• DRG haben mit Ökonomie zu tun, nicht aber mit Medizin!

    Ingo Morell: Kliniken benötigen realistische Refinanzierung, angemessene Personalausstattung, weniger Bürokratie und Planungssicherheit
    28.September 2020
    Köln (mhe). Den ersten Aufschlag bei unserer Hauptversammlung machte Ingo Morell, Kaufmann und 1. Vizepräsident der Krankenhausgesellschaft NW (KGNW) und zugleich Geschäftsführer der Gesellschaft der Franziskanerinnen Olpe. „Ich soll hier über etwas reden, über das ich gar nicht reden darf“, bekannte sich Morell eingangs zum vereinbarten Stillschweigen in der aktuellen Krankenhausplanung in NRW. „Wir haben zwar den Krankenhausplan 2015 noch gar nicht abgearbeitet, planen aber schon wieder die Krankenhauslandschaft in NRW neu“, bemängelte Ingo Morell. Das fast 900-seitige Gutachten der Landesregierung und die Studie der Bertelsmann-Stiftung hätten den offiziellen Anfang des öffentlichen Diskurses gemacht. Der in der Bertelsmann-Studie geforderte massive Abbau von Kliniken habe eine lebhafte Debatte erzeugt.

    Ingo Morell offenbarte sich beim Blick auf die angedachte Grundarchitektur der neuen Krankenhausplanung erfreulicherweise nicht als reiner Ökonom: „Die aktuelle Krankenhausplanung in NRW setzt auf bei den DRG-Definitionen. Dabei hat DRG doch nur etwas mit Ökonomie zu tun, nicht aber mit Medizin. DRG eignen sich auch nicht für die medizinische Definition, schon gar nicht, um eine neue Krankenhausplanung festzulegen, um zu klären, wer soll was wo versorgen?“, unterstrich Ingo Morell als erster Referent durchaus kritisch.

    O-Ton Morell: „Die Definition von medizinischen Leistungsgruppen auf Basis von DRGs als Grundlage für eine Krankenhausplanung ist nicht zielführend. Die medizinisch inhaltliche Heterogenität vieler DRGs lässt eine hinreichend spezifische Leistungsidentifikation nicht zu. Die DRGs bzw. die aus verschiedenen DRGs gebildeten Leistungsgruppen werden die Anforderungen an eine Krankenhausplanung nicht erfüllen können.“

    „Ich wehre mich aber dagegen, die DRG zu verteufeln!“

    Sein Fazit ist eindeutig: „Die Krankenhausplanung passt nicht zu dem derzeitigen Finanzierungssystem der Kliniken, das muss geändert werden, wohlgemerkt damit sind nicht die DRG gemeint. Ich wehre mich dagegen, die DRG zu verteufeln. Wir brauchen vielmehr eine realistische Refinanzierung der Krankenhäuser.“

    Die DRG seien im Jahr 2003 eingeführt worden, „um schlicht den Markt zu bereinigen, ohne dass sich jemand die Hände schmutzig macht. Diese Marktbereinigung hat aber nicht stattgefunden. Die Folgen: Man sieht den Patienten leider nur noch ökonomisch.“

    Krankenhausplanung müsse aber auch die regionalen Aspekte berücksichtigen. „Wir können nicht einheitlich alles vorgeben. Möchten sie alle am Ende in 2.000-Betten-Kliniken arbeiten? Wir müssen klären, wie viele Spezialanbieter wir wollen? Und, was sind das überhaupt?“ Viele Fragen seien noch gar nicht geklärt. Wer definiert, welche Geräte wir brauchen?“

    Auch sei nicht jede Klinik nötig. „Wir müssen klären, welches Krankenhaus brauchen wir tatsächlich?“ Aber: „Über Systeme wie die DRG eine Marktbereinigung durchzuführen, damit sich niemand die Hände schmutzig macht, ist nicht im Sinne einer vernünftigen Patientenversorgung.“

    Entscheidend für Klinikplanung müsse der vorhandene Bedarf sein. „Ich habe aber noch nicht verstanden, wie man den tatsächlichen Bedarf oder gar den Bedarf für eine flächendeckende Versorgung ermitteln will?“

    Wie schnell muss ein Bürger ein Krankenhaus erreichen? Diese Frage gewichte selbst NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann nach den Erfahrungen durch die Corona-Pandemie neu: „Von ihr beeindruckt hat er die zunächst geforderte 30 Minutengrenze wieder auf 20 Minuten verkürzt.

    Der Minister habe dank Corona ferner gelernt, klinische Reserven stärker vorzuhalten. Ingo Morell zitierte Karl-Josef Laumann: „Bei den Kapazitäten plädiere ich aber jetzt für einen Sicherheitspuffer. Dieser Zuschlag muss als Vorsorgeleistung finanziert werden. So eng wie vor Corona kann man nicht mehr planen. Wir müssen einen gewissen Puffer an Überkapazitäten finanzieren, damit wir in einer Krise kein Problem haben.“

    Ingo Morell plädiert für mehr Fairness. Fair Diskutieren, fair Entscheiden und fair Handeln. Er sprach sich aus für eine aktive und geordnete Strukturentwicklung, für eine Vertrauenskultur im deutschen Gesundheitswesen, für Entbürokratisierung, die Räume schafft, um wieder nah am Menschen zu arbeiten, für Qualitätssicherung, die den Patienten dient und eine verlässliche Gesundheitsversorgung, überall in Deutschland.

    Kliniken müssten auskömmlich finanziert werden und benötigten eine faire Investitionsfinanzierung der Länder. Mit einer Digitalisierungsoffensive könne die Versorgung verbessert werden. Starre Sektorengrenzen müssten überwunden werden. Es müsse so insgesamt ein berufliches Umfeld geschaffen werden, in dem man gerne arbeitet.

    „Die Corona-Pandemie hat uns gezeigt, es ist sinnvoll eine föderale Verantwortung zu haben und nicht alles bundeseinheitlich zu regeln. Wir brauchen eine angemessene Personalausstattung, aber nicht mit starren Vorgaben. Wir brauchen auch eine Entbürokratisierung und eine gewisse Verlässlichkeit, das neue Organisationsstrukturen nicht wieder schnell verworfen werden“, schloss Ingo Morell. Gerne zitierte er noch eine FORSA-Umfrage, derzurfolge 74 Prozent überzeugt waren, dass Deutschland eine Pandemie mit nur der Hälfte seiner Krankenhäuser nicht meistern könnte.