• Berufs- und gesundheitspolitisches Forderungspaket an die Politik

    Delegierte der Hauptversammlung fassen 13 Beschlüsse
    24.September 2018
    Köln
    Gut 170 Delegierte des Marburger Bundes Nordrhein-Westfalen/Rheinland-Pfalz haben auf der Hauptversammlung am vorigen Samstag in Köln insgesamt 13 Beschlüsse gefasst. Neben dem Positionspapier zur fortschreitenden Ökonomisierung des Gesundheitswesens, wurden auch Forderungen an die Politik gestellt und vor Finanzinvestoren gewarnt, die im solidarisch finanzierten Gesundheitssystem Renditen erwirtschaften wollen. Ferner fordern die Hauptversammlung u.a., die Rahmenbedingungen für Organspenden zu verbessern, Ärzte besser vor Gewalt zu schützen, die G-BA-Bestimmungen zur Notfallversorgung zu stoppen, Fachsprachenkenntnisse auch in der Pflege, die Stärkung der kollektiven Privatautonomie, die Stärkung des Öffentlichen Gesundheitswesens und eine faire Vergütung und strukturierte Ausbildung im Praktischen Jahr. Lesen Sie alle Beschlüsse nachfolgend im Wortlaut:

    Beschluss Nr. 1
    der Hauptversammlung des Marburger Bundes Nordrhein-Westfalen/Rheinland-Pfalz am 22. September 2018

    Patienten brauchen Ärzte, keine Ökonomen

    Positionspapier des Marburger Bundes LV Nordrhein-Westfalen/Rheinland-Pfalz

    Die Ökonomisierung der Gesundheitsversorgung, die in stationären Einrichtungen seit der Einführung des "DRG-Systems" im Jahr 2003 immer stärker fortschreitet, gefährdet die Gesundheit von Beschäftigten und Patienten.

    Patienten haben aber das Recht auf eine gute medizinische Versorgung jenseits ökonomischer Überlegungen. Nur gesunde Ärzte, Pflegekräfte und Therapeuten können ihren Patienten helfen. Direkte negative Folgen der fortschreitenden Ökonomisierung sind eine suboptimale Patientenversorgung, eine geringere Zufriedenheit der Patienten, ein verminderter Zugang zur Versorgung und erhöhte Gesundheitskosten.

    Die produktivitätsorientierte Vergütung des DRG-Systems lässt keine Zeit für Patienten außerhalb der ärztlichen Kernleistung. Sie erhöht zudem kontinuierlich die Anforderungen an die Dokumentation und Arbeitsplatzstruktur des Arztes. Auch die Budgetierung der Gesundheitsausgaben, fehlende Investitionsmittel der Bundesländer und viele Beschlüsse des G-BA haben nicht nur zu erhöhtem Arbeits- und Verwaltungsaufwand geführt, der nicht der Patientenversorgung dient und die Beschäftigten im Gesundheitswesen überlastet. Ärzte werden täglich aufgefordert, Bettenbelegung unter ökonomischen Gesichtspunkten zu steuern. Zeit für Zuwendungsmedizin geht verloren.

    Unsere Gesellschaft und die Arbeitgeber, aber auch wir Ärztinnen und Ärzte haben die Pflicht, der durch die fortschreitende Ökonomie bedingten Überlastung der Beschäftigten im Gesundheitswesen aktiv entgegen zu wirken und mehr Zeit für Patienten einzufordern.

    Daher stellt die Hauptversammlung des Marburger Bundes Nordrhein-Westfalen/Rheinland-Pfalz folgende Forderungen:

    Der Marburger Bund fordert von der Politik:

    • Politik und Institutionen der Gesundheitspolitik müssen Regeln und Richtlinien so aufstellen, dass die übermäßige Verwaltungsarbeit reduziert wird. Regulatorische und dokumentarische Vorgaben müssen besser an die tatsächlichen Anforderungen der ärztlichen Tätigkeit in Kliniken angepasst werden.

    • Insbesondere die nun geplante Qualitätsorientierte Krankenhausplanung darf nicht zur weiteren Überlastung führen.

    • Das Gesundheitssystem muss finanziell so ausgestattet sein, dass die Qualität der Versorgung der Patienten flächendeckend gesichert ist und die Gesundheit der Beschäftigten nicht mehr gefährdet wird.

    • Das Krankenhausfinanzierungssystem muss durch ein neues Vergütungssystem ersetzt werden, das die Kosten der aus ärztlicher Sicht nötigen Versorgung der Patienten tatsächlich deckt. Die Bundesländer müssen den Kliniken die nötigen Investitionsmittel vollumfänglich zur Verfügung stellen.

    Der Marburger Bund fordert von den Arbeitgebern:

    • Die Arbeitgeber müssen sinnvolle Unterstützungssysteme für Beschäftigte im Gesundheitswesen etablieren. Dazu gehörten auch angemessene Übungsressourcen und Möglichkeiten, um das Tempo und den Umfang der Arbeit zu steuern.

    • Technologische Innovationen müssen dazu beitragen, den Verwaltungsaufwand zu reduzieren.

    • Eine angemessene Personalausstattung ist unabdingbare Voraussetzung für den Gesundheitsschutz der Beschäftigten und Patienten sowie die Qualität der Patientenversorgung.

    • Durch die Vereinbarung und Einhaltung tariflicher und betrieblicher Regelungen - etwa zum Familienurlaub und zur Flexibilität bei der Arbeitszeitplanung - muss den durch die Ökonomisierung bedingten Eingriffen in das Privatleben der Beschäftigten Einhalt geboten werden.

    • Ärztinnen und Ärzte müssen von überbordenden administrativen Tätigkeiten entlastet werden.

    • Arbeitgeber müssen die medizinische Versorgung wieder in den Vordergrund stellen. Mit Hilfe einer Personalentwicklung muss dem Diktat der Ökonomie entgegengewirkt werden.

    • Arbeitgeber müssen die Patientenversorgung optimieren, indem sie Ärzte und andere Teammitglieder in die Lage versetzten, die Arbeit zu verrichten, für die sie speziell ausgebildet und nicht durch die der Ökonomie geschuldete Tätigkeiten von der Patientenversorgung ferngehalten werden.

    • Die interprofessionelle Zusammenarbeit, die unter dem ökonomischen Druck zurzeit verhindert wird, muss intensiviert werden, etwa durch Personalmodelle, Initiativen zur Prozessverbesserung, Reduzierung der Arbeitsbelastung und Steuerung der Arbeitsintensität.

    Der Marburger Bund fordert von der Ärzteschaft:

    • Ihre besondere Rolle im Gesundheitswesen selbstbewusst wahrzunehmen und sich gegen Fehlentwicklungen im Interesse ihrer eigenen Gesundheit, der ihrer Patienten und aller Beschäftigten zu wehren. 

    • Ihr ärztliches Handeln stets am Wohl des Patienten auszurichten. Dies hat gegenüber ökonomischen Überlegungen absoluten Vorrang.

    • Mehr Zuwendungszeit für Ihre Patienten betrieblich und politisch einzufordern.

    • Der eigenen Gesundheit, aber auch sämtlicher Mitarbeiter eine höhere Priorität einzuräumen.

    • Als Führungskräfte die Möglichkeiten zur sozialen Vernetzung und gemeinsamen Entscheidungsfindung zu fördern, umso mehr gemeinsames Engagement in Kliniken aufzubauen und die Grundlage für eine gesündere Belegschaft zu entwickeln, die eine hohe qualitative Patientenversorgung ermöglicht.

    • Die Patientenversorgung zu optimieren, indem sie Ärzte und andere Teammitglieder in die Lage versetzten, die Arbeit zu verrichten, für die sie speziell ausgebildet sind.

    Literatur:

    „Nur Gesunde Ärzte, Pflegekräfte und Therapeuten können ihren Patienten am besten dienen. Eine sinnhafte Arbeit, gute Beziehungen zu den Patienten, positive Teamstrukturen und soziale Bindungen am Arbeitsplatz sind wichtige Faktoren für das Wohlbefinden der Ärzte. Allerdings seien Probleme wie Unzufriedenheit, Burnout-Symptome, „relativ hohe Depressionsraten“ und ein erhöhtes Selbstmordrisiko für Ärzte weit verbreitet. „Diese Probleme sind mit suboptimaler Patientenversorgung, geringerer Patienten Zufriedenheit, vermindertem Zugang zur Versorgung und erhöhten Gesundheitskosten verbunden.“ (JAMA 2018; doi: 10.1001/jama.2018.1331).

    Beschluss Nr. 2

    der Hauptversammlung des Marburger Bundes Nordrhein-Westfalen/Rheinland-Pfalz am 22. September 2018

    Patienten brauchen Ärzte - keine Ökonomen

    Der Marburger Bund Nordrhein-Westfalen/Rheinland-Pfalz fordert insbesondere die Entscheidungsträger im Bund und in den Ländern auf, zukünftig bei allen gesetzgeberischen Maßnahmen im Gesundheitswesen das Primat einer unabhängigen ärztlichen Entscheidung (Freier Beruf) in den Vordergrund zu stellen. 

    Bund und Länder werden aufgefordert, sich nicht aus ihrer Verantwortung zur Daseinsfürsorge zu entziehen und daher aufgefordert der industrialisierten und merkantilisierten Gesundheitsversorgung gesetzgeberisch Einhalt zu gebieten.

    Insbesondere mit Blick auf die Krankenhausfinanzierung ist ein grundlegendes Umdenken erforderlich. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen zur Krankenhausfinanzierung sowohl im investiven Bereich, als auch hinsichtlich der Betriebskosten, muss um alle wirtschaftlichen Anreize bereinigt werden, um einer Gewinnmaximierung insbesondere durch private, kommerzielle Investoren Einhalt zu gebieten. Dies kann durch die verstärkte Wiedereinführung von z. B. Kostenerstattungsgrundsätzen erfolgen. Die Ersetzung tagesgleicher Pflegesätze durch eine fallbezogene Vergütung der Krankenhäuser hätte schon Mitte der 90er Jahre nicht zwingend mit der Schaffung der Möglichkeit von Gewinnmaximierung einhergehen müssen.

    Der Marburger Bund kritisiert mit Nachdruck, dass die ambulante wie stationäre ärztliche Versorgung der Bevölkerung primär durch ökonomische Vorgaben geprägt und die Freiheit der ärztlichen Entscheidung in Diagnostik und Therapie weiter in den Hintergrund gedrängt wird.

    Beschluss Nr. 3

    der Hauptversammlung des Marburger Bundes Nordrhein-Westfalen/Rheinland-Pfalz am 22. September 2018

    Finanzinvestoren kaufen immer mehr Praxen auf - schleichende Industrialisierung gefährdet medizinische Versorgung

    Der Marburger Bund Nordrhein-Westfalen-Rheinland-Pfalz warnt vor der schleichend fortschreitenden Industrialisierung des deutschen Gesundheitswesens. Kliniken und Praxen dürfen nicht zu Rendite- oder Spekulationsobjekten verkommen. Renditebestrebungen sind im Gesundheitswesen ethisch nicht verantwortbar.

    Der Marburger Bund fordert die Gesetzgeber in Land und Bund auf, mit Hilfe von Ergänzungen des Heilberufsgesetzes und des Sozialgesetzbuches V diese kommerzielle Entwicklung und Monopolisierung umgehend zu stoppen. Seit einigen Jahren ist die verstärkte Bildung großer Praxisketten, die teils von Kollegen, aber auch immer häufiger von gewerblichen Investoren gegründet werden, zu beobachten. Diese Entwicklung gilt es umzukehren oder zumindest aufzuhalten.

    Mit Praxisketten werden aus einem solidarisch finanzierten Krankenversicherungssystem beträchtliche Finanzvolumina als Gewinne abgeschöpft. Versichertenbeiträge werden von Investoren so massiv entnommen, dass die Beiträge letztendlich erhöht werden müssen. Am Ende werden nicht nur die Kosten des Gesundheitssystems erheblich steigen, sondern auch die gewohnte Versorgungsqualität sinken.

    Was bei Radiologen, Laboren und mit Dialysezentren begann, ist längst von Kapitalgebern und Klinikketten der Pharmaindustrie auch schon auf andere medizinische Fächer wie die der Augenärzte, HNO-Ärzte und Orthopäden ausgeweitet worden. Hier entstehen Praxisketten, die mittlerweile auch die nötigen Zuweiserpraxen aufkaufen, um so ihre Rendite und Profitabilität noch weiter zu erhöhen. Große Klinikketten wie Helios haben hierzu bereits einen eigenständigen Geschäftsbereich eingerichtet.

    Beschluss Nr. 4 
    der Hauptversammlung des Marburger Bundes Nordrhein-Westfalen/Rheinland-Pfalz am 22. September 2018

    Rahmenbedingungen für Organspenden verbessern

    Der Marburger Bund Nordrhein-Westfalen/Rheinland-Pfalz fordert die verantwortlichen Krankenkassen auf, sicherzustellen, dass die Kosten für die Organentnahme in den Kliniken in Zukunft ausreichend finanziert werden.

    Der Marburger Bund begrüßt die Diskussion um eine verpflichtende Entscheidung jedes Einzelnen Bürgers zur Organspende, um der Bevölkerung nachhaltig deren Notwendigkeit vor Augen zu führen und dadurch auf einen Systemwechsel hinzuarbeiten.

    Die Entnahmekrankenhäuser aller Kategorien (A, B, C) nehmen in der Organspende eine Schlüsselstellung ein. Hier müssen im ersten Schritt mögliche Organspender erkannt werden und die Aufnahmedaten der jeweiligen Intensiveinheit direkt an den Transplantationsbeauftragten automatisch gemeldet werden. Hierzu ist eine Freistellung des Transplantationsbeauftragten von Routineaufgaben zur Erfüllung seiner Aufgaben nach dem Transplantationsgesetz notwendig. Die erforderlichen organisatorischen Voraussetzungen müssen geschaffen und beides muss ausreichend refinanziert werden.

    Für den weiteren Ablauf der Organspenden wird die Deutsche Stiftung für Organspende (DSO) informiert, um die jeweilig notwendigen Entnahmeteams zu organisieren. Das Entnahmekrankenhaus stellt das nötige ärztliche und pflegerische Personal, welches ebenso ausreichend finanziert und in den Personalanhaltszahlen aufgenommen werden muss.

    Auf diese Weise werden die Vorrausetzungen geschaffen, um das Leiden der Patienten auf den Wartelisten (ca. 10.000) zu verringern.

    Beschluss Nr. 5

    der Hauptversammlung des Marburger Bundes Nordrhein-Westfalen/Rheinland-Pfalz am 22. September 2018

    Gewalt gegen Ärzte - der Gesetzgeber muss handeln

    Der Marburger Bundes Nordrhein-Westfalen/Rheinland-Pfalz beklagt, dass die Aggressivität gegenüber Ärzten und anderen Berufsgruppen im Gesundheitswesen deutlich zunimmt. 

    Anlässlich der Morddrohungen und wiederholten lebensgefährlichen Angriffe auf Ärztinnen und Ärzte - etwa in der Uniklinik Köln und im Dortmunder St.-Josefs-Hospital im Juni - fordert der Marburger Bund den Gesetzgeber auf, ärztliche und helfende Berufsgruppen im Rahmen ihrer beruflichen und ehrenamtliche Tätigkeit unmittelbar und in gleicher Weise dem Schutzbereich des Straftatbestandes des § 113 Strafgesetzbuch zu unterstellen wie Amtsträger beim Vollzug ihrer hoheitlichen Tätigkeit.

    Es ist unerträglich, wenn diejenigen, die anderen Menschen zu helfen, tätlich angegriffen werden. Es mag bedauerlicherweise eine allgemeine Verrohung in unserer Gesellschaft vorliegen, aber Bedrohungen und tätliche Angriffe auf Ärztinnen und Ärzte sowie die Beschäftigten der Feuerwehr, der Polizei, der Rettungskräfte und der Pflegenden, MFA´s bis hin zu Ehrenamtlern im Rahmen ihrer Berufsausübung sind unter Strafe zu stellen.

    Beschluss Nr. 6

    der Hauptversammlung des Marburger Bundes Nordrhein-Westfalen/Rheinland-Pfalz am 22. September 2018

    Landarztquote schafft keine zusätzlichen Ärzte

    Der Marburger Bund Nordrhein-Westfalen/Rheinland-Pfalz kritisiert die bisherigen Bestrebungen in Nordrhein-Westfalen wie auch in anderen Bundesländern, im Rahmen der Zulassung zum Medizinstudium eine sogenannte "Landarztquote" zu etablieren. Besonders kritikwürdig ist in diesem Zusammenhang, dass die gegenwärtigen Planungen lediglich auf eine andere Verteilung der Zulassungen, nicht aber auf die dringend erforderliche Erhöhung der Studienplatzzahlen hinauslaufen. 

    Wenn man denn aber schon einen Sinn darin sieht, durch solche Zwangsmaßnahmen zukünftige Ärztinnen und Ärzte auf eine ärztliche Tätigkeit außerhalb der Ballungsgebiete zu verpflichten, so muss dieses Instrument gleichermaßen für den ambulanten wie stationären Sektor eingesetzt werden. Nicht nur die Nachbesetzung freiwerdender Kassenarztsitze im ländlichen Bereich stößt auf personelle Probleme, sondern auch die Besetzung freiwerdender Stellen in den Kliniken abseits der Ballungsgebiete. Auch hier sind Ärztinnen und Ärzte gleichermaßen für eine flächendeckende medizinische Versorgung der Bevölkerung erforderlich.

    Beschluss Nr. 7

    der Hauptversammlung des Marburger Bundes Nordrhein-Westfalen/Rheinland-Pfalz am 22. September 2018

    G-BA-Bestimmungen zur Notfallversorgung stoppen

    Der Marburger Bund Nordrhein-Westfalen/Rheinland-Pfalz fordert den Gesetzgeber auf, durch eine Änderung des Sozialgesetzbuches V, den im April vorgelegten Mindestvorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) für ein neues vierstufiges System der Notfallversorgung die Rechtsgrundlage zu entziehen und damit zu stoppen. Sie gefährden die gewohnte flächendeckende Versorgung unserer Notfall-Patienten im gesamten Bundesgebiet, u.a. auch in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz.

    Die Klinikärztinnen und -ärzte fordern ein mit Augenmaß gestaltetes, integriertes Zukunftskonzept für die ambulante und stationäre Notfallversorgung der Bevölkerung in allen Regionen beider Bundesländer. Niemandem ist damit gedient, wenn vorhandene stationäre Kapazitäten abgebaut werden, die für eine wohnortnahe, flächendeckende medizinische Versorgung der Bevölkerung derzeit unverzichtbar sind.

    Der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann und die rheinland-pfälzische Ministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler sind aufgefordert, sich für eine vernünftige regionale und vor allem flächendeckende stationäre Notfallversorgung stark zu machen und im Sinne der Eingangsforderung über den Bundesrat initiativ zu werden. Die Versorgung muss in ländlichen Regionen genauso gewährleistet sein wie in Ballungszentren.

    Wenn jedoch die in stationären Notfallaufnahmen erbrachten ärztlichen Notfallleistungen nach den G-BA-Beschlüssen nicht mehr ausreichend oder gar nicht bezahlt werden, weil die Kliniken die neuen G-BA-Kriterien nicht erfüllen können, droht zwangsläufig eine Gefahr für die flächendeckende Versorgung. Die G-BA-Vorgaben werden nämlich nicht nur die Schließungen vieler Notfallaufnahmen gerade ländlicher kleinerer Kliniken zur Folge haben, sondern auch die gewohnte flächendeckende Versorgung durch unsere Kliniken gerade dort in Gefahr bringen, wo die Kliniken sich vor Ort die Aufgabe der spezialisierten Versorgung sinnvoll aufgeteilt haben.

    Beschluss Nr. 8

    der Hauptversammlung des Marburger Bundes Nordrhein-Westfalen/Rheinland-Pfalz am 22. September 2018

    Keine Strafgebühren in Notfallaufnahmen - Steuerung durch Kooperationsmodelle ausbauen

    Der Marburger Bund Nordrhein-Westfalen/Rheinland-Pfalz lehnt Strafgebühren für Patienten ab, die Notfallaufnahmen in Krankenhäusern aufsuchen, ohne tatsächlich ein medizinischer Notfall zu sein. Statt Patienten mit einer Notfallgebühr zu sanktionieren, muss der flächendeckende Aufbau eines integrierten Notfallversorgungssystems wesentlich schneller vorangetrieben werden als bisher. Dieser Lösungsweg ist politisch längst konsentiert.

    Die Versorgung der Notfälle darf nicht über eine mehr oder weniger gut gefüllte Geldbörse geregelt werden, sondern vielmehr muss geschultes Personal rund um die Uhr entscheiden, ob Notfallpatienten in einer Praxis oder Klinik behandelt werden müssen.

    Forderungen nach Strafgebühren sind zu kurz gedacht und auch in hohem Maße unsozial. Sie würden im Endeffekt zudem nur mehr Bürokratie, aber gewiss nicht die allseits gewünschte Steuerung der Patientenströme bringen. 

    Unstreitig ist, dass Millionen Patienten jährlich die Notfallaufnahmen in Kliniken aufsuchen. Unstreitig ist, dass die ärztlichen und pflegerischen Mitarbeiter in überfüllten Notfallaufnahmen oftmals überlastet sind. Richtig ist auch, dass manche Notfälle nur einer ambulanten Behandlung bedürfen, die in Praxen geleistet werden könnte. Deshalb hat der Marburger Bund das integrierte Versorgungskonzept in die Diskussion eingeführt.

    Beschluss Nr. 9

    der Hauptversammlung des Marburger Bundes Nordrhein-Westfalen/Rheinland-Pfalz am 22. September 2018

    Fachsprachenkenntnisse auch in der Pflege erforderlich

    Nicht nur im ärztlichen Bereich kommt es in den Kliniken in Deutschland zu einer zunehmenden Internationalisierung. Oftmals reicht die Fachsprachenkenntnis des zugewanderten Personals für den Klinikbetrieb nicht aus. Das Sprachniveau B 2 ist für die Kommunikation mit den Pateinten, Dokumentation und Fachgespräche nicht ausreichend.

    Im Bereich der grundsätzlich gefahrengeneigten Tätigkeit bei der Behandlung von Patienten führen Fachsprachendefizite zu einer erheblichen Gefährdung der Patientensicherheit.

    Das Erlernen der Fachsprache erst im Training on the job, wie derzeit in manchen Bereichen oft üblich, trägt der gebotenen Sicherheitsanforderung keine Rechnung. In anderen Bereichen, in denen eine gemeinsame Sprache rechtliche Voraussetzung ist - z.B. im Luftverkehr mit ähnlichen Sicherheitsanforderungen - wäre dies undenkbar.

    Im ärztlichen Bereich konnte dieser Gefahr mit durch die Ärztekammern durchgeführten Fachsprachenprüfung für Ärztinnen und Ärzte begegnet werden. Der Marburger Bund hat parallel durch von Ihm mitentwickelte Fachsprachenkurse Möglichkeiten zum Erlernen der Fachsprache geschaffen.

    Ärztinnen und Ärzte in den Kliniken und Praxen haben weder die Befugnis noch Möglichkeit die ausreichende Fachsprachenkenntnis bei behördlich in Deutschland zugelassenem Medizinpersonal mit ausländischem Abschluss zu überprüfen. Aufgrund der hohen Arbeitsbelastung ist es ärztlichem Personal zudem nicht möglich, die Folgen dieser Sprachdefizite auszugleichen. 

    Die Hauptversammlung des Marburger-Bundes Nordrhein-Westfalen/Rheinland-Pfalz fordert daher:

    Deutsch auf geprüftem Fachsprachenniveau wird durch die zuständigen Ministerien als Verkehrssprache für medizinisches Personal in deutschen Gesundheitseinrichtungen festgestellt. Das europäische Sprachniveau B 2 ist - wie im ärztlichen Bereich - für keine patientennahe Tätigkeit ausreichend.

    Voraussetzung für die behördliche Anerkennung ausländischer, nicht deutschsprachiger Ausbildungsabschlüsse für die nichtärztliche patientennahe Tätigkeit ist der Nachweis der Fachsprachen-Kompetenz.

    Dieser ist vergleichbar der ärztlichen Fachsprachenprüfung in einem dreistufigen Verfahren (Anamnese, Dokumentation, Fachgespräch) zu erbringen, die Prüfung hierzu kann wiederholt durchgeführt werden.

    Die Durchführung erfolgt durch die zuständigen Behörden, eine Delegation unter Ausübung der Aufsicht an andere geeignete Stellen ist möglich.

    Beschluss Nr. 10

    der Hauptversammlung des Marburger Bundes Nordrhein-Westfalen/Rheinland-Pfalz am 22. September 2018

    Kollektive Privatautonomie stärken statt Tarifeinheit beibehalten

    Der Marburger Bund Landesverband Nordrhein-Westfalen/Rheinland-Pfalz erinnert den Bundesgesetzgeber an seine aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 11. Juli 2017 resultierende Pflicht, zumindest die verfassungswidrigen Elemente des Tarifeinheitsgesetzes zu beseitigen.

    Dazu fordert der Marburger Bund alternativ zur Aufhebung des Tarifeinheitsgesetzes:

    • die Einführung einer Mindest-Organisationsquote von 25 v.H. bezogen auf die jeweilige Berufsgruppe für die Gewerkschaft, deren Tarifverträge diejenige anderer Gewerkschaften verdrängen können

    • die zusätzliche Festlegung, dass Tarifverträge von Berufsgewerkschaften, die eine Organisationsquote von mehr als 25 v.H. nachweisen nie der Verdrängung unterliegen

    • die Festlegung, dass Vereinbarungen zwischen Gewerkschaften über die Abbedingung der Regelungen des Tarifeinheitsgesetzes nicht der Zustimmung der Arbeitgeberseite bedürfen

    • die ausdrückliche Klarstellung, dass die Verdrängungswirkung erst durch eine gerichtliche Entscheidung und nicht automatisch erfolgt

    Begründung: Der Marburger Bund aber noch einmal ausdrücklich darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht lediglich eine Berechtigung, nicht aber eine Verpflichtung des Gesetzgebers anerkannt hat, das Verhältnis der Gewerkschaften untereinander gesetzlich zu regeln. Ob er dies tut, liegt im weiten Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers, ein wirkliches Erfordernis ist bis heute nicht wissenschaftlich begründet dargetan worden. Insoweit hält der Marburger Bund an seiner grundlegenden Forderung nach Aufhebung des Tarifeinheitsgesetzes fest.

    In jedem Fall aber hat der Gesetzgeber die Pflicht, die zu weit reichenden Folgen des Tarifeinheitsgesetzes zu beschränken. Dies hat ihm das Bundesverfassungsgericht zur Erledigung bis zum 31. Dezember 2018 aufgetragen.

    Eine der wesentlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes ist:

    Die von der Minderheitsgewerkschaft vertretene Berufsgruppe darf keinen Tarifvertrag einer Gewerkschaft ausgesetzt sein, in der sie nur marginal oder überhaupt nicht vertreten ist.
    Damit spricht sich das Bundesverfassungsgericht für einen berufsgruppenspezifischen Minderheitsschutz aus. Das korrespondiert mit dem Grundrecht aller Berufe, sich zur Durchsetzung seiner Interessen als Koalition zusammenschließen zu dürfen.

    Ein berufsgruppenspezifischer Schutz wäre z. B. dadurch zu erreichen, dass man bei der Frage nach der Verdrängung von Tarifverträgen nicht auf die allgemeine Mitgliederzahl im Betrieb, sondern auf die Mehrheit in der jeweiligen Berufsgruppe abhebt. Wenn sich mehrere Berufsgruppen in einer berufsgruppenübergreifenden Gewerkschaft zusammenschließen wollen, so muss dies zwar ihr gutes Recht sein.

    Eine solche Gewerkschaft muss aber bezogen auf jede von ihr tariflich geregelte Berufsgruppe die Mehrheit der Mitglieder im Anwendungsbereich eines Tarifvertrages gewährleisten. Jedenfalls muss es berufsgruppenübergreifend organisierten Gewerkschaften verwehrt sein, Tarifverträge für solche Berufsgruppen abzuschließen, die sie nicht oder nur punktuell vertritt. Die Einführung einer Mindest-Organisationsquote von einen Viertel der betreffenden Berufsgruppe als Voraussetzung für die Möglichkeit, andere Tarifregelungen verdrängende Tarifverträge abzuschließen, wäre eine dazu notwendige Voraussetzung.

    Zusätzlich müsste zur Wahrung des sich aus Art. 9 Abs. 3 GG ergebenden Koalitionsrechts unmöglich gemacht werden, dass Tarifverträge gewerkschaftlicher Interessenvertretungen, die mindestens ein Viertel einer Berufsgruppe organisieren, von der Verdrängung ausgenommen bleiben.

    Die Bundesregierung mag sich in diesem Zusammenhang vor Augen führen, dass die von ihr z.B. in der Altenhilfe beklagte mangelnde Tarifbindung auch darauf zurückzuführen ist, dass es an einer berufsgruppenspezifischen gewerkschaftlichen Vertretung der Pflegeberufe mangelt. Die allseits beklagten unzureichenden Arbeitsbedingungen werden nicht durch staatlichen Dirigismus, sondern durch Förderung der Selbstbestimmung der betreffenden Berufsgruppen verbessert.

    Beschluss Nr. 11

    der Hauptversammlung des Marburger Bundes Nordrhein-Westfalen/Rheinland-Pfalz am 22. September 2018

    Keine Allgemeinverbindlichkeit von kirchlichem Arbeitsrecht

    Der Marburger Bund Nordrhein-Westfalen/Rheinland-Pfalz beobachtet mit großer Sorge die Bestrebungen kirchliche Arbeitsvertragsrichtlinien für allgemeinverbindlich zu erklären, beziehungsweise die arbeitsrechtlichen Kommissionen von Diakonie und Caritas an Verfahren zur Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen zu beteiligen.

    Es bleibt daran festzuhalten, dass zur Allgemeinverbindlichkeitserklärung nur echte Tarifverträge in Betracht kommen, die auch unter der potenziellen Androhung von Arbeitskampfmaßnahmen im Wege der "Waffengleichheit" zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern und ihren Verbänden zustande gekommen sind. Dieses Prinzip darf auch in Bereichen, in denen das Lohnniveau - wie zum Beispiel in der Altenpflege - unterdurchschnittlich und verbesserungsbedürftig ist, nicht aufgegeben werden. Die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen des Tarifvertragsgesetzes und die Bestimmungen zum Mindestlohn bieten eine ausreichende Möglichkeit, Lohnuntergrenzen festzuschreiben.

    Beschluss Nr. 12

    der Hauptversammlung des Marburger Bundes Nordrhein-Westfalen/Rheinland-Pfalz am 22. September 2018

    Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes

    Angestellte Ärztinnen und Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) werden immer noch nach TVÖD bezahlt. In den Gesundheitsämtern sind seit Jahren zunehmend ärztliche Stellen nicht zu besetzen. 

    Dadurch können wichtige Aufgaben zunehmend nur noch auf Grund des hohen Engagements der noch im ÖGD tätigen Ärztinnen und Ärzte bewältigt werden. 

    Dies ist nicht nur ein Problem für die Gesundheitsämter, sondern auf Grund der vielfältigen und wichtigen Aufgaben, die für die Bevölkerung bewältigt werden müssen, ein gesellschaftliches Problem. 

    Der Marburger Bund fordert alle kommunalen Arbeitgeber auf, die Ärztinnen und Ärzte im ÖGD sofort analog der Tarifverträge für Ärztinnen und Ärzte zu bezahlen und den Verband der kommunalen Arbeitgeber (VKA) unverzüglich die Tarifverhandlungen mit dem Marburger Bund zur Übernahme des TV-Ärzte wieder aufzunehmen.

    Beschluss Nr. 13

    der Hauptversammlung des Marburger Bundes Nordrhein-Westfalen/Rheinland-Pfalz am 22. September 2018

    Faire Vergütung und strukturierte Ausbildung im Praktischen Jahr

    Der Marburger Bundes Nordrhein-Westfalen/Rheinland-Pfalz fordert eine faire finanzielle Abgeltung der Tätigkeit von Studentinnen und Studenten im Praktischen Jahr. Diese Abgeltung muss den Bafög-Höchstsatz deutlich übersteigen. Ferner soll für die angehenden Ärztinnen und Ärzte im Praktischen Jahr ein Curriculum mit klaren Ausbildungszielen erarbeitet werden. 

    In einer Zeit des Ärztemangels wird unser ärztlicher Nachwuchs dringend benötigt. PJ´ler sollten die gebotene faire finanzielle Wertschätzung und eine patientennahe strukturierte Ausbildung erhalten.