• In der Corona-Pandemie verstärken sich die Defizite in der Weiterbildung

    Jungen Ärztinnen und Ärzte wünschen sich ausreichende Zeit und mehr Strukturierung
    01.Dezember 2021
    Von Katharina Stoev und David Manamayil
    Ob jung oder schon älter – die Arbeits- und Weiterbildungsbedingungen für Ärztinnen und Ärzte haben sich in den vergangenen Monaten dramatisch verschlechtert. Wir junge Ärztinnen und Ärzte erleben es täglich, aber das geht auch aus einer aktuellen Befragung des Marburger Bundes hervor. Junge Ärztinnen und Ärzte begreifen sich als Teamplayer. Die allgemeine Wahrnehmung ist jedoch, dass in der öffentlichen Berichterstattung aktuell nur ein Teil der Mannschaft bedacht wird. Der Fokus der Medien richtet sich vornehmlich auf Pflegekräfte. Dabei arbeiten beide Berufsgruppen rund um die Uhr in einem Team. Auch die Politik hat offensichtlich kein Verständnis dafür, dass die Patientenversorgung eine Teamarbeit verschiedener Professionen ist. Ärztinnen und Ärzte schildern in Medien allenfalls die aktuelle Corona-Situation in den Kliniken. Wir warnen vor den Folgen der Corona-Infektionen, werben für mehr Impfungen. Aber Äußerungen über unsere eigene Belastung sind selten zu hören.

    Wir Ärztinnen und Ärzte scheinen mit unserem hohen, scheinbar unerschöpflichen Arbeitsethos für die Politik zur Selbstverständlichkeit geworden zu sein. So selbstverständlich, dass selbst in dem 178-seitigen Koalitionsvertrag der Ampelparteien neue Initiativen für mehr Ärztinnen oder Ärzte nicht zu finden sind. Kein Wort zum Ärztemangel, kein Wort zu fehlenden Studienplätzen, kein Wort zu unserer Überlastung oder zum Schutz unserer Gesundheit und kein Konzept zur Entlastung oder gegen den Ärztemangel. Im Koalitionsvertrag konzentrieren sich die Ampelparteien vorzugsweise auf die Pflege oder die Rechte der Patienten.

    Dabei waren die Arbeits- und Weiterbildungsbedingungen auch vor der Corona-Pandemie schon grenzwertig, sodass sie zu Gründung des „Arbeitskreises junger Ärztinnen und Ärzte“ geführt haben. Die Corona-Pandemie wirkt hier nun wie ein Katalysator, der die Missstände in allen medizinischen Berufsgruppen offen sichtbar gemacht macht.

    Die Realität der Versorgung zeichnet ein düsteres Bild: zahllose Überstunden und eine verschlechterte ärztliche Weiterbildung. Diese leidet seit Jahren unter Personal- und Zeitmangel. Das hat sich in der Pandemie noch massiv verstärkt. In vielen Kliniken werden unsere Weiterbildungspläne nicht eingehalten. Die geforderten Weiterbildungsinhalte werden während der alltäglichen klinischen Arbeit nicht ausreichend vermittelt. Wir jungen Ärztinnen und Ärzte wünschen uns ausreichende Zeit für unsere Weiterbildung zum Facharzt, mehr Strukturierung und eine bessere Möglichkeit zur Rotation.

    Aber auch die Frustration über die fehlende Wertschätzung für unsere geleistete Arbeit zählt zu den Nebenwirkungen der Corona-Pandemie. Wer möchte unter diesen Bedingungen als Arzt oder Ärztin arbeiten? Wir Ärztinnen und Ärzte kämpfen mit Pflegerinnen und Pflegern sowie den weiteren Beschäftigten im medizinischen Bereich als Team gegen die Corona-Pandemie.

    Es braucht die Kraft aller im Gesundheitswesen Tätigen und nur gemeinsam können wir den uns anvertrauten Patientinnen und Patienten helfen. Das bedeutet aber auch, dass wir ebenso erschöpft sind und an unsere Grenzen gelangen, wie alle anderen Akteure, die an der Patientenversorgung beteiligt sind. Das sollte auch die Politik verstehen.

    Bei Personalmangel unter den Ärztinnen und Ärzten werden Stationen nicht geschlossen, die Bettenzahl nicht reduziert. Es werden stattdessen Überstunden aufgebaut, mehr Patienten von einem Mediziner betreut und freie Tage werden zum Luxus. Wir jungen Ärztinnen und Ärzte sind zunehmend sprachlos angesichts der empfundenen Nichtbeachtung unserer Belange und Belastungen. Wir fordern daher akut eine ausreichende Personalausstattung für Pflegerinnen und Pfleger ebenso wie für Ärztinnen und Ärzte, denn wir alle sind an unseren Belastbarkeitsgrenzen angelangt!

    Die Erhöhung der Studienplätze ist seit Jahren eine unserer weiteren Forderungen an die Bundesregierung. Mehr Studienplätze? Gibt es die endlich in der neuen Legislatur? Dazu äußern sich die Ampelparteien im Koalitionsvertrag nicht.

    Katharina Stoev und David Manamayil sind Mitglieder des Arbeitskreises "Junge Ärztinnen und Ärzte im Marburger Bund NRW/RLP".