• Damit der Beruf uns nicht krank macht

    Arbeitszeitgesetz muss konsequenter umgesetzt werden
    24.April 2019
    Von Birgit Künanz, Dr. med. Sven Dreyer und Andreas Fleischer
    Wer nach seinem Studium in einem Krankenhaus den Arztberuf aufnimmt, erlebt mitunter eine ernüchternde Realität: Oft liegt die tatsächliche Arbeitszeit oberhalb der in unseren Tarifverträgen festgeschriebenen Grenzen. Dabei schreibt das Arbeitszeitgesetz wöchentliche Höchstgrenzen von 48 Stunden vor, die nur überschritten werden dürfen, wenn jeder Einzelne das „Opt-Out“ unterschrieben hat. Aber, das ist höchst selten der Fall.

    Zu groß ist die Arbeitslast. Aus unseren Umfragen wissen wir, die tatsächliche Wochenarbeitszeit inklusive Dienste und Überstunden liegt bei mehr als zwei Drittel der Befragten deutlich über 48 Stunden. Junge Ärztinnen und Ärzte ­tragen die Hauptlast der Bereitschaftsdienste. Mehr als die Hälfte aller Ärztinnen und Ärzte leistet drei und mehr Bereitschaftsdienste pro Monat, mit denen der 24-Stunden-Betrieb der Kliniken sichergestellt wird. Vielfach ist eine Zeiterfassung nicht vorhanden, oft werden ärztliche Überstunden nicht bezahlt oder mit Freizeit ausgeglichen.

    Die daraus resultierende Überforderung prägt nicht nur unseren Arbeitsalltag, sondern hat Auswirkungen auf die Zeit nach Dienstschluss. 77 Prozent aller ­Befragten nimmt die Arbeit so stark in Anspruch, dass das Privat- bzw. Familien­leben leidet. Schlafstörungen und häufige Müdigkeit sind die Folgen. Unser Altruismus wird ausgebeutet.

    Dabei ist Arbeitsschutz eigentlich ein hart erkämpftes Rechtsgut. Schon im 19. Jahrhundert hat die erste preußische Gewerbeordnung Arbeitgeber verpflichtet, Maßnahmen zum Schutz der Arbeiter zu ergreifen. Dies gilt umso mehr heute gerade dort, wo Menschen erwarten, dass ihre angeschlagene Gesundheit wiederhergestellt wird – in unseren Krankenhäusern.

    Wir Ärztinnen und Ärzte unterstützen täglich unsere Patienten bei der Einhaltung gesundheitsbewussten Verhaltens. Nur bei uns werden geltende Vorschriften nicht mit der gebotenen Sorgfalt beachtet. Arbeitsschutz gilt auch für angestellte Ärztinnen und Ärzte, für uns und zur Sicherheit unserer Patienten. Wir haben großen Wert daraufgelegt, unser Genfer Gelöbnis an dieser Stelle zu modifizieren: „Ich werde auf meine eigene Gesundheit, mein Wohlergehen und meine Fähigkeiten achten, um eine Behandlung auf höchstem Niveau leisten zu können.“

    Als Marburger Bund beklagen wir Missstände öffentlich. Die Probleme der Überarbeitung werden auch in unsere Familien getragen. Nachtarbeit, Wochenenddienste und eine permanente hohe Inanspruchnahme wirken zermürbend. Burnout und Depressionen treten immer öfter auf.

    Worin liegen die Missstände begründet? Wenn Kliniken sich aus einem System finanzieren müssen, in dem nur 40 Prozent der Bevölkerung Beiträge zum Gesundheitswesen zahlen, kann das System nicht gesund funktionieren. Auch bei Ausnutzung der letzten Rationalisierungsreserve bleiben unsere Kliniken chronisch unterfinanziert, weil die Länder ihren Investitionspflichten nicht nachkommen.

    Das Thema steht auf der Tagesordnung. Gerade in der VKA-Tarifrunde haben wir es uns zum Ziel gesetzt, unsere Arbeitsbelastung zu senken. Wir sind als Berufsverband und Gewerkschaft zugleich gefordert. In beiden Bereichen benötigen wir Ihre Solidarität und Unterstützung! Geben Sie dem Marburger Bund bei der Kammerwahl Ihre Stimme, denn in den Kliniken können wir angestellte und beamtete Ärztinnen und Ärzte es nur gemeinsam erreichen, die Arbeitsbedingungen zu verbessern.