• Der gravierende Unterschied

    Kommentar von Inna Agula Fleischer und Dr. Thorsten Hornung
    29.August 2018
    Köln
    Junge Ärztinnen und Ärzte wollen die beste Versorgung für Patienten - aber nicht mehr auf Kosten ihrer Gesundheit und ihres Familienlebens. Es gibt reichlich Stereotypen, die einer Generation anhaften. Ob Traditionalisten, Babyboomer, Generation Golf oder wahlweise X, Generation Y und vorerst zuletzt die Generation Youtube/Spaß. Es kursieren regelmäßig soziologische Stempel, aber wohl kaum einer dieser gebräuchlichen Generationsbegriffe kann wirklich alle zugehörigen einzelnen Individuen erfassen. Es mag für manchen Zeitgenossen hilfreich sein, jüngere Menschen in plakativ benannte Gruppen oder gar in übergeordnete Begriffe zusammenzufassen, um sich selbst so in einer rapide verändernden Welt gedanklich einzusortieren oder von unliebsamen Entwicklungen abzugrenzen.

    Als tatsächliches Abbild unzähliger Angehöriger bestimmter Geburtsjahrgänge taugen solch pauschale Begriffe unserer Meinung nach eher nicht. Ohnehin sind die Zeitspannen der Geburtsjahrgänge, durch die Generationen bestimmt werden, meist willkürlich gesetzt. Gibt es tatsächlich Unterschiede zwischen Generationen, wenn es um Werte, Einstellungen und Verhalten geht? Oder geht es oft nicht vielmehr um die Pflege von Vorurteilen und Aus- oder Abgrenzungen?

    Als junge Ärztin und junger Arzt werden wir gerne als Angehörige der „Generation Spaß“ tituliert. Uns bereitet das keine Freude, denn es trifft uns ins Mark. Unserem ärztlichen Selbstverständnis wird unverblümt unterstellt, wir seien unzuverlässig, orientierungslos, sehr auf uns selber bedacht und schauten ständig auf unser Smartphone. Ist dem so?

    Einen Tag vor Beginn des 121. Deutschen Ärztetages in Erfurt hat die Bundesärztekammer junge Ärztinnen und Ärzten zum Dialog eingeladen. Es war ein bewusst kalkulierter Zusammenstoß zweier Generationen. Ein Hamburger Professor scheute sich nicht, den advocatus diaboli zu geben. Seine Kernaussagen waren recht simple: „Man muss sich entscheiden, ob man ein guter Arzt oder Vater sein will. Ein guter Chirurg zu sein, ist nicht vereinbar mit der Familie. Beides ist nicht unter einen Hut zu bekommen.“ Es sei pro­blematisch, die Anforderungen der Weiterbildung und Forschung mit der angestrebten Work-Life-Balance der Generation Spaß zu vereinbaren, gab sich der selbst ernannte „Silberrücken“ überzeugt. Eine Provokation, die bei den 200 anwesenden jungen Ärztinnen und Ärzten heftige ­Reaktionen verursachte.

    Wir müssen solchen Ansichten älterer Kollegen entschieden widersprechen. Wir sind nicht die „Generation Spaß“, für uns ist der ärztliche Beruf Berufung und Verantwortung. Wir sind hoch motiviert, beste ärztliche Versorgung für unsere Patienten zu leisten. Aber, wir sind nicht mehr gewillt, dies auf Kosten unserer Gesundheit oder unseres Familienlebens zu tun.

    Genau hier besteht der gravierende Unterschied zum Selbstverständnis der „Silberrücken“! Wir sprechen bewusst nicht von der „älteren Generation“, denn der Marburger Bund kämpft hierfür seit Generationen!

    Dies trägt Früchte, so steht nun in der Neufassung unseres ärztlichen Gelöbnisses: „Ich werde auf meine eigene Gesundheit, mein Wohlergehen und meine Fähigkeiten achten, um eine Behandlung auf höchstem Niveau leisten zu können.“ Wir wissen, nur wer dies ausreichend berücksichtigt, kann sich verantwortungsvoll um die Gesundheit anderer Menschen kümmern.

    Wir halten die Vereinbarkeit von Beruf und Familienleben für unsere Gesundheit und unser Wohlergehen für eine entscheidende Voraussetzung. Wir wissen, Kinder sind die Zukunft unserer Gesellschaft und kranke Angehörige benötigen familiäre Unterstützung. Hierzu sind die Elternzeit und das Recht auf Teilzeitarbeit unverzichtbar. Es kann nicht sein, dass auch heute noch Elternzeitwünsche die Chancen auf eine Oberarztstelle zunichte machen oder lakonisch mit der Frage „wollten Sie nicht habilitieren?“ abgebügelt werden. Dieser kalte Boykott muss aufhören!

    Geeignete und ausreichende Betreuungen für Kinder im Krippen-, Kindergarten- und Grundschulalter müssen an allen Standorten geschaffen werden!

    Viel zu häufig werden unsere Rechte durch das Aufzeigen von Konsequenzen für die Karriere ausgehebelt. Wenn Teile der Ärzteschaft das Ideal des allzeit bereiten Arztes heroisch verkünden, geht es dann wirklich noch um unsere Patienten? Medizin ist Teamarbeit, niemand kann alles zu jeder Tages- und Nachtzeit ganz alleine! Wir brauchen gut eingespielte interdisziplinäre und interprofessionelle Teams.

    Wir fordern den Gesetzgeber auf, die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes stärker zu kontrollieren, und von der Arbeitgeberseite, es umzusetzen. Überstunden müssen vollständig erfasst und ausgeglichen werden. Tägliche und wöchentliche Höchstarbeitszeiten und Ruhezeiten schützen nicht nur uns Ärztinnen und Ärzte, sondern auch unsere Patienten. Von Arbeitgebern fordern wir, kreative und flexible Arbeitszeitmodelle für Ärztinnen und Ärzte. Zu oft werden sie noch kategorisch abgelehnt.

    Wir wollen keine Fließbandmedizin. Überbordende Bürokratie erstickt die Möglichkeit, auf unsere Patienten einzugehen schon im Ansatz. Sie gilt es wirksam abzubauen. Gute Medizin braucht Zeit, um mit den Patienten zu sprechen. Wir lehnen den Verlust an Zuwendung, der durch strikte und ökonomisch gesteuerte Zeitvorgaben entsteht, ab. Nicht zwingend ärztliche Tätigkeiten müssen delegiert werden können, um wieder mehr Zeit für unsere Patienten zur Verfügung zu haben. Wir benötigen zudem einen Personalschlüssel für das medizinische Personal!

    Das sind die Inhalte, die den Dialog der Ärzteschaft prägen müssen. Der Marburger Bund führt ihn seit Jahrzehnten und wir sind bereit, das Bild des Arztes der Zukunft gemeinsam weiter zu gestalten.