazu ist die Unterstützung aller Bevölkerungsteile wichtig. Jeder Einzelne muss jetzt die sächsische Corona Schutz-Verordnung ernst nehmen.

    Gesundheitsschutz hat höchste Priorität

    Die Situation beim Thema Schutzausrüstung hat sich hingegen verbessert, 79 Prozent der Umfrageteilnehmer beurteilen deren Verfügbarkeit aktuell als ausreichend. Die knapp 15 Prozent, die ohne ausreichende Schutzausrüstung arbeiten müssen, sind angesichts des bestehenden Infektionsrisikos noch immer 15 Prozent zu viel! „Als Marburger Bund hören wir auch von Engpässen, vor allem bei der Beschaffung von FFP 2-Masken. Arbeitgeber rufen teilweise zum sparsamen Gebrauch von Schutzausrüstung mit Verweis auf Kosten und Beschaffungsprobleme auf. Das ist für den Marburger Bund absolut untragbar!“, kritisiert Marburger Bund Sachsen Vorstandsmitglied Dr. Peter Schreiter. Der Gesundheitsschutz des Klinikpersonals muss höchste Priorität haben.

    Arbeitszeitgesetz muss eingehalten werden

    Mit Selbstverständlichkeit arbeiten bereits jetzt viele Ärztinnen und Ärzte in Sachsen deutlich mehr Stunden als vertraglich vereinbart, um die Patientenversorgung sicherzustellen. In den Kliniken mit besonders vielen Coronafällen (mehr als 70) arbeiten laut der Umfrage des Marburger Bundes Sachsen mindestens 40 Prozent der Ärztinnen und Ärzte mehr als vertraglich vorgesehen. Knapp 70 Prozent der Befragten können gar keine bzw. keine regelmäßigen Pausen machen.

    Folie 2 Pausen

     

    Die Forderung der sächsischen Landesärztekammer nach einer Abweichung von gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitszeithöchstgrenzen und einer Aussetzung von Personaluntergrenzen ist für den Marburger Bund Sachsen daher völlig unverständlich. Diesen Überlegungen hat der Landesverband bereits mehrfach entschieden widersprochen. „Wir wissen, was es derzeit bedeutet, in den Krankenhäusern rund um die Uhr im Einsatz zu sein. Wer einmal gesehen hat, wie Ärztinnen, Ärzte und das Pflegepersonal in Schutzanzügen über mehrere Stunden Covid-19-Patienten behandeln, weiß auch, dass das Schwerstarbeit ist.“, erklärt Schreiter. Im Interview mit dem MDR „Sachsenspiegel“ hatte er sehr deutlich beschrieben, wie sich die aktuelle Situation auf vielen Intensivstationen darstellt. Ohne Ruhephasen, wie sie das Arbeitszeitgesetz vorschreibt, lässt sich das nicht schaffen. Die physische wie auch die psychische Belastung ist enorm. Der Winter ist noch lang – wer jetzt Grenzen aufweicht, riskiert, dass in zwei Monaten noch weniger Personal einsatzfähig ist.

    Hintergrund

    Der Marburger Bund Sachsen hat zwischen 25. November und 1. Dezember 2020 in einer Ad-hoc-Online-Umfrage etwa 3.400 angestellte Ärztinnen und Ärzte zu ihrer aktuellen Arbeitssituation in der Corona-Pandemie befragt. 513 haben sich daran beteiligt, 414 davon arbeiten ausschließlich im Krankenhaus.