• Bittere Realität - auch die Nothilfe schützt nicht vor Insolvenzen

    Kommentar von Dr. med. Hans-Albert Gehle | Auch die Strukturveränderungen erfordern massive Finanzmittel
    09.Oktober 2023
    Es sind nur wenige Monate vergangenen, als Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach öffentlich versicherte, dass angesichts der hohen Kostensteigerungen „kein Krankenhaus ein Problem bekommen wird.“ Berlin stellt für den Zeitraum von Oktober 2022 bis April 2024 sechs Milliarden Nothilfe bereit, um die gestiegenen Energie- und Sachkosten zu tragen. Dieser beträchtliche Betrag reicht als Rettungsversprechen nicht aus. Unsere erste Forderung: Die Nothilfe darf nicht zeitlich begrenzt werden. Unsere zweite Forderung: Die Kliniken brauchen einen vollen Inflationsausgleich, um die stationäre Versorgung sicherzustellen.

    Blicken wir kurz auf die Realität: Immer mehr Kliniken fehlt aber die nötige Liquidität. Binnen sechs Wochen erlebten wir gerade, das elf Krankenhäuser in drei Trägergruppen in unserem Landesverband Insolvenz anmelden mussten. Ich bin mir sicher, dass diese „kalte“, ungeplante Strukturbereinigung in den nächsten Monaten weitere Opfer fordern wird. 

    Bevor die neue Krankenhausplanung in NRW und die Klinikreform des Bundes in unserer Krankenhauslandschaft wirklich greifen wird, werden vermutlich wohl noch mehr Kliniken ihre bereits aufgetürmten toxischen Defizite nicht mehr tragen können.

    Wir weisen immer wieder darauf hin: Krankenhäuser sind seit vielen Jahren chronisch unterfinanziert. Bei den Investitionen stehen die Bundesländer unweigerlich in der Kritik. Deren fortgesetzte Unterfinanzierung der Kliniken und der jahrzehntelange Fehler der Ökonomisierung des Krankenhausbetriebs führten zum Abbau von Kapazitäten und des Personals. Überlastung ergibt zwangsläufig eine sich verstärkende Personalflucht, damit brechen den Kliniken die Einnahmen weg.

    Diese Rahmenbedingungen an sich erzeugen schon massive Defizite. Obendrein sank in den Corona-Jahren die Zahl der Patienten massiv. Einnahmeverluste verschärfen die wirtschaftliche Lage. Krankenhäuser können im dritten Corona-Jahr noch nicht wieder im Normalbetrieb arbeiten. Die Fallzahl liegt weit hinter den Zahlen von 2019: So wurden in den 85 Kliniken in Rheinland-Pfalz im Vorjahr 18 Prozent weniger Patienten behandelt.

    Auch die Finanzspritze für Digitalisierung und Modernisierung der Notfallkapazitäten verschaffen den Kliniken nicht die finanziellen Spielräume, die sie benötigen. Die massiven strukturellen Veränderungen unserer Kliniklandschaft in den nächsten Monaten erzeugen einen weiteren hohen Finanzbedarf.

    Alle Konzentrationen und Verlagerungen von Abteilungen in diesem Prozess verlangen bauliche Veränderungen und neues Personal. NRW stellt immerhin 2,5 Milliarden Euro bereit, wobei 800 Millionen Euro für den Klimaschutz gedacht sind. Viel Geld, aber angesichts der Größe der Aufgabe, leider noch nicht genug.

    Wir fordern deshalb auch eine ausreichende Finanzierung des tatsächlichen Bedarfs an Gesundheitsleistungen und eine dauerhafte Finanzierung der darüber hinaus für Krisenzeiten benötigten Vorhaltung von Kapazitäten. Krankenhäuser benötigen Reserven, damit kommende Infektionswellen sie nicht überfordern. Wir fordern: Politiker müssen mehr Weitblick beim Thema Krankenhausfinanzierung haben.

    Apropos Weitblick: Der Personalmangel wird sich in Folge der Altersstruktur der Ärzteschaft in den nächsten Jahren deutlich vergrößern. Zugleich wird der Bedarf an Medizin wachsen. Die personell unzureichend ausgestatteten Kliniken werden eine immer ältere, multimorbidere Gesellschaft versorgen müssen. Eine bedarfsgerechte medizinische Versorgung bedeutet zwangsläufig deutlich steigende Kosten.