
Unübersehbar ist nun ein Paradigmenwechsel: Es geht nicht mehr um den medizinischen Bedarf einer alternden Gesellschaft. Nicht die Sicherung einer qualitativ hochwertigen medizinischen Versorgung in Krankenhäusern steht im Mittelpunkt der Reform, sondern nur noch die Kürzung der steigenden Gesundheitsausgaben. Weder die Stärkung der Gesundheitskompetenzen in der Bevölkerung noch höhere Investitionen in Prävention spielen eine Rolle im Handlungsportfolio der Politik.
Wir erleben ein Diktat der konjunkturabhängigen Kassenlage. Verschwiegen wird, dass die Politik selber die Klinikkosten mit ihren Vorgaben für Pflegepersonalgrenzen und der überbordenden Bürokratie- und Misstrauenskultur hochgetrieben hat. Untergrenzen für Pflegepersonal gelten mittlerweile weniger als ein Qualitätsmerkmal, sondern eher als ein probates Mittel zur geräuscharmen Ausdünnung der Kliniklandschaft.
Wir stehen vor gravierenden Änderungen: Der von Bund und Ländern beschlossene volle Inflationsausgleich für die Kliniken wird nun wieder abgeschafft. So sollen massive Einsparung erzielt werden, dass bedeutet, dass unsere Kliniken wieder in einen kalten Strukturwandel getrieben werden. Völlig zu Recht beklagt die DKG, dass die Regierung eine Rolle rückwärts bei den Krankenhäusern macht. Sie beziffert das Sparvolumen auf 1,8 Milliarden Euro.
Da heute schon zwei von drei Kliniken rote Zahlen schreiben und die Investitionskostenfinanzierung der Bundesländer unverändert sehr unzureichend ist, dürfen wir uns nicht wundern, wenn uns eine nie dagewesene Welle an Klinikinsolvenzen überrollen wird. Darunter die Kliniken, die zur Sicherstellung des Bedarfs - gerade in ländlichen Gebieten - unverzichtbar sind. Am Ende werden unsere Patientinnen und Patienten die Leidtragenden sein.
Wie klingt die Einordnung der neuen Realität in Berlin? „Es werden künftig die Kliniken am Netz bleiben, die auch wirtschaftlich arbeiten können“, prognostizierte Ministern Nina Warken. Warum die überwiegende Mehrheit der Krankenhäuser aber schon seit Jahren nicht mehr wirtschaftlich arbeiten kann, interessiert offenkundig niemanden mehr in der Regierung.
Und noch mehr: Die Reform solle gewährleisten, „dass wir eine gut erreichbare Grundversorgung haben". Das klingt wirklich nur noch nach leeren Kassen, aber nicht mehr nach einer Übernahme der Verantwortung für eine hohe medizinische Versorgungsqualität durch die Politik. Jeder von uns weiß, es geht doch um weit mehr als nur um die Grundversorgung. Neben der Sicherung der Grund- und Regelversorgung in der Fläche benötigen wir konzentrierte hochspezialisierte Leistungen.
Realität ist, wir benötigen eine Krankenhausreform, die vorhandene Versorgungsstrukturen bedarfsgerecht weiterentwickelt und nicht eine Politik, die daraufsetzt, dass möglichst viele Kliniken schnell aus dem „Markt“ gedrängt werden.
Die dafür nötigen substantiellen Verbesserungen der Klinikreform enthält das neue Gesetz aber nicht. Die „Reform“ der Krankenhausreform bleibt praxisuntauglich und sie verfehlt sogar die von der Politik selbst gesetzten Ziele.
Wir erhalten weder verlässliche Rahmenbedingungen, noch eine stabile und auskömmliche Finanzierung, keine Reduzierung der zeitraubenden Bürokratie, keine zeitgemäße Digitalisierung und keine ausreichende zivile Verteidigungsfähigkeit. Unsere Kliniken werden weiterhin schlicht um ihr wirtschaftliches Überleben kämpfen müssen. Schon jetzt ist offensichtlich, dass wieder vermehrt an ärztlichen Stellen in Kliniken gespart wird. Aber auch das Patientenwohl scheint nicht mehr auf der Agenda zu stehen.