• Echternacher Springprozession

    Kommentar zur neuen Grundordnung der Katholischen Kirche von Dr. med. Sven Dreyer
    01.Dezember 2022
    Am 22. November 2022 hat die Vollversammlung des Verbandes der Diözesen Deutschlands eine neue Grundordnung des kirchlichen Dienstes verabschiedet, die die Arbeitsbeziehungen der im kirchlichen Dienst beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter regelt. Ihre Umsetzung durch die Bischöfe in unmittelbar gültiges diözesanes Recht ist nur noch eine Formalie. Die in der Öffentlichkeit zum Teil umjubelten Neuregelungen bedeuten bei genauer Betrachtung lediglich die Umsetzung von Vorgaben der Rechtsprechung insbesondere des Europäischen Gerichtshofes. Man wähnt sich auf der sprichwörtlichen Echternacher Springprozession - wobei einmal dahingestellt bleiben kann, ob es nun drei Schritte nach vorne und zwei zurück, zwei nach vorne und einer zurück oder lediglich Sprünge zur Seite sind. Ein echter materieller Fortschritt für die Beschäftigten im kirchlichen Dienst wird jedenfalls durch diese Beschlüsse nicht bewirkt.

    Publikumswirksam hat die Vollversammlung des Verbandes der Diözesen Deutschlands nun niedergelegt, dass der Kernbereich der privaten Lebensgestaltung, insbesondere das Beziehungsleben und die Intimsphäre der rechtlichen Bewertung entzogen bleibt. Das hat der Katholischen Kirche aber schon der Europäische Gerichtshof (EuGH) ins Gebetbuch geschrieben (Fall: "Düsseldorfer Chefarzt").

    Unverändert bestimmt die Grundordnung, dass der Austritt aus der Katholischen Kirche sowohl Einstellungshindernis als auch Kündigungsgrund ist. Insoweit gewinnt die auch mit der qualifizierten Mehrheit der Dienstnehmervertreter getroffene Entscheidung der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbandes an zusätzlicher Bedeutung, wonach nunmehr die Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse automatisch Bestandteil des Dienstverhältnisses ist.

    Der Wunsch der Delegiertenversammlung des Deutschen Caritasverbandes, in der Grundordnung auf Aussagen zum Kirchenaustritt zu verzichten, blieb erwartungsgemäß ungehört. Ähnlich ablehnend verhält sich im Übrigen auch die Diakonie, die sich nachhaltig verweigert, die entsprechende Kündigungsklausel aus dem evangelischen Kollektivrecht zu entfernen.

    Pikant sind in diesem Zusammenhang auch die bischöflichen Erläuterungen zu dieser neuen Grundordnung und den angeführten Gründen, weshalb der Kirchenaustritt eines katholischen Mitarbeiters Einstellungshindernis bzw. Kündigungsgrund bleiben müsse. Angeführt wird nicht nur, dass darin ein Verstoß liege, die Gemeinschaft der Kirche zu wahren, sondern auch ein solcher gegen die Pflicht, seinen finanziellen Beitrag zu leisten.

    Es bleibt daher nach wie vor festzustellen, dass die Bischöfe so lange auf ihren arbeitsrechtlichen Privilegien beharren, bis sie durch säkulare Gerichte, namentlich den EuGH davon abgebracht werden. Die neue Grundordnung ist ein allenfalls gerade einmal ausreichender Schritt zur Seite auf dem Dritten nur langsam verrottenden Holzweg, mit dem beinahe jahrzehntelangen Gerichtsverfahren ansatzweise Rechnung getragen werden soll.

    Die Amtskirchen, die Caritas und die Diakonie bleiben somit aufgefordert, sich für die bei ihnen beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der tariflichen Ausgestaltung der Arbeitsverhältnisse unter anderem auch mit der Möglichkeit von Arbeitskampfmaßnahmen zu öffnen!